Neue Werte des IMK Inflationsmonitors
Trotz leichten Anstiegs: Inflation für 7 von 9 Haushaltstypen unter
Zielrate der EZB, Leitzinspause im September war Fehler
Die Inflationsrate in Deutschland ist im August leicht auf 2,2 Prozent
gestiegen und liegt damit aktuell etwas über dem Inflationsziel der
Europäischen Zentralbank (EZB) von 2,0 Prozent. Der Anstieg um 0,2
Prozentpunkte gegenüber Juli beruht vor allem auf höheren Preisen für
Lebensmittel. Hinzu kommt, dass sinkende Energiepreise die Inflation nicht
mehr so stark bremsen wie im Vormonat.
Von neun verschiedenen
Haushaltstypen, die sich nach Einkommen und Personenzahl unterscheiden,
hatten trotz des Anstiegs sieben eine haushaltsspezifische Teuerung
unterhalb des EZB-Zielwerts. Lediglich zwei einkommensstarke
Haushaltstypen wiesen einen Wert beim oder geringfügig über dem
Inflationsziel auf. Konkret reichte die Spannweite im August von 1,7 bis
2,1 Prozent, der Unterschied lag also bei geringen 0,4 Prozentpunkten,
zeigt der neue Inflationsmonitor des Instituts für Makroökonomie und
Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung.* Zum Vergleich: Auf
dem Höhepunkt der Inflationswelle im Herbst 2022 betrug die Spanne 3,1
Prozentpunkte. Während Haushalte mit niedrigen Einkommen, insbesondere
Familien, während des akuten Teuerungsschubs der Jahre 2022 und 2023 eine
deutlich höhere Inflation schultern mussten als Haushalte mit mehr
Einkommen, war ihre Inflationsrate im August 2025 wie in den Vormonaten
unterdurchschnittlich: Der Warenkorb von Paaren mit Kindern und niedrigem
Einkommen sowie von Alleinlebenden mit niedrigem Einkommen verteuerte sich
um jeweils 1,7 Prozent. Eine identische Inflationsrate hatten
Alleinerziehende mit mittlerem Einkommen (siehe auch die Abbildung in der
pdf-Version dieser PM; Link unten). Alleinlebende mit mittlerem Einkommen
folgten mit 1,8 Prozent.
Als einzige Haushaltstypen hatten im August Alleinlebende mit sehr hohen
Einkommen (2,1 Prozent) sowie Familien mit hohen Einkommen (2,0 Prozent)
eine Inflation geringfügig oberhalb bzw. beim EZB-Ziel. Ein wichtiger
Faktor für das etwas höhere Niveau ist, dass bei diesen konsumstarken
Haushaltstypen die niedrigeren Energiepreise weniger stark ins Gewicht
fallen als bei Haushalten mit weniger Einkommen, deren Warenkörbe stärker
durch Güter des täglichen Bedarfs geprägt sind. Zudem fragen Haushalte mit
höheren Einkommen stärker Dienstleistungen nach, die sich derzeit noch
merklich verteuern, wie Versicherungsdienstleistungen und soziale
Dienstleistungen.
Die drei anderen untersuchten Haushaltstypen, Paarfamilien und Paare ohne
Kinder mit jeweils mittleren Einkommen sowie Alleinlebende mit höheren
Einkommen, verzeichneten im August eine Inflationsrate von je 1,9 Prozent.
Inflationslage im gesamten Euroraum entspannt
Die Inflation in Deutschland und im Euroraum werde im weiteren
Jahresverlauf um das EZB-Inflationsziel von 2,0 Prozent schwanken und 2026
sogar darunter liegen, erwartet Dr. Silke Tober, IMK-Expertin für
Geldpolitik und Autorin des Inflationsmonitors. Gleichzeitig belasteten
US-Zölle, hohe Energiepreise und die starke Aufwertung des Euro gegenüber
dem Dollar um 14 Prozent seit Jahresbeginn die Wirtschaft. Dadurch steige
auch das Risiko einer mittelfristig sogar zu niedrigen Inflation. „Es war
daher ein Fehler, dass die EZB den Leitzins auf ihrer September-Sitzung
nicht gesenkt hat“, schreibt Tober. „Gerade in der aktuell kritischen
Phase, bevor die staatlichen Investitionen in Deutschland an Breite
gewinnen, hätte die EZB, die die Investitionsschwäche durch ihre übermäßig
restriktive Geldpolitik bewusst mit herbeigeführt hat, einen Beitrag zur
Stärkung der Investitionstätigkeit leisten müssen“, erklärt die
Forscherin. Die Zentralbank sollte jetzt „zügig eine weitere Zinssenkung
in Aussicht stellen“ – auch, um den Aufwärtstrend des Euro zu bremsen.
Lebensmittel 39 Prozent teurer als im August 2019
Das IMK berechnet seit Anfang 2022 monatlich spezifische Teuerungsraten
für neun repräsentative Haushaltstypen, die sich nach Zahl und Alter der
Mitglieder sowie nach dem Einkommen unterscheiden (mehr zu den Typen und
zur Methode unten). In einer Datenbank liefert der IMK Inflationsmonitor
zudem ein erweitertes Datenangebot: Online lassen sich Trends der
Inflation für alle sowie für ausgewählte einzelne Haushalte im Zeitverlauf
in interaktiven Grafiken abrufen (Link unten).
Die längerfristige Betrachtung illustriert auch, dass Haushalte mit
niedrigem bis mittlerem Einkommen von der starken Teuerung nach dem
russischen Überfall auf die Ukraine besonders stark betroffen waren, weil
Güter des Grundbedarfs wie Nahrungsmittel und Energie in ihrem Budget eine
größere Rolle spielen als bei Haushalten mit hohen Einkommen. Diese
wirkten lange als die stärksten Preistreiber, zeigt der längerfristige
Vergleich, den Tober in ihrem neuen Bericht ebenfalls anstellt: Die Preise
für Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke lagen im August 2025 um 39,0
Prozent höher als im August 2019, also vor Pandemie und Ukrainekrieg.
Damit war die Teuerung für diese unverzichtbaren Basisprodukte mehr als
dreimal so stark wie mit der EZB-Zielinflation von kumuliert 12,6 Prozent
in diesem Zeitraum vereinbar. Energie war trotz der Preisrückgänge in
letzter Zeit um 35,9 Prozent teurer als sechs Jahre zuvor, darunter
Haushaltsenergie um 46,2 Prozent und Kraftstoffe um 22,2 Prozent.
Informationen zum Inflationsmonitor
Für den IMK Inflationsmonitor werden auf Basis der Einkommens- und
Verbrauchsstichprobe (EVS) des Statistischen Bundesamts die für
unterschiedliche Haushalte typischen Konsummuster ermittelt. So lässt sich
gewichten, wer für zahlreiche verschiedene Güter und Dienstleistungen –
von Lebensmitteln über Mieten, Energie und Kleidung bis hin zu
Kulturveranstaltungen und Pauschalreisen – wie viel ausgibt und daraus die
haushaltsspezifische Preisentwicklung errechnen. Die Daten zu den
Haushaltseinkommen stammen ebenfalls aus der EVS. Im Inflationsmonitor
werden neun repräsentative Haushaltstypen betrachtet: Paarhaushalte mit
zwei Kindern und niedrigem (2000-2600 Euro), mittlerem (3600-5000 Euro),
höherem (mehr als 5000 Euro) monatlichem Haushaltsnettoeinkommen;
Haushalte von Alleinerziehenden mit einem Kind und mittlerem (2000-2600
Euro) Nettoeinkommen; Singlehaushalte mit niedrigem (unter 900 Euro),
mittlerem (1500-2000 Euro), höherem (2000-2600 Euro) und hohem (mehr als
5000 Euro) Haushaltsnettoeinkommen sowie Paarhaushalte ohne Kinder mit
mittlerem Haushaltsnettoeinkommen zwischen 3600 und 5000 Euro monatlich.
Der IMK Inflationsmonitor wird monatlich aktualisiert.