Welchen wirtschaftlichen Wert haben Innovationen?
Die Wirkung von Forschung und Innovation nachzuweisen, ist ein Thema, das
die Wissenschaft weltweit immer wieder beschäftigt. Eine makroökonomische
Impact-Studie des Fraunhofer IPK und des Fraunhofer ISI bestätigt jetzt,
dass ein nationales Forschungsnetzwerk in Brasilien zu 0,66 Prozent des
Bruttoinlandsprodukts (BIP) des Landes beiträgt.
Mit einem Bruttoinlandsprodukt von fast 2,2 Billionen US-Dollar ist
Brasilien die größte Volkswirtschaft Südamerikas und ein wichtiger Akteur
auf globaler Ebene. Das Land ist ein bedeutender Rohstoffexporteur sowie
Öl- und Gasproduzent, hat aber Potenzial für eine größere Wertschöpfung in
Technologiebereichen, die für ein nachhaltiges Wachstum unerlässlich sind.
Deshalb beauftragte der brasilianische Industrieverband CNI (Confederação
Nacional da Indústria) im Jahr 2011 den nationalen Dienst für industrielle
Ausbildung SENAI (Serviço Nacional de Aprendizagem Industrial) mit dem
Aufbau eines landesweiten Netzwerks von Instituten für angewandte
Forschung. SENAI orientierte sich dabei unter anderem am Vorbild der
Fraunhofer-Gesellschaft und bat 18 ihrer Institute um Unterstützung. Das
Fraunhofer-Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik IPK
begleitet seitdem SENAI bei der strategischen Planung und praktischen
Umsetzung des FuE-Netzwerks. Mittlerweile sind 26 SENAI-
Innovationsinstitute (ISI) mit rund 1500 Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftlern in Betrieb und liefern Spitzenforschung und
technologische Entwicklungen für die brasilianische Industrie. Mit einer
Anfangsinvestition von SENAI und der brasilianischen Entwicklungsbank
(BNDES) haben die SENAI-Innovationsinstitute in den letzten 12 Jahren rund
3350 FuE-Projekte mit 1325 Unternehmen durchgeführt. Das Gesamtvolumen
betrug rund 2,5 Milliarden brasilianische Reais. In mehr als 56 Prozent
dieser Projekte waren KMU involviert. Dem Netzwerk gelang es zudem, 185
Start-ups mit 90 großen Unternehmen zusammenzubringen.
Um den wirtschaftlichen Effekt der SENAI-Innovationsinstitute zu
analysieren und nachzuweisen, dass sich die anfänglichen Investionen
auszahlen, führten das Fraunhofer IPK und das Fraunhofer-Institut für
System- und Innovationsforschung ISI im Auftrag von SENAI eine
makroökonomische Impact-Studie durch. Die Forschenden verglichen das BIP-
Wachstum im Zeitverlauf in Regionen, in denen SENAI-Institute gegründet
wurden, mit dem BIP-Wachstum in Regionen ohne solche Institute. Das
Ergebnis: Die SENAI-Innovationsinstitute tragen zu 0,66 Prozent des
gesamten Bruttoinlandsprodukts von Brasilien bei. In den Regionen, in
denen die Institute tätig sind, stieg das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf
von 985 auf 1210 brasilianische Reais. Diese Effekte sind robust,
statistisch signifikant und zeigen über die Zeit ein konsistentes Muster.
Prof. Dr. Torben Schubert, stellvertretender Leiter der Abteilung
Innovation und Wissensökonomie am Fraunhofer ISI und Mitautor der
makroökonomischen Impact-Studie: »Die Analyse der ökonomischen Effekte der
SENAI-Innovationsinstitute basiert auf einem außergewöhnlichen quasi-
experimentellen Forschungsdesign, das die Gründungsereignisse der
einzelnen Institute über die Zeit nutzt. Dies stellt eine kausale
Interpretation der Ergebnisse sicher. Unsere Studie wurde von unabhängigen
Reviewern begutachtet und ist in einer international führenden
Fachzeitschrift veröffentlicht worden.«
Die Studie zeigt auch, dass technische Dienstleistungen und Beratung zwar
eine Rolle spielen, aber vor allem forschungsintensive Projekte dieses
Wachstum treiben. »Das bestätigt den transformativen Charakter von
angewandter Forschung und Innovation«, sagt Prof. Dr. Holger Kohl,
stellvertretender Institutsleiter des Fraunhofer IPK. »Mit der von ihnen
erzielten Wirkung beweisen die SENAI-Innovationsinstitute, ähnlich wie
Fraunhofer, wie erfolgreich Forschung sein kann und wie gezielte
Investitionen in angewandte Wissenschaft einen signifikanten
wirtschaftlichen Wert erbringen können.« Kohl wird die Executive Summary
der Studie am 19. September 2025 auf einer Konferenz in São Paulo
vorstellen. In seiner Keynote vor den CEOs der 500 größten FuE-
orientierten Unternehmen Brasiliens wird er außerdem betonen, dass es, wie
der deutsche Benchmark nahelegt, Potenzial für weiteres
innovationsgetriebenes Wirtschaftswachstum gibt. Wie frühere Studien
zeigen, trägt die Fraunhofer-Gesellschaft zu etwa 1,6 Prozent des
Bruttoinlandsprodukts Deutschlands bei, während alle nationalen
Universitäten zusammen an 8 Prozent der Wertschöpfung hierzulande
beteiligt sind.
SENAI plant bereits, sein Netzwerk von Innovationsinstituten zu erweitern,
um zukünftige Herausforderungen anzugehen, vor denen die brasilianische
Industrie steht. Dazu gehören der Wandel zu einer vollständig
digitalisierten, kohlenstoffarmen Wirtschaft, die Umsetzung einer
nachhaltigen Lebensmittelproduktion sowie Themen wie Smart Cities und
Mobilität. »Wir sind sehr stolz darauf, dass die SENAI-
Innovationsinstitute zu einem starken Motor für Innovation und
Wettbewerbsfähigkeit der brasilianischen Industrie geworden sind und zu
0,66 Prozent des Bruttoinlandsprodukts Brasiliens beitragen. Dass wir
dieses Ergebnis in nur zehn Jahren erreicht haben, verdanken wir der
methodischen Unterstützung durch das Fraunhofer IPK und andere Fraunhofer-
Institute. Für die Zukunft beabsichtigen wir, diese Wirkung auf der
Grundlage einer klaren und robusten Strategie unseres FuE-Netzwerks für
die nächsten fünf Jahre deutlich zu steigern«, so Gustavo Leal,
Generaldirektor von SENAI.
Weitere Informationen:
Kohl, H., Schubert, T., et al. (2025). What is the Economic Value of
Innovation? The SENAI Innovation Institutes’ Impact on the Brazilian
Economy. Macroeconomic Impact Study, Executive Summary.
https://doi.org/10.24406/publi