Deutscher Umweltpreis der DBU für Klimaforscherin Sonia Seneviratne Neue Erkenntnisse über das Klimasystem – Festakt am 26. Oktober in Chemnitz
Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) zeichnet in
diesem Jahr die Klimaforscherin Prof. Dr. Sonia Isabelle Seneviratne mit
dem Deutschen Umweltpreis aus. Sie habe als exzellente Forscherin und mit
hohem persönlichem Engagement die Wechselwirkungen zwischen Bodenfeuchte,
Vegetation und Atmosphäre sichtbar gemacht und in den internationalen
Diskurs gebracht, so die DBU.
Die Professorin an der Eidgenössischen
Technischen Hochschule Zürich (ETH Zürich) teilt sich den mit insgesamt
500.000 Euro dotierten Deutschen Umweltpreis der DBU mit dem
Geschäftsführungsduo Lars Baumgürtel und Ingenieurin Dr. Birgitt Bendiek
vom Stahlverzinkungsunternehmen ZINQ mit Stammsitz in Gelsenkirchen.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier überreicht den Preis am 26.
Oktober in Chemnitz.
Bedeutung der Bodenfeuchte als Schlüsselvariable des Klimasystems
Seneviratne sei eine „brillante Klimawissenschaftlerin, die mit
bahnbrechenden Studien auf dem Gebiet der Land-Klima-Dynamik
internationales Ansehen erlangt hat und deren Expertise weltweit gefragt
ist“, sagt DBU-Generalsekretär Alexander Bonde. Die ETH-Professorin bewies
mithilfe interdisziplinärer Forschungen und innovativer Methoden, wie
Bodenfeuchte, Pflanzen und Atmosphäre zusammenwirken und den Klimawandel
verstärken. Bonde: „Mit wissenschaftlicher Beharrlichkeit hat sie ein
Bewusstsein für entscheidende Faktoren der Erderwärmung geschaffen. Durch
sie wissen wir, wie bedeutsam Bodenfeuchte als Schlüsselvariable des
Klimasystems ist.“ Nach Bondes Worten würdigt der Deutsche Umweltpreis
zugleich Seneviratnes „herausragende Klimaschutzkommunikation mit dem
Ziel, einen lebenswerten Planeten zu erhalten“, sagt der DBU-
Generalsekretär.
Auf den Kontinenten verdunsten etwa zwei Drittel des gesamten
Niederschlags
Die in der Schweiz geborene Seneviratne studierte zunächst Biologie in
Lausanne, später Umweltphysik an der ETH. „Frau Seneviratne hat beide
Disziplinen herausragend kombiniert und neue Erkenntnisse über
Wechselwirkungen zwischen Wasser- und Kohlenstoffkreislauf geliefert“, so
Bonde. „Ihr und ihrem Team ist es zu verdanken, dass globale Klimamodelle
den Einfluss von Bodenfeuchte, Vegetation und Verdunstung auf das
Klimasystem deutlicher als zuvor berücksichtigen.“ Seneviratne erklärt die
Zusammenhänge folgendermaßen: Zum einen verdunsten im Durchschnitt auf den
Kontinenten etwa zwei Drittel des gesamten Niederschlags. Zum anderen ist
die Landvegetation eigentlich ein Speicher für rund 30 Prozent des
Ausstoßes an klimaschädlichen Treibhausgasen (THG) wie Kohlendioxid (CO2),
im Fachjargon auch CO2-Senke genannt. Genau diese Ökosystemfunktion ist
aber in Gefahr. Denn was viele nicht wissen: „Die Wirkung als CO2-Senke
hängt maßgeblich von ausreichender Bodenfeuchte ab“, erläutert
Seneviratne. „Droht eine Pflanze zu verdursten, macht sie dicht, um die
Feuchtigkeit zu halten.“ Der negative Nebeneffekt: Die CO2-Aufnahme für
die Photosynthese komme ebenfalls zum Erliegen. Bei Trockenheit verliert
Vegetation laut Seneviratne deshalb ihre Leistung als CO2-Senke. Und:
Verdunstung verbrauche sehr viel Energie aus der Atmosphäre. Fehlt die
Verdunstung, „können extrem trockene Böden dazu führen, dass die
Temperaturen in der Atmosphäre stark steigen“, so die Klimaforscherin. Die
Bodenfeuchte spiele dann auch im Zusammenhang mit Hitzewellen eine
zentrale Rolle.
Vom Weltklimarat bis zur nationalen Gletscher-Initiative
Neben ihrer „ausgezeichneten Forschung und Lehre“ hat Seneviratne es nach
Bondes Worten „mit großem Elan zu ihrer Sache gemacht, die Gesellschaft
vor Klimawandelfolgen zu warnen sowie Klimaschutz und Klimaanpassungen
voranzutreiben“. Unter anderem wirkt sie seit 2023 im Vorstand des
Weltklimarats IPCC, in welchem sie Vizepräsidentin der Arbeitsgruppe I
ist. Zuvor war sie koordinierende Hauptautorin des sechsten IPCC-Berichts
und eine der leitenden Hauptautorinnen des Kapitels „Wetter und
Klimaextreme im Klimawandel“. Als eine der bekanntesten
Klimabotschafterinnen in der Schweiz unterstützte sie die Gletscher-
Initiative, die indirekt zum Anfang 2025 in Kraft getretenen Klima- und
Innovationsgesetz der Schweiz führte. Seneviratnes Forschung trug
maßgeblich zur Nationalen Trockenheitsplattform bei, ein vom Schweizer
Bundesamt für Meteorologie und Klimatologie (MeteoSchweiz) koordiniertes
Frühwarnsystem, das seit 2025 online zur Verfügung steht. „Beispielhaft“
nannte Bonde, „dass Seneviratnes universitäre Forschung in ein
langfristiges Monitoring mündet, weil sie Grundlage der schweizweit
verbreiteten Bodenfeuchtemessungen geworden ist, eines Instruments von
hoher gesellschaftlicher Relevanz“.
Sprachtalent mit Haltung und Engagement setzt Zeichen für Klimaschutz
Seneviratne spricht vier Sprachen und gilt als ausgewiesene Expertin, die
komplexe Sachverhalte verständlich zu erläutern vermag. Ein Grund, warum
sie sowohl im mehrsprachigen Schweizer Fernsehen (SRF) als auch in
internationalen Medien ein gern gesehener Gast ist. Zudem schreibt sie für
den hochschuleigenen „Zukunftsblog“ und war zwei Jahre Klima-Kolumnistin
in der Boulevard-Zeitung „Blick“. Zentrale Botschaft: Runter mit den
CO2-Emissionen. Haltung und Engagement beweist die meist mit der Bahn
fahrende Forscherin auch im Alltag. Bonde: „Der Preis würdigt ganz bewusst
die internationale Wissenschaft, insbesondere die Klima-Wissenschaft.“
Diese gerate medial und politisch zunehmend unter Druck – nicht zuletzt
durch Falschmeldungen und Verschwörungstheorien. „Faktenbasierte Forschung
und Kommunikation sind entscheidend bei der Bewältigung der globalen
Klimakrise“, so der DBU-Generalsekretär.