Diabetes Typ 1 bei Kindern: Bessere Lebensqualität dank Früherkennung
Stiftung Kindergesundheit informiert über ein zunehmendes
Gesundheitsrisiko
Knapp 35.000 Kinder und Jugendliche in Deutschland müssen täglich Insulin
spritzen, ihren Blutzucker messen und die Kohlenhydrate in ihrem Essen
berechnen: Sie sind zuckerkrank. Etwa 4.100 Heranwachsende erkranken jedes
Jahr neu an der Stoffwechselstörung Diabetes und es kommen immer mehr
dazu, berichtet die in München beheimatete Stiftung Kindergesundheit in
ihrer aktuellen Stellungnahme.
Wenn Ärzte bei einem Kind oder Jugendlichen eine Zuckerkrankheit
diagnostizieren, handelt es sich meist um einen Diabetes vom Typ 1.
„Dieser Typ von Diabetes mellitus gehört zu den häufigsten
Stoffwechselerkrankungen im Kindesalter“, berichtet Professor Dr. Berthold
Koletzko, Vorsitzender der Stiftung Kindergesundheit. „Die Zahl der
Neuerkrankungen steigt weltweit an und besonders der Anteil der 10- bis
17-Jährigen nimmt dramatisch zu“, betont der Stoffwechselexperte der von
Haunerschen Kinderklinik der Universität München.
Warum das Hormon Insulin so wichtig ist
Bei einem Typ-1-Diabetes werden die für die Entstehung des Hormons Insulin
zuständigen Beta-Zellen in den sogenannten Langerhans-Inseln der
Bauchspeicheldrüse durch das körpereigene Immunsystem langsam zerstört.
Als Folge wird in den Inselzellen zu wenig Insulin gebildet.
„Insulin macht die aus der Nahrung aufgenommenen Kohlenhydrate im Körper
nutzbar“, erläutert Professor Koletzko. Es lässt den aus Stärke gebildeten
Zucker (Glukose) in die Gewebe (z.B. in die Muskeln) übertreten, wo er als
Energielieferant dringend benötigt wird. Ohne Insulin kann der Körper die
Nahrung nicht verwerten und der Zucker sammelt sich im Blut an, anstatt
von den Zellen aufgenommen zu werden.
Durch den zunehmenden Mangel an Insulin steigt der Blutzuckerspiegel
übermäßig an. Bei zu hohem Blutzucker scheiden die Nieren Glukose mit dem
Urin aus. Daher auch der Name der Störung: Diabetes mellitus, zu Deutsch
Zuckerharnruhr oder Honigharnruhr (lat.: mellitus – honigsüß).
Diabetes – oft ein Problem der ganzen Familie
Dieser Vorgang kann bei Kindern, die hiefür eine genetische Veranlagung
geerbt haben, durch umweltbedingte Faktoren ausgelöst werden. Auch nahe
Verwandte von Typ-1-Diabetikern haben ein erhöhtes Diabetes-Risiko, betont
die Stiftung Kindergesundheit: Geschwisterkinder haben ein Risiko von etwa
4–8 %, eineiige Zwillinge mit 30–50 % ein noch höheres Risiko. Das
Diabetes-Risiko eines Kindes mit einem Elternteil, der an Typ-1-Diabetes
leidet, liegt bei etwa 10 %, wenn der Vater betroffen ist, und bei etwa 4
%, wenn die Mutter erkrankt ist.
Dennoch haben über 80 % der betroffenen Kinder und deren Eltern keine
Verwandten mit Typ-1-Diabetes. Das hat zur Folge, dass viele Familien kaum
etwas darüber wissen und nur unzureichend oder gar nicht mit den Symptomen
beim Ausbruch der Stoffwechselerkrankung vertraut sind.
