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Zum Welt-COPD-Tag: „Wer mehr über die Lungenkrankheit weiß, kann besser damit umgehen.“

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Der Welt-COPD-Tag am morgigen 20. November rückt ein
komplexes Krankheitsbild in den Mittelpunkt.

Das ist auch bitternötig:
Obwohl die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) die
dritthäufigste Todesursache weltweit ist, wissen viele Menschen mit dem
Begriff COPD wenig anzufangen. Im Interview gibt Dr. Peter Kardos,
Vorstandsmitglied der Deutschen Atemwegsliga (DAL), einen umfassenden
Überblick über den Stand der COPD-Therapie und wertvolle Tipps für
Betroffene.

Herr Dr. Kardos, Sie arbeiten als Lungenfacharzt in einer großen
Frankfurter Praxis und betreuen dort zahlreiche COPD-Patienten. Welche
nicht-medikamentösen Behandlungsverfahren sind Ihrer Meinung nach
besonders vielversprechend bei der langfristigen Behandlung?

Dr. med. Peter Kardos: Ein vielversprechendes Verfahren ist die
bronchoskopische Volumenreduktion. Sie eignet sich vorwiegend für COPD-
Patienten mit dem Phänotyp Emphysem und kann auch bei fortgeschrittenem
Verlauf die Leistungsfähigkeit noch steigern. Denn die Krankheit müssen
Sie sich so vorstellen, als würden sie den ganzen Tag durch einen
Strohhalm atmen. Das ist sehr anstrengend und Betroffene haben Probleme,
ihre Lungen mit genügend Luft zu füllen.

Gibt es neben diesem operativen Verfahren noch eine Empfehlung von Ihnen?

PK: Eine weitere Möglichkeit sind Patientenschulungen, in denen Betroffene
viel Hilfreiches zum Umgang mit der Krankheit lernen. Wie man inhalative
Medikamente richtig einnimmt zum Beispiel, denn dabei werden häufig Fehler
gemacht. Wer mehr über die Lungenkrankheit weiß, kann besser damit
umgehen.

Was halten Sie von einer Rehabilitation oder Kur?

PK: Das ist ein komplexes Verfahren, aber durchaus bei einer chronisch-
fortschreitenden Krankheit sinnvoll – wenn sich Patienten mal für eine
Zeit ganz aus dem Alltag rausnehmen und nur etwas für sich tun. In dieser
Zeit werden die Medikamente neu eingestellt und regelmäßig der Erfolg
kontrolliert, es wird spezieller Lungensport mit Training angeboten und
gibt Tipps, wie man mental besser mit der Situation umgehen kann. Ich
empfehle das sehr gerne. Entscheidend ist aber, dass die Patienten nach
einer dreiwöchigen Reha-Maßnahme die dort erlernten Übungen zu Hause
weiter fortsetzen. Und falls empfohlen worden, sollten sie auch ihren
Lebensstil ändern und rauchfrei bleiben. Es ist zudem sinnvoll, wiederholt
die richtige Inhalationstechnik zu erlernen, zum Beispiel anhand der
Inhalationsvideos der Deutschen Atemwegsliga.

Wie kann man Rehabilitation in Anspruch nehmen?

PK: Bei entsprechender Indikation wird eine Rehabilitation theoretisch
alle vier Jahre von der gesetzlichen Krankenversicherung bezahlt. Wir in
der Deutschen Atemwegsliga sind aber der Meinung, dass die gesetzliche
Krankenversicherung eher zurückhaltend mit der Genehmigung von Reha-
Maßnahmen ist. Der Arzt oder die Ärztin muss dafür bescheinigen, dass alle
Maßnahmen am Wohnort erfüllt worden sind: Der Patient hat eine Schulung
bekommen, kann inhalieren, ist angeleitet worden für körperliche Aktivität
und Raucherentwöhnung. Wenn ein Antrag abgelehnt wird, direkt wieder
probieren und nicht aufgeben. Es ist wirklich sehr sinnvoll!

Wie wichtig ist regelmäßige körperliche Aktivität für COPD-Patienten?

