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Grauer-Star-Operation – Es stehen fünf moderne Strategien zur Wahl

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Mit etwa einer Million Eingriffen jährlich ist der Graue Star die
häufigste Operation in Deutschland. Verschiedene moderne Kunstlinsen-
Konzepte, intelligente OP-Instrumente, 3D-Brillen und KI-Rechenleistungen
ermöglichen heute eine hohe Brillenunabhängigkeit. Warum Augenchirurginnen
und Augenchirurgen fünf Behandlungsstrategien anbieten und ausreichend
Zeit investieren sollten, um die richtige Therapie für jede Patientin und
jeden Patienten zu finden, erläuterte Professor Dr. med. Gerd Auffarth,
Präsident der Deutschen Gesellschaft für Ophthalmologie e.V. (DOG) heute
auf der Kongress-Pressekonferenz.

Beim Grauen Star, auch Katarakt genannt, trüben sich die Augenlinsen
allmählich ein, bis es zum Sehverlust kommt. Dieser Prozess beginnt im
sechsten Lebensjahrzehnt, zunächst nahezu unmerklich. Ab 65 Jahren sind
fast 90 Prozent betroffen. „Indem wir die natürliche Linse durch ein
Implantat tauschen, wird die ungetrübte Sicht wiederhergestellt“, sagt
Auffarth. Aber nicht nur das – der Anspruch heute geht viel weiter: Mit
dem Linsentausch sollen alle Fehlsichtigkeiten so korrigiert werden, dass
keine Brille, keine Kontaktlinse mehr erforderlich ist. „Dank
Fortschritten in der Diagnostik, bei Operationsmaschinen, OP-Mikroskopen
und Implantaten gelingt das sehr zuverlässlich“, fügt der Ärztliche
Direktor der Augenklinik am Universitätsklinikum Heidelberg hinzu.

KI hilft, Augenprobleme früh herauszufiltern
Verbesserte Diagnostik etwa hilft, problematische Patientinnen und
Patienten früh herauszufiltern, um sie zu Katarakteingriffen besser zu
beraten. So können moderne Bildanalyseverfahren wie OCT-Technologie und
Scheimpflugbildgebung mittlerweile subtile Veränderungen wie
Wölbungsanomalien der Hornhaut, Veränderungen des Sehnervs oder der Makula
entdecken, bevor sie in Erscheinung treten – auch dank KI-Algorithmen.
„Für all diese Patienten sind beispielweise Trifokallinsen nicht gut
geeignet“, erläutert Auffarth. „In solchen Fällen kommen eher die
Standard-Monofokallinsen infrage, in Ausnahmefällen aber auch Monofokal-
plus- und Tiefenschärfenlinsen.“

Tiefenschärfenlinsen machen Trifokallinsen Konkurrenz
Auch die Kunstlinsen selbst haben sich stark weiterentwickelt. Neue
Herstellungsverfahren – teilweise auch auf KI-Algorithmen basierend –
konnten den Lichtverlust bei Trifokallinsen von bis zu 20 Prozent auf
unter 10 Prozent senken. „Trotz allem sind die trifokalen Linsen nicht
frei von Licht-Nebenwirkungen, weshalb sie nicht mehr unangefochten auf
Platz eins stehen“, so Auffarth. So sind seit einiger Zeit
Tiefenschärfenlinsen auf dem Vormarsch: Nach einer Umfrage der European
Society for Cataract and Refractive Surgeons (ESCRS) aus dem Jahr 2023
wurden fast genauso viele Tiefenschärfenlinsen wie Trifokallinsen
eingesetzt.

