Schulen können die Demokratie noch stärker machen – wenn sie richtig unterstützt werden
Wenn junge Menschen an der Gestaltung von Unterricht und Schulleben
beteiligt werden, fördert das nicht nur ihre Persönlichkeitsentwicklung
und Lernbereitschaft, sondern auch ihre demokratischen Kompetenzen. Vor
allem Ganztagsschulen zeigen, dass Mitbestimmung
gelingen kann. Insgesamt gibt es jedoch Verbesserungsbedarf. Um das
Potenzial zu nutzen, brauchen Schulen Unterstützung seitens der Politik
und Freiheiten in der Unterrichtsgestaltung.
Gütersloh, 18. September 2025. Schulen sind mehr als Lernorte – sie sind
Orte, an denen junge Menschen Demokratie erfahren und gestalten können.
Neue Daten der Bertelsmann Stiftung zeigen: Dort, wo Schüler:innen mehr
mitbestimmen können, sind ihre demokratischen Kompetenzen und die
empfundene Selbstwirksamkeit ausgeprägter. Sie trauen sich eher zu, vor
der Klasse über ein politisches Thema zu sprechen, eine Debatte zu
verfolgen sowie den eigenen Standpunkt zu begründen. Das gilt insbesondere
für Schulen mit Ganztagsangebot.
Zugleich geht aus der Studie "Demokratisierung des Lernens in Schule“
hervor, dass sich das demokratische Potenzial der jungen Menschen besser
fördern ließe: So geben 63 Prozent der befragten Schüler:innen an, selten
oder nie darüber mitbestimmen zu können, welche Themen und Inhalte sie im
Unterricht bearbeiten. 55 Prozent berichten, dass sie kaum Einfluss auf
die verwendeten Methoden und Materialien nehmen können. Auch bei der
Feedback-Kultur gibt es Luft nach oben: 41 Prozent können den Lehrkräften
selten oder nie mitteilen, was sie am Unterricht gut oder schlecht finden.
Nur die Hälfte glaubt, Entscheidungen beeinflussen zu können, die die
ganze Schule betreffen. Insbesondere in Gymnasien ohne Ganztagsangebot
erleben die Schüler:innen wenig Möglichkeiten der Mitbestimmung.
"Unsere Demokratie braucht engagierte junge Menschen, die gelernt haben,
ihre Stimme zu erheben, unterschiedliche Perspektiven einzubeziehen und
Kompromisse zu finden. Schulen können dazu einen entscheidenden Beitrag
leisten – wenn wir ihnen die richtigen Rahmenbedingungen geben“, betont
Brigitte Mohn, Vorstandsvorsitzende der Bertelsmann Stiftung.
Mehr Beteiligung führt zu besseren Lernbedingungen
Wissenschaftlich erwiesen ist zudem: Wenn Schüler:innen mitentscheiden
dürfen, was und wie sie lernen, steigt ihre Motivation im Unterricht. Sie
fühlen sich ernst genommen und übernehmen mehr Verantwortung für ihren
Lernprozess, wodurch sie gefordert und gefördert werden. Außerdem lässt
sich der Unterricht besser auf die Schüler:innen zuschneiden, was
Bildungserfolg und Chancengleichheit erhöht. Die Stiftung plädiert daher
dafür, über alle Schulformen hinweg jungen Menschen die Chance zur
Mitgestaltung zu geben: "Eine zukunftsfähige Schule ist ohne Beteiligung
nicht mehr vorstellbar“, sagt Arne Halle, Experte der Bertelsmann Stiftung
für schulische Bildung.
Mit verschiedenen Initiativen hat die Bertelsmann Stiftung bereits Wege
aufgezeigt, wie Demokratiebildung an Schulen gelingen kann - von Projekten
wie jungbewegt über Demokratiekosmos Schule bis hin zum kommunalen
Monitoring UWE. Auch der "Themenpreis Demokratie“, der in diesem Jahr von
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Rahmen des Deutschen
Schulpreises am 30. September verliehen wird, würdigt Schulen, die
Demokratie vorbildlich in ihren Alltag integrieren.
Beteiligung ist vor allem eine Frage der Haltung
Damit Schulen flächendeckend die Potenziale für die Demokratiebildung
ausschöpfen können, brauchen sie Unterstützung auf mehreren Ebenen. Die
Bertelsmann Stiftung empfiehlt den Bundesländern, Schulen Instrumente zur
Verfügung zu stellen, um Feedback von Schüler:innen verbindlich und
regelmäßig einzubeziehen. Dabei kann es sich um digitale Befragungen
handeln, die auch die Schüler:innen selbst durchführen können. Ebenso
gefragt sind Konzepte für eine veränderte Lern- und Prüfungskultur, in der
Schüler:innen stärker mitbestimmen, was und wie sie lernen. Dafür
bräuchten Schulen mehr Freiheiten in der Unterrichtsgestaltung sowie
flexiblere Lehrpläne. Zentral ist zudem, Schulleitungen und Lehrkräfte
durch gezielte Angebote zu qualifizieren und ihnen das Wissen zu
vermitteln, um mehr Beteiligung sinnvoll umsetzen zu können. Nicht zuletzt
ist es wichtig, die Mitbestimmungsrechte der Schülervertretungen zu
stärken und sie enger in schulpolitische Diskussionen einzubinden.
Grundlegende Voraussetzung ist jedoch ein Mentalitätswandel vor allem in
Schulpolitik und -verwaltung. Mit den entsprechenden Rahmenbedingungen
kann es nach Ansicht der Autor:innen unabhängig von Schulart und
Ganztagstyp gelingen, Schüler:innen an der Gestaltung von Unterricht und
Schulleben stärker zu beteiligen. "Den Auftrag, junge Menschen für das
Leben in einer sich schnell verändernden Gesellschaft vorzubereiten,
können Schulen nur erfüllen, wenn sie sich selbst verändern. Dafür
brauchen sie die politische Rückendeckung, die Mittel und die nötigen
Freiheiten“, erklärt Halle.
Zusatzinformationen zu dieser Studie:
Für die Studie hat das Institut iconkids & youth im Auftrag der
Bertelsmann Stiftung 1.044 Schüler:innen an allgemeinbildenden Schulen im
Alter von 12 bis 16 Jahren per Online-Interviews befragt. Die Befragung
fand im Zeitraum vom 8. November bis 1. Dezember 2024 statt. Die
Stichprobe ist repräsentativ für die Grundgesamtheit aller 12- bis
16-jährigen Schüler:innen in Deutschland.
Ansprechpartner:
Arne Halle, Telefon: 0 52 41 81 81 349
E-Mail: arne-christoph.halle@bertelsma
Über die Bertelsmann Stiftung: Menschen bewegen. Zukunft gestalten.
Die Bertelsmann Stiftung setzt sich dafür ein, dass alle an der
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Zusammenhalt, Digitalisierung und Gemeinwohl, Europas Zukunft, Gesundheit,
Nachhaltige Soziale Marktwirtschaft. Dabei stellen wir die Menschen in den
Mittelpunkt. Denn die Menschen sind es, die die Welt bewegen, verändern
und besser machen können. Dafür erschließen wir Wissen, vermitteln
Kompetenzen und erarbeiten Lösungen. Die gemeinnützige Bertelsmann
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