PK: Das ist enorm wichtig, denn COPD ist ja nicht nur eine Erkrankung der
Lunge, sondern eine allgemeine entzündliche Erkrankung. Dadurch bedingt
haben COPD-Patienten zum Beispiel auch viel häufiger Herzprobleme. Die
körperliche Aktivität verbessert die Entzündungsparameter und auch den
Muskelschwund, der im Laufe der COPD-Erkrankung und besonders im
fortgeschrittenen Alter auftritt. Man kann also sehr viel für seine eigene
Gesundheit tun, wenn man sich aktiv bewegt. Aber natürlich muss „Sport“ je
nach Krankheitsstadium anders aussehen.

Welche Sportarten empfehlen Sie denn Ihren Patienten?

PK: Für die Betroffenen empfehle ich Sportgruppen unter Anleitung eines
ausgebildeten Therapeuten. Einen solchen Kurs bezahlt die Krankenkasse
über einen Zeitraum von zwei Jahren. In der Regel findet das Angebot
einmal in der Woche statt und die erlernten Übungen kann man dann auch
allein zu Hause fortführen. Einfach den Hausarzt oder die Hausärztin
darauf ansprechen, um eine Verordnung für den Lungensport zu erhalten –
oder beim Lungenfacharzt nachfragen, was zu tun ist.

Welche Rolle spielt die Ernährung bei der Behandlung einer COPD?

PK: Das hängt vom Krankheits-Phänotyp ab. Beim meist untergewichtigen
Emphysem-Typ ist es enorm wichtig, dass das Normalgewicht beim Patienten
erhalten bleibt oder wieder erreicht wird. Zum Muskelaufbau müssen daher
genügend Kalorien, vor allem Proteine, mit der Nahrung aufgenommen werden.
Ideal sind dann mehrere kleine, aber kalorienreiche Mahlzeiten am Tag –
zwischendurch auch mal ein Stück Kuchen oder Schokolade.

Im Gegensatz dazu geht es beim meist übergewichtigen Bronchitis-Typ darum,
Gewicht abzubauen. Sinnvoll ist dafür eine Kombination aus
Kalorienbeschränkung und vermehrter körperlicher Betätigung. Denn aufgrund
des Übergewichts bewegen sich die Betroffenen weniger und eine
Kalorienbeschränkung allein würde dazu führen, dass die Muskeln noch mehr
abgebaut werden, als sie es ohnehin schon tun. Ideal ist eine
Gewichtsreduktion für einen COPD-Patienten daher unter Aufsicht während
einer Rehabilitation, in der die Kombinationstherapie Diät und Bewegung
von der Pike auf gelernt werden kann. Dann kann nichts schiefgehen.

Haben Sie noch einen letzten Tipp für Betroffene oder deren Angehörige?

PK: Für COPD-Patienten gibt es Apps, die auch von der Krankenkasse bezahlt
werden. Der Arzt verschreibt die passenden App – auch digitale
Gesundheitsanwendung DiGA genannt – auf Kassenrezept. Bei der Einlösung
hilft die Krankenkasse. Wenn der Patient oder die Patientin digital affin
ist, kann das eine wertvolle Hilfe sein. In den Apps kann man zum Beispiel
Daten hochladen, die eigene Krankheitsentwicklung beobachten oder Hinweise
für die medikamentöse Therapie und körperliches Training bekommen. Es ist
aber wichtig, hier gemeinsam mit seinem behandelnden Arzt zu überlegen, ob
das passt. Der Arzt sollte dann den Umgang mit der App genau erklären und
überprüfen, ob der Patient mit der Anwendung klarkommt. Diese soll ja
keinen zusätzlichen Stress auslösen.
Aber wer beispielsweise bereits seine körperliche Aktivität mit einem
Schritt-Tracker festhält, könnte Spaß daran haben und sehr profitieren.
Ich ermuntere gerne, es auch einfach mal auszuprobieren.

Inhalationsvideos und Online-Patientenforum:
Anleitungen zum korrekten Inhalieren gibt es unter:
https://www.atemwegsliga.de/richtig-inhalieren/zu-den-videos.html
Zum Welt-COPD-Tag veranstaltet der Lungeninformationsdienst am 20.
November ein Online-Patientenforum. Hier geht es zum Programm und zur
kostenfreien Anmeldung: https://www.lungeninformationsdienst.de/aktuelles
/patientenforum-lunge/online-seminar-zum-welt-copd-tag-2024#c61944