Frühe Zeichen: großer Durst, viel Urin, Gewichtsverlust und Müdigkeit
Die Symptome eines Typ-1-Diabetes können sich innerhalb weniger Wochen
oder sogar Tagen entwickeln. Oft haben die Kinder ständig Durst, trinken
mehr als sonst und haben häufigen Harndrang. Manche von ihnen nässen auch
ins Bett. Einige Kinder verlieren an Gewicht und sind abgeschlagen – die
Haut ist trocken, die Lippen sind rissig. Unter Umständen riecht der Atem
obstähnlich nach Aceton. „Bei derartigen Problemen sollten Eltern dringend
den Rat eines Kinder- und Jugendarztes einholen“, empfiehlt Professor
Koletzko.
Bei mehr als einem Drittel aller Betroffenen wird ein Typ-1-Diabetes zu
spät entdeckt, also zu einem Zeitpunkt, an dem bereits eine schwerwiegende
Stoffwechselentgleisung mit einer potenziell lebensbedrohlichen
Übersäuerung des Bluts, der diabetischen Ketoazidose, aufgetreten ist.
Entscheidend sind eine frühe Diagnose und Behandlung der Krankheit, da
eine verzögerte Erkennung die Lebenserwartung deutlich verringern kann,
betont die Stiftung Kindergesundheit. Eine optimale Einstellung des
Stoffwechsels von Beginn an hilft dagegen, langfristige Komplikationen zu
vermeiden.
Frühzeitig vorbereitet
Ein Screening auf Typ-1-Diabetes bei Kindern ermöglicht es, die Entstehung
der Krankheit frühzeitig zu erkennen, noch bevor klinische Symptome
auftreten. Wenn sich bei einer Blutuntersuchung bestimmte
Inselautoantikörpern nachweisen lassen, kann das auf ein Frühstadium der
Autoimmunerkrankung hinweisen. Das Screening auf Typ-1-Diabetes mittels
Inselautoantikörpertest wird seit 2015 in Bayern als Modellprojekt im
Rahmen der „Fr1da-Studie“ angeboten. Diese Studie wurde bereits auf die
Bundesländer Niedersachsen, Hamburg und Sachsen ausgeweitet. Das
kostenlose und freiwillige Screening wird Kindern hier im Rahmen einer
Vorsorgeuntersuchung (U7 bis U11) oder eines Kinderarztbesuches im Alter
zwischen 2 und 10 Jahren angeboten. Die Untersuchung kann Familien
emotional entlasten und vor einem meist traumatischem Erlebnis, wie der
lebensbedrohlichen diabetischen Ketoazidose, die sofortige
Notfallmaßnahmen erfordert, bewahren.
Durch die frühe Diagnose erhalten Eltern die Möglichkeit, sich besser auf
den Umgang mit der Krankheit vorzubereiten. Sie können gemeinsam mit
Ärzten rechtzeitig Maßnahmen ergreifen, Schulungen zur Insulintherapie und
Blutzuckerkontrolle besuchen und sich schrittweise an die neue
Lebenssituation anpassen. Das reduziert Unsicherheiten und Ängste, die oft
mit einer plötzlich diagnostizierten chronischen Krankheit einhergehen.
Eltern, Ärztinnen und Ärzte können präventiv handeln und die Gesundheit
des Kindes überwachen, was das Risiko eines plötzlichen
Krankheitsausbruchs und damit verbundene Notfallsituationen senkt.
Fazit der Stiftung Kindergesundheit: Eine frühzeitige Erkennung und
rechtzeitige Behandlung der Krankheit kann die Gesundheit und die
Lebensqualität der betroffenen Kinder deutlich verbessern und ihnen und
ihren Familien helfen, sich auf die Herausforderungen einer lebenslangen
Insulintherapie vorzubereiten. „Eine Ausweitung des Screenings auf ganz
Deutschland wäre deshalb wünschenswert“, so Professor Koletzko.
Hier gibt es mehr Rat und Hilfe:
Weitere Informationen zu den Problemen von Kindern und Jugendlichen mit
Diabetes bieten im Internet folgende Seiten:
http://www.fr1da.de/
www.kindunddiabetes.de
www.diabetikerbund.de
www.bund-diabetischer-kinder.d
www.deutsche-diabetes-gesellsc