Die wichtigsten Tipps zur Grippe-Impfung: Ältere Menschen sind besonders gefährdet
Jetzt beginnt wieder die Grippezeit. Gerade ältere Patienten sind durch
Influenza-Viren besonders gefährdet. Bei ihnen sind 80 Prozent der
Erkrankungen auf Viren oder Bakterien zurückzuführen. Deswegen raten
Experten jetzt im September zur gezielten Grippeschutzimpfung. „Für ältere
Menschen eignen sich insbesondere die sogenannten tetravalenten
Impfstoffen, die jeweils zwei Antigene gegen beiden Influenza-Typen A und
B haben“, sagt Dr. Andreas Leischker, Impfexperte der Deutschen
Gesellschaft für Geriatrie (DGG) sowie Chefarzt der Klinik für Geriatrie
des Alexianer-Krankenhauses Krefeld.
Im Interview beantwortet Leischker die wichtigsten Fragen zu Influenza-
Viren, aktuelle Übertragungsrisiken und den optimalen Grippe-Schutz.
Herr Dr. Leischker, wie wird eine Grippe, also eine Influenza, eigentlich
übertragen?
Für die Übertragung spielen zwei Wege eine entscheidende Rolle. Zum einen
die Tröpfcheninfektion: Über Niesen, Husten aber auch schon beim Sprechen
werden Tröpfchen gebildet und über die Luft übertragen. Besonders hoch ist
das Übertragungsrisiko in geschlossenen, überfüllten Räumen, zum Beispiel
in öffentlichen Verkehrsmitteln, wo Menschen eng gedrängt stehen. Ein
zweiter Weg ist die Übertragung über die Schmierinfektion. Hier spielen
die Hände eine entscheidende Rolle. Nach dem Händeschütteln oder dem
Anfassen einer Türklinke bleiben die Viren auf der Haut und werden dann
beispielsweise beim Griff ans eigene Gesicht übertragen.
Wie können wir dieses Übertragungsrisiko verringern?
Das regelmäßige Waschen der Hände kann das Übertragungsrisiko deutlich
verringern. Noch wirksamer ist es, wenn die Hände mit einem alkoholischen
Präparat desinfiziert werden. Händedesinfektionsmittel in Gelform gibt es
mittlerweile in jeder Drogerie – auch als kleine Pocketversion für die
Handtasche.
Wie unterscheidet sich die echte Influenza-Grippe von einem grippalen
Infekt?
Die „echte“ Grippe wird durch Influenzaviren verursacht, grippale Infekte
durch eine Vielzahl von Viren. Typisch für die echte Grippe ist ein
plötzlicher Beginn mit hohem Fieber über 38,5 Grad, trockenem Husten ohne
Auswurf, Halsschmerzen, Appetitlosigkeit sowie starken Kopf- und
Gliederschmerzen. Gerade ältere Menschen brauchen oft sehr lange, bis sie
sich von der Infektion erholt haben. Der entscheidende Punkt ist: Gerade
bei alten Menschen kann eine Influenza auch zu Todesfällen führen. Deshalb
ist die Impfung für ältere Menschen so wichtig.
Der Volksmund sagt, eine Grippe sei unangenehm, aber harmlos. Warum können
Menschen daran sterben?
Hierfür gibt es mehrere Gründe: Oft kommt es gerade bei unterernährten
Patienten oder bei Patienten mit chronischen Krankheiten wie Diabetes
mellitus zu einer bakteriellen Superinfektion, die dann zu einer
Lungenentzündung führt. Davon können übrigens auch junge Patienten
betroffen sein. 1918 wurden Verstorbene obduziert, die an der „Spanischen
Grippe“ verstorben sind. Bei fast allen Verstorbenen fanden sich in den
Lungen und im Blut Pneumokokken - das sind Bakterien, die unter anderem
Lungenentzündungen, Blutvergiftungen und Mittelohrentzündungen verursachen
können. Weniger bekannt ist, dass eine Influenzainfektion das Risiko
massiv erhöht, während der Erkrankung einen Herzinfarkt zu bekommen.
Schützt die Grippeimpfung also auch vor einem Herzinfarkt?
Ja, das belegt auch eine Studie. Patienten mit einem akuten Herzinfarkt
wurden noch im Labor direkt nach der Herzkatheter-Untersuchung gegen
Grippe geimpft. Eine andere Gruppe bekam eine Kochsalzlösung in den Arm
gespritzt. Diejenigen mit dem Impfstoff bekamen deutlich seltener einen
erneuten Herzinfarkt.
Also ist die Grippeimpfung auch eine „Impfung gegen Herzinfarkt“?
Wenn Sie es so nennen wollen ist das richtig.
Manche Menschen beklagen Nebenwirkung nach Impfung, kann das sein?
Das kann gut sein. Als Nebenwirkung können bei einigen Menschen unter
anderem Muskelschmerzen, Schmerzen an der Einstichstelle und leichte
Kopfschmerzen auftreten – jeder reagiert da unterschiedlich. Diese
Symptome zeigen, dass der Körper auf die Impfung mit der Bildung von
Antikörpern reagiert.
Andere beklagen nach dem Impfen hohes Fieber, Husten oder eine verstopfte
Nase. Das Anzeichen für das Auftreten einer echten Grippe?
Das glauben viele, ist aber unmöglich. Bei der Injektion zur Influenza-
Impfung handelt es sich um einen Totimpfstoff. In der Injektionslösung
kann sich also kein einziges lebendes Viruspartikel befinden.
Warum haben dann so viele Menschen diese Erfahrung gemacht?
Die Erklärung ist einfach. Wir impfen meist im Oktober, teilweise auch bis
in den November hinein. Zu diesem Zeitpunkt zirkulieren schon viele
Erkältungsviren. Vermutlich haben sich einige schon vor der Grippeimpfung
mit einem Erkältungsvirus infiziert. Zudem schützt die Influenza-Impfung
nur vor der echten Grippe, nicht aber vor grippalen Infekten.
Sie hatten bereits die Senioren als Hochrisikogruppe genannt. Wer sollte
sich noch gegen Influenza impfen lassen?
Ganz wichtig - und leider oft vergessen – sind alle Personen, die mit
alten Menschen zusammen sind und sie betreuen. Das sind auch Angehörige
wie die Enkelkinder, das Personal in Pflegeheimen und ambulanten
Pflegediensten, aber natürlich auch Ärzte.
Da sprechen Sie einen wunden Punkt an: Die Durchimpfungsrate von
medizinischem Personal in Deutschland ist im internationalen Vergleich
sehr niedrig.
Ja, leider!
Wie schaffen es andere Länder, in diesem Punkt besser zu sein?
Die USA sind da ganz pragmatisch: Wer sich dort als Krankenschwester oder
Arzt nicht jährlich gegen Influenza impfen lässt, muss in der Grippesaison
während der gesamten Schicht eine Atemmaske tragen. Das ist so anstrengend
und unangenehm, dass die Impfrate des Personals dort bei fast 100 Prozent
liegt.
Wer sollte zusätzlich noch geimpft werden?
Unbedingt auch alle Menschen mit chronischen Erkrankungen. Zum Beispiel
Diabetiker, Patienten mit Niereninsuffizienz, mit Herzkrankheiten oder
Lungenerkrankungen. Auch Reisende sollten vorsorgen. Wenig bekannt ist,
dass es auch in den Tropen Influenza gibt -sogar das ganze Jahr über. Zu
beachten ist, dass die Länder der Südhalbkugel ihre Grippesaison zu
unserer Sommerzeit haben.
Wie häufig muss gegen Grippe geimpft werden?
Gegen Grippe muss leider jedes Jahr neu geimpft werden. Die Grippeviren
verändern sich immer wieder.
Gibt es dafür verschiedene Impfstoffe?
Ja. Die konventionellen Impfstoffe haben drei Antigene – zwei gegen
Influenza A und eines gegen Influenza B. Wir nennen sie deshalb trivalent.
Seit einigen Jahren gibt es tetravalente Grippeimpfstoffe mit einem
zusätzlichen Antigen gegen Influenza B. Diese wirken insbesondere dann
besser, wenn in der jeweiligen Saison neue Influenza-Viren vom Typ B
zirkulieren.
Werden die tetravalenten Impfstoffe auch von der Krankenkasse bezahlt?
Das ist innerhalb von Deutschland unterschiedlich und wird von der
jeweiligen kassenärztlichen Vereinigung geregelt. Dazu sollte jeder seinen
Hausarzt oder Geriater vor Ort fragen.
Gibt es spezielle Grippeimpfstoffe für ältere Menschen?
Ja, die gibt es. Bei älteren Menschen wirken die normalen Grippeimpfstoffe
nicht so gut, weil das Immunsystem weniger Antikörper bildet. In
Deutschland sind deshalb speziell für Menschen ab dem 65. Lebensjahr
Impfstoffe mit einem Wirkungsverstärker zugelassen.
Warum wird dann nicht jeder mit diesen Impfstoffen geimpft?
Weil dieser Wirkungsverstärker oft zu verstärkten Lokalreaktionen führt.
So kann der Arm anschwellen und schmerzen.
Gibt es dann Alternativen dafür?
Auch die gibt es mittlerweile. In den USA ist ein Impfstoff mit vierfachem
Antigengehalt zugelassen, der auch bei älteren Menschen sehr gut wirkt.
Leider ist dieser Impfstoff in Deutschland noch nicht verfügbar.
Schützt die Grippeimpfung auch gegen die sogenannte Schweinegrippe?
Das funktioniert. In den Grippeimpfstoffen ist seit der letzten
H1N1-Pandemie auch eine Komponente gegen Schweinegrippe enthalten.
Herr Dr. Leischker, wie schützen Sie sich als Arzt gegen Influenza?
Als Geriater habe ich täglich Kontakt mit alten Patienten – die möchte ich
natürlich nicht anstecken. Ich lasse mich deshalb jedes Jahr gegen
Influenza impfen. Übrigens auch mit einem tetravalenten Impfstoff.