Zum Hauptinhalt springen

Ambulante Versorgung durch hausärztliche Steuerung stärken

Pin It

Hausärztliche Praxen müssen endlich zur zentralen Anlaufstelle im
Gesundheitswesen werden. Dafür setzt sich die Deutsche Gesellschaft für
Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) mit einem aktuellen
Positionspapier ein.

Seit Jahren liegen gute Belege dafür vor, dass eine
hausärztliche Steuerung die Qualität der medizinischen Versorgung
verbessert und gleichzeitig Ressourcen spart.

Deutschland leistet sich – im internationalen Vergleich – eines der
teuersten und gleichzeitig ineffizientesten Gesundheitssysteme. Die
fehlgeleitete Ressourcennutzung führt zu hohen Kosten, einer
vergleichsweise mittelmäßigen Lebenserwartung und einer zunehmenden
Belastung der gesetzlichen Krankenversicherungen. Vor diesem Hintergrund
fordert die DEGAM in einem neuen Positionspapier, die hausärztliche Praxis
als zentrales Steuerungselement zu implementieren und ein hausärztliches
Primärversorgungsmodell einzuführen.

„Es ist höchste Zeit, dass die Primärversorgung in Deutschland gestärkt
wird und es eine zentrale Instanz gibt, bei der die Fäden der
medizinischen Versorgung zusammenlaufen. Andere Länder machen seit Jahren
vor, wie sich damit die Qualität steigern und gleichzeitig die Kosten
reduzieren lassen“, kommentiert Prof. Dr. Martin Scherer, Präsident der
DEGAM. „Eine konsequente hausärztliche Steuerung stärkt die
Patientensicherheit und verbessert die Versorgung. Es gibt weder Evidenz
noch rationale Argumente dafür, warum sich Deutschland ein unkoordiniertes
System leistet, in dem die eine Hand oft nicht weiß, was die andere tut.“

Neben Ineffizienz und Ressourcenverschwendung ergeben sich auch
qualitative Probleme: Nationale und internationale Studien zeigen, dass
eine hausärztliche Primärversorgung die Versorgung vulnerabler Gruppen
verbessern, Hospitalisationen und Notfallbehandlungen verringern und die
Behandlungskontinuität steigern kann.

Dr. Uwe Popert, Sprecher der Sektion Hausärztliche Versorgung der DEGAM
und federführender Autor des Positionspapieres, ergänzt: „Dazu kommt, dass
über 80 Prozent der Beratungsanlässe in hausärztlichen Praxen geklärt und
behandelt werden können. Das sollten wir besser nutzen. Hausärztinnen und
Hausärzte bringen genau die Kenntnisse und Erfahrungen mit, die wir
brauchen, um diese 80 Prozent der Beratungsanlässe innerhalb der großen
Bandbreite an möglichen Krankheitsbildern (so genannter
Niedrigprävalenzbereich) zu identifizieren und behandeln zu können. Auch
die nötige Expertise in der partizipativen (gemeinsamen)
Entscheidungsfindung und in der psychosomatischen Grundversorgung ist in
der hausärztlichen Praxis vorhanden.“

Konkret spricht sich die DEGAM für ein hausärztliches
Primärversorgungssystem mit obligater Einschreibung („Hausarztzentrierte
Versorgung“ / HZV) aus. In einem ersten Schritt sollte es für Versicherte
einen Bonus geben, in den HZV-Tarif ihrer Krankenkasse zu wechseln.
Empfohlen werden auch Kontaktgebühren / Kostenbeteiligungen im Notdienst
bzw. für jeden gebietsärztlichen Besuch ohne Überweisung (Ausnahmen
Augenheilkunde, Gynäkologie).

Angesichts der aktuellen Überlastung der hausärztlichen Praxen macht das
Paper der DEGAM auch Vorschläge zur Stärkung der personellen Basis in den
Praxen: Nicht alle Aufgaben müssen zwangsläufig von einer Ärztin / einem
Arzt übernommen werden, nicht-sinnhafte Vorgaben der Gebührenordnung
sollten abgeschafft werden. Konzepte für Delegation und Koordination sind
bereits umfangreich vorhanden. In Hinblick auf die anstehenden Wahlen
empfiehlt die DEGAM der Gesundheitspolitik, der Entlastung der
angespannten personellen Situation in der hausärztlichen Praxis eine
deutlich größere Priorität als bisher einzuräumen.

Und last but not least: Für eine stabile, nachhaltige ambulante
hausärztliche Versorgung braucht es vor allem für die primärärztlichen
Anforderungen adäquat und in ausreichender Zahl ausgebildete
Medizinstudierende, die sich für die hausärztliche Praxis entscheiden. Es
ist auch vor diesem Hintergrund völlig unverständlich, dass die seit
Jahren auch von der DEGAM eingeforderte Reform des Medizinstudiums
(Umsetzung Masterplan 2020 / Änderung der Ärztlichen Approbationsordnung)
noch immer auf sich warten lässt.