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Energy-Drinks: Wie gefährlich sind sie für Jugendliche oder bei vorgeschädigtem Herzen?

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Die Herzstiftung informiert über Risiken, aktuelle Studien und
Empfehlungen

Zwei Drittel der Jugendlichen in der EU konsumieren Energy-Drinks.

Der
süße Geschmack und ein gezieltes Marketing machen die Getränke in dieser
Altersgruppe besonders beliebt. Viele Ärzte und Ernährungsexperten sehen
die Entwicklung mit Sorge. Neben dem hohen Zuckergehalt gilt vor allem das
enthaltene Koffein als bedenklich. Aktuelle Studien, etwa zu den
Auswirkungen auf das Herz-Kreislauf-System der jungen Konsumenten, stützen
die Bedenken.
Dr. Felix S. Oberhoffer von der Abteilung Kinderkardiologie und
Pädiatrische Intensivmedizin am LMU Klinikum München beschäftigt sich seit
Jahren mit der Materie, hat gemeinsam mit Kollegen eine von der Deutschen
Herzstiftung unterstützte Studie dazu unternommen und war an
internationalen Forschungsprojekten beteiligt.

Der Blutdruck steigt schon nach einem Energy-Drink messbar an
Seine EDUCATE-Studie („Energy-Drinks: Unexplored Cardiovascular
Alterations in TEens and TwEens“) (1) ergab: Bei gesunden Jugendlichen
steigt schon nach dem Konsum einer gewichtsadaptierten Menge eines Energy
Drinks (= knapp 100 ml Energy Drink pro 10 kg Körpergewicht) zeitweise der
Blutdruck an und der Herzrhythmus kann sich verändern. Aufgrund der
Studienergebnisse lautet Dr. Oberhoffers persönlicher Rat: „Kindern und
Jugendlichen sollte vom Konsum von Energy Drinks abgeraten werden,
insbesondere dann, wenn ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko besteht, etwa
eine abgeheilte Herzmuskelentzündung, ein korrigierter angeborener
Herzfehler, Bluthochdruck, Diabetes oder Übergewicht vorliegen, oder
beispielsweise ein ADS-Medikament genommen wird.“ Weitere Infos unter
https://herzstiftung.de/risiko-energy-drinks

Herzspezialist: „Die Dosis macht das Gift!“
Außerdem sollten die jungen Konsumenten über die Gesundheitsrisiken und
den verantwortungsbewussten Umgang mit den Getränken besser aufgeklärt
werden. Als Beispiele nennt Dr. Oberhoffer: „Nur mäßigen Konsum, nicht
gleichzeitig mit Alkohol und nicht vor oder während sportlicher
Betätigung.“
Auch Prof. Dr. KR Julian Chun, Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats der
Deutschen Herzstiftung und Kardiologe am Cardioangiologischen Centrum
Bethanien (CCB), Frankfurt am Main, spricht sich für mehr Aufklärung der
jungen Menschen aus. Stress und exzessive körperliche Aktivität könnten
negative gesundheitliche Auswirkungen der Drinks verstärken, warnt er. Es
gelte wie häufig im Leben: „Die Dosis macht das Gift!“

Zwei Dosen eines Energy-Drinks sind für Teenager oft schon über dem Limit
Doch ab welcher Dosis besteht Gefahr? Eine 250-ml-Dose eines Energy Drinks
enthält im Schnitt etwa 80 mg Koffein. Dies ist etwa dreimal so viel, wie
in der gleichen Menge der meisten normalen Cola-Getränke enthalten ist.
Bei Kindern und Jugendlichen sollte jedoch der Konsum von maximal 3 mg
Koffein pro Kilogramm Körpergewicht pro Tag nicht überschritten werden, so
die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA). Für die Praxis
heißt das: Schon mit einem halben Liter eines Energy-Drinks liegt ein
Teenager mit 50 kg Körpergewicht über diesem Limit. Viele Kinder und
Jugendliche konsumieren im Alltag deutlich mehr der Süßgetränke.
Folgen können neben Herzrasen, Schlaflosigkeit oder Magen-Darm-Beschwerden
auch die in der EDUCATE-Studie nachgewiesenen Blutdruck-Erhöhungen und
Veränderungen des Herzrhythmus sein. „Möglicherweise verstärken weitere
Inhaltsstoffe der Energy-Drinks wie Guarana oder Taurin die ungünstigen
Wirkungen sogar noch“, warnt der Kardiologe und Chefarzt für Kardiologie
Prof. Chun. Neue Studiendaten lassen diesen Schluss zu.

Konsum mit vorgeschädigten Herzen: Tragischer Todesfall gab Anstoß für die
Studien
Gefährlich kann dies vor allem bei einem vorgeschädigten Herzen sein. Dies
schließt der Klinikarzt Dr. Oberhoffer aus einem tragischen Fall vor
einigen Jahren. Eine 16-jährige Schülerin kollabierte im Unterricht
aufgrund einer Herzrhythmusstörung. Sie hatte keinen Puls mehr, konnte
zunächst reanimiert werden, starb aber einige Tage später in der Klinik
(1).
Es stellte sich heraus, dass sie unbemerkt eine Herzmuskelentzündung
(Myokarditis) durchgemacht hatte. Ihr Herz war dadurch vorgeschädigt. In
den drei Tagen vor dem Zusammenbruch hatte die Schülerin auf eine Prüfung
gelernt und ein Referat vorbereitet, sehr wenig geschlafen und große
Mengen an Energy-Drinks konsumiert.
Das Mädchen war an Dr. Oberhoffers Abteilung am LMU Klinikum München,
behandelt worden. Er fragt sich seitdem: Was hat der exzessive Konsum der
Energy-Drinks zu dem tragischen Ausgang beigetragen? Wahrscheinlich habe
die Herzmuskelentzündung den entscheidenden Anteil gehabt, sagt Dr.
Oberhoffer: „Bereits die Myokarditis allein ist mit einem erhöhten Risiko
für schwerwiegende Rhythmusstörungen assoziiert.“ Doch er ist auch
überzeugt: „Dieses Risiko wird potenziell durch den simultanen Konsum
größerer Mengen von Energy-Drinks weiter verstärkt!“

Besonders gefährlich: Exzessiver Konsum in Verbindung mit Alkohol, Sport,
Stress
Der tragische Todesfall war ein Anlass für ihn, die Auswirkungen der
koffeinhaltigen Süßgetränke auf das Herz-Kreislaufsystem von Jugendlichen
in eingehenderen Studien wie EDUCATE zu prüfen. Eine internationale
Literaturrecherche (2), an der er ebenfalls beteiligt war, bestätigt, dass
vor allem der exzessive Konsum von Energy-Drinks in Verbindung mit
Triggerfaktoren (Sport, Alkohol, Stress) und Vorerkrankungen das Herz,
aber auch andere Organe wie Niere und Gehirn von Jugendlichen gefährden
kann.

Verkaufsverbot von Energy-Drinks an Minderjährige?
Verschiedene Ärzte und Organisationen sprechen sich aufgrund der aktuellen
Daten für eine Altersgrenze für den Kauf von Energy-Drinks aus. Ein
Verkaufsverbot für Energy-Drinks an Minderjährige gibt es z.B. in Litauen
und Lettland. Dr. Oberhoffer befürwortet dies auch bei uns. Denn, so
argumentiert er, die EDUCATE-Studie zeige, dass bereits die als
„unbedenklich“ betrachtete Dosis an Koffein in dieser Altersgruppe sich
ungünstig auf das Herz-Kreislauf-System auswirke.
Bei einem öffentlichen Fachgespräch des Ausschusses für Ernährung und
Landwirtschaft (3) erhielt Oberhoffer Unterstützung von Prof. Dr. Nikolaus
Haas, Klinikdirektor der Abteilung Kinderkardiologie und Pädiatrische
Intensivmedizin an der LMU München. Und auch die Verbraucherzentralen in
Deutschland fordern schon länger ein Verkaufsverbot an Minderjährige von
Getränken, die mehr als 150 mg Koffein pro Liter enthalten.
Nach Ansicht anderer Experten rechtfertigen die bisherigen Erkenntnisse
jedoch einen solchen Schritt bei uns (noch) nicht (4). Zurzeit sind in
Deutschland in einem Erfrischungsgetränk 320 mg Koffein pro Liter erlaubt
– dieses Limit schöpfen die Hersteller der Energy-Drinks in der Regel voll
aus. Doch ab 150 mg Koffein pro Liter ist ein Warnhinweis Pflicht, dass
das Getränk für Kinder sowie schwangere und stillende Frauen nicht
geeignet ist.

Auch Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) warnt vor Gesundheitsrisiken
Im Übrigen hat auch das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) bereits
vor Gesundheitsrisiken für Herz und Kreislauf von Kindern durch den
übermäßigen Konsum von Energy-Drinks gewarnt (5). Für „gesunde Erwachsene“
bestehe allerdings nach Studienlage bei einem moderaten Konsum innerhalb
der EFSA-Grenzwerte (200 mg Koffein als Einzeldosis, bis zu 400 mg/Tag)
„kein gesundheitliches Risiko“, so das BfR.

(sb)

Service: Zusätzliche Infos über aktuelle Studien und Empfehlungen zu
Energy-Drinks finden Sie in verschiedenen Beiträgen auf der Herzstiftungs-
Website: https://herzstiftung.de/risiko-energy-drinks

Literatur:
(1)     Oberhoffer F.S. et al. Energydrinks und ihre Auswirkungen auf die
Herz-Kreislauf-Funktion bei Kindern und Jugendlichen. Monatsschrift
Kinderheilkunde online publiziert 28. Juni 2023.
https://www.researchgate.net/publication
/371938253_Energydrinks_und_ihre_Auswirkungen_auf_die_Herz-Kreislauf-
Funktion_bei_Kindern_und_Jugendlichen

(2)     Pengzhu L. et al. Energy Drinks and Adverse Health Events in
Children and Adolescents: A Literature Review. Nutrients 2023.
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC10255861/#:~:text=This%20literature%20review%20suggests%20that,conditions%20appears%20to%20be%20critical.

(3)     Anhörung Deutscher Bundestag. Öffentliches Fachgespräch des
Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft am Dienstag, 10. September
2024. Mediziner warnen vor Energydrinks und fordern Altersgrenze.
https://bundestag.api.proxy.bund.dev/dokumente/textarchiv/2024/kw37-pa-
ernaehrung-unterrichtung-buergerrat-1013556


(4) Deutscher Bundestag, Parlamentsnachrichten vom 11.09.24: „Mediziner
warnen vor Energydrinks und fordern Altersgrenze“:
https://www.bundestag.de/presse/hib/kurzmeldungen-1017260

(5) BfR. Kinder und Jugendliche: Übermäßiger Konsum von Energy Drinks
erhöht Gesundheitsrisiko für Herz und Kreislauf. Stellungnahme Nr.
018/2019 des BfR vom 27. Mai 2019 https://www.bfr.bund.de/cm/343/kinder-
und-jugendliche-uebermaessiger-konsum-von-energy-drinks-erhoeht-

gesundheitsrisiko-fuer-herz-und-kreislauf.pdf

Weitere:
- https://www.nature.com/articles/s41390-023-02598-y
- https://www.ahajournals.org/doi/full/10.1161/JAHA.116.004448
-
https://www.heartrhythmjournal.com/article/S1547-5271(24)00189-9/abstract