Von Luxturna bis Ixo-Vec: Gentherapie bietet Patientinnen und Patienten mit Netzhauterkrankungen neue Chancen
Gentherapie ist längst Realität in der Augenheilkunde und entwickelt sich
rasant weiter. Ihre Fortschritte sind ein Schwerpunkt auf dem Kongress der
Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft e.V. (DOG). Über Ergebnisse der
Gentherapie mit Luxturna®, die besonders gut bei erblindenden Kindern
anschlägt, aber auch über neue Strategien berichtet DOG-Präsident
Professor Dr. med. Siegfried Priglinger auf der Vorab-Pressekonferenz am
18. September 2025.
Dazu zählen innovative Ansätze bei der
altersabhängigen Makuladegeneration (AMD), die körpereigene Zellen zu
Medikamenten-Herstellern umprogrammieren und so in Studien die Anzahl der
notwendigen Augen-Injektionen extrem reduzieren konnten.
Mit Luxturna wurde 2018 in der EU erstmals eine Gentherapie für eine
seltene erbliche Netzhauterkrankung zugelassen, die bis zur Erblindung
führen kann. „Für Kinder, die im Dunkeln kaum noch etwas sehen konnten,
bedeutet diese Behandlung einen Quantensprung: Sie können nach der
Therapie sogar nachts wieder Fahrradfahren“, berichtet Priglinger, der als
Direktor der Augenklinik der Ludwig-Maximilians-Universität München diese
Gentherapie 2019 erstmalig in Deutschland anwendete. Die Wirkung, so
Priglinger, setze meist innerhalb von Tagen bis wenigen Wochen ein.(1)
Schwerwiegende Nebenwirkungen wurden bisher nicht festgestellt.
Hoffnung auf dauerhafte Heilung bei Kindern
Luxturna tauscht in der Netzhaut ein defektes Gen (RPE65) gegen ein
gesundes Gen – dazu wird bei einer Operation das funktionstüchtige Gen in
einer Art Virus-Taxi in die krankhaften Zellen eingeschleust.
Schätzungsweise 200 Menschen leiden in Deutschland an einer
RPE65-Mutation. „Das Besondere an dieser Gentherapie ist: Wir können nicht
nur den Krankheitsverlauf bremsen, sondern tatsächlich verloren gegangene
Funktionen wiederherstellen – und das möglicherweise dauerhaft“, ergänzt
Priglinger.
Grenzen der klassischen Gentherapie
Trotz des Erfolgs von Luxturna bleiben der Gentherapie Grenzen gesetzt.
„Viele Gene sind zu groß, um sie mit den gängigen Viren zu transportieren,
und wir benötigen für eine erfolgreiche Behandlung noch funktionstüchtige
Sinneszellen in der Netzhaut“, betont Priglinger. „Wenn die Degeneration
zu weit fortgeschritten ist, hilft die klassische Gentherapie nicht mehr.“
Genau hier setzen innovative Strategien an.
CRISPR, Antisense und Optogenetik
Ein vielversprechender Forschungsansatz ist die Genom-Editierung mit
CRISPR-Cas9. „Diese Methode erlaubt es uns, krankmachende Mutationen
direkt in den Photorezeptoren, den lichtempfindlichen Sehzellen, zu
korrigieren – ein echter Meilenstein“, erklärt Priglinger. Erste klinische
Studien laufen bereits. Auch Antisense-Oligonukleotide eröffnen neue
Optionen: Sie verhindern, dass schädliche Proteine entstehen und
ermