Schonende Krebsbehandlung dank Protonentherapie


Mehr als 1.500 Patientinnen und Patienten haben seit 2014 von der
hochwirksamen und gleichzeitig schonenden Protonentherapie in Dresden
profitiert. Mit jährlich bis zu 270 Betroffenen, die insgesamt knapp 9.000
Einzelbestrahlungen absolvieren, erfolgen die Behandlungen im Zwei-
Schicht-Betrieb. Zu den häufigsten Indikationen der Protonentherapie
gehören Tumore bei Kindern, Tumore in oder in der Nähe des Gehirns oder
Rückenmarks, Tumore des Kopf-Hals-Bereichs und der Prostata, sowie Tumore,
die sich nicht anderweitig bestrahlen lassen.
Noch immer erforscht das Team aus über 30 Ärztinnen und Ärzten,
Physikerinnen und Physikern, Medizinischen Fachangestellten sowie
Technischen Assistentinnen und Assistenten, bei welchen weiteren
Indikationen eine Protonentherapie sinnvoll und vorteilhaft ist und
welchen Wert sie insgesamt hat. „Schon jetzt sehen wir, dass zum Beispiel
Nebenwirkungen weniger stark auftreten“, sagt Prof. Esther Troost, die
zusammen mit Prof. Mechthild Krause die Klinik und Poliklinik für
Strahlentherapie und Radioonkologie am Universitätsklinikum leitet.
Alles fing mit einem harmlosen Schnupfen an: Im Frühjahr 2021 bemerkte
René Johne aus Pirna einen leichten Ausfluss am linken Nasenloch. Zunächst
hat er sich dabei nichts gedacht und es auf den Heuschnupfen geschoben.
Als dann aber ein Druck auf dem linken Auge hinzukam, war der
Familienvater alarmiert und suchte Rat bei seinem Hausarzt. Das
angeordnete MRT brachte im November Gewissheit und die für den Patienten
erschütternde Diagnose: Nasennebenhöhlenkrebs. Wenige Tage später schon
wurde der 41-Jährige in der Klinik für Neurochirurgie am
Universitätsklinikum Dresden operiert. Über ein Loch in der Schädeldecke
entfernten die Medizinerinnen und Mediziner einen großen Teil des Tumors,
der sich schon in Richtung Gehirn ausgebreitet hatte. In einer zweiten
Operation im Dezember konnte ein Team aus der Klinik für Hals-, Nasen- und
Ohrenheilkunde über das Nasenloch die Reste des Tumors weitestgehend
entfernen. Weihnachten hat die Familie zusammen zu Hause verbringen
können. Seit Januar absolviert der Patient nun die Strahlentherapie am
Universitätsklinikum. 33 Sitzungen in der Protonentherapie sind verordnet.
René Johne ist der 1.500. Patient, der am Dresdner Uniklinikum diese Form
der Bestrahlung erhält. Diese wird deutschlandweit nur an wenigen Zentren
angeboten, verspricht jedoch eine passgenaue Bestrahlung, bei der
umliegendes Gewebe geschont beziehungsweise nicht nachhaltig
beeinträchtigt wird und bei der weniger Nebenwirkungen auftreten als bei
der Bestrahlung mit Photonen. Bei der Protonentherapie wird eine
vollständige Tumorvernichtung angestrebt. Noch immer erforscht das
Dresdner Protonenteam die Vorteile und Nachhaltigkeit der
Behandlungsmethode sowie weitere Anwendungsbereiche.
Seit der Inbetriebnahme der Protonentherapie in Dresden 2014 laufen
parallel zur Patientenversorgung verschiedene Studien und
Forschungsarbeiten. Jeder der über 1.500 Patientinnen und Patienten wird
in eine Studie eingeschlossen. Die Wissenschaft möchte wissen, wie sich
die physikalischen Unterschiede zwischen der Protonen- und der
Photonentherapie auf das Therapieansprechen und mögliche Nebenwirkungen
auswirken. Aktuell ist eine europäische Studie zur Anwendung der
Protonentherapie bei Speiseröhrenkrebs gestartet, an der die Klinik und
Poliklinik für Strahlentherapie und Radioonkologie federführend beteiligt
ist. „Es wäre wunderbar, wenn wir noch mehr Menschen mit einer
Krebserkrankung mit der Protonentherapie helfen könnten“, sagt Prof.
Mechthild Krause. „Unsere Forschung und zahlreiche Studien helfen uns
dabei.“
Seit Dezember 2014 ist die Anlage der Universitäts ProtonenTherapie
Dresden in Betrieb. Während im ersten kompletten Betriebsjahr (2015) 104
Patientinnen und Patienten therapiert werden konnten, stieg diese Zahl
danach wie geplant kontinuierlich an, bis 2019 der Vollaufwuchs mit ca.
270 Patienten pro Jahr im Zwei-Schicht-Betrieb erreicht wurde. Heute
können viele Tumore im bestrahlten Gebiet dauerhaft vernichtet und
gleichzeitig das umliegende gesunde Gewebe geschont werden. Unter anderem
können Tumore in besonders empfindlichen Regionen so bestrahlt werden,
dass eine anschließende Operation nicht mehr notwendig ist. Die Methode
der Protonentherapie, die weltweit nur in wenigen Zentren zur Verfügung
steht, bedeutet eine weitere erhebliche Verbesserung der Strahlentherapie.
Die Patientinnen und Patienten kommen aus ganz Deutschland nach Dresden.
„Mit 1.500 Patientinnen und Patienten, die an nur einem Bestrahlungsplatz
nach den höchsten Sicherheitsstandards behandelt werden, setzt die
Dresdner Universitäts ProtonenTherapie weltweit Maßstäbe bei der Effizienz
des Betriebs einer so komplexen Anlage“, sagt Prof. Michael Albrecht,
Medizinischer Vorstand des Universitätsklinikums. „Angesichts des
umfassenden technischen Supports der Anlage und des parallel von den
Forschenden genutzten Protonenstrahls belegt diese Zahl, wie wichtig es
ist, eine solche Einrichtung strategisch klug zu planen und zu betreiben.
Die Zahlen zeigen auf beeindruckende Weise, dass dies den Initiatoren der
Dresdner Protonentherapie gelungen ist.“
„Da die Protonentherapie noch keine Regelleistung der Krankenkassen ist,
freuen wir uns als Dresdner Universitätsklinikum mit verschiedenen
Krankenkassen Verträge abgeschlossen zu haben. Damit können deren
Versicherte bei bestimmten schwerwiegenden Krebserkrankungen diese
Therapieform ohne aufwändiges Antragsverfahren in Anspruch nehmen“, sagt
Stefan Pieck, Administrativer Direktor der Klinik und Poliklinik für
Strahlentherapie und Radioonkologie. Weitere Krankenkassen kommen nach und
nach hinzu. Um schnell und unkompliziert zu klären, für wen die
Protonentherapie geeignet ist, betreibt das Dresdner Universitäts
ProtonenTherapie eine Hotline für Ärztinnen und Ärzte sowie Patientinnen
und Patienten.
René Johne hat alle Sitzung in der Dresdner Protonentherapie hinter sich
gebracht und sieht optimistisch in die Zukunft. In den letzten Wochen der
Behandlung hatte sich die Haut an seinem Hals gerötet – wie bei einem
Sonnenbrand. Auch hatte er Probleme beim Schlucken bekommen –
Nebenwirkungen, die bei einer Bestrahlung im Kopfbereich normal sind, nach
Ende der Behandlung aber schnell abklingen. Der junge Mann hat seine
Ernährung umgestellt und achtet nun sehr darauf, gesund und bewusst zu
leben. „Ich bin froh, über die Möglichkeiten der modernen Medizin und dass
mir geholfen wurde. Dem ganzen Team bin ich sehr dankbar“, sagt er.