Tiefenschärfe, trifokal, Kombi-Lösung, Monovision, Blended Vision
Um das Ziel der Brillenunabhängigkeit zu erreichen, können beide
Optiksysteme aber auch kombiniert werden. „Eine Tiefenschärfenlinse in
einem Auge und eine Trifokallinse im anderen kann im Einzelfall eine gute
Möglichkeit sein, Nebenwirkungen zu reduzieren“, erläutert Auffarth. „Dies
wird oft in Asien angewandt, wo viele stark kurzsichtig sind.“ Zur Wahl
steht ferner eine moderne Monovisionsstrategie mit Monofokal-plus-Linsen:
Ein Auge wird auf 0 Dioptrien eingestellt, das andere leicht kurzsichtig,
etwa auf minus 1 Dioptrie. „Man muss allerdings vorher durch einen
Kontaktlinsenversuch testen, ob der Patient dies verträgt“, betont
Auffarth. Eine weitere Alternative stellt das Verfahren „Blended Vision“
dar. „Dabei setzen wir Tiefenschärfenlinsen so ein, dass eine Linse die
Ferne bedient, die andere die Nähe und beide zusammen den
Intermediärbereich“, erläutert der DOG-Präsident. „Um die richtige
Strategie zu finden, muss ausreichend Zeit investiert werden.“

Künstliche Intelligenz errechnet Linsenstärken
Nach Diagnostik, ausführlicher Beratung und anschließender Wahl des
Implantats steht die individuelle Berechnung der Intraokularlinsenstärke
an. „Auch auf diesem Gebiet gibt es große Fortschritte, seit moderne
mathematische Formeln und neuerdings sogar KI-basierte
Linsenberechnungsformeln zum Einsatz kommen“, berichtet Auffarth. „Durch
KI ist die Genauigkeit einer Berechnung des postoperativen Ergebnisses im
Bereich von 0,25 Dioptrien möglich – das bedeutet de facto
Brillenunabhängigkeit.“ Hornhautverkrümmungen und unterschiedliche
Hornhautparameter können dabei präzise erfasst und in den Implantaten
berücksichtigt werden.

Intelligente Pumpsysteme, regulierter Augendruck und 3D-Brillen
Auch der Eingriff erfolgt immer schonender, immer präziser. Neuartige OP-
Mikroskope werden mit 3D-Brillen und einem großen Bildschirm genutzt –
Operateur oder Operateurin müssen nicht mehr durch die Okulare schauen,
sondern können frei im Raum das OP-Feld sehen. „Bildqualität und
Plastizität sind beeindruckend“, sagt Auffarth. Intelligente Pumpsysteme
messen die Druckverhältnisse während der Operation, um die
Flüssigkeitsmenge im Auge zu regulieren; auch der Augendruck, der bei der
Katarakt-OP aufgebaut wird, kann inzwischen so weit heruntergesetzt
werden, dass Schäden der Hornhaut und Entzündungsreaktionen minimiert
werden. „Insgesamt stehen uns mit erweiterter Diagnostik, Risikominderung
des Eingriffes und personalisierten Implantatlösungen heutzutage ganz neue
Möglichkeiten beim Katarakt-Eingriff und in der Linsenchirurgie zur
Verfügung“, resümiert Auffarth. „Das ist eine Erfolgsgeschichte, die
permanent fortgeschrieben wird.“

Hinweis: Über die neuen Behandlungsoptionen des Grauen Stars informiert
auch die Woche des Sehens, die in diesem Jahr vom 8. bis zum 15. Oktober
2024 deutschlandweit unter dem Motto „Klar sehen“ stattfindet.
Aktionspartner der Woche des Sehens sind neben der DOG und dem
Berufsverband der Augenärzte Deutschlands e.V. (BVA) die Christoffel-
Blindenmission, der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband, das
Deutsche Komitee zur Verhütung von Blindheit, der Deutsche Verein der
Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf sowie die PRO RETINA
Deutschland. Unterstützt wird die Woche des Sehens von der Aktion Mensch.
Die TV-Journalistin Gundula Gause übernimmt erneut die Schirmherrschaft
der Kampagne. Weitere Infos, auch zu den Veranstaltungen, können
eingesehen werden unter www.woche-des-sehens.de

Literatur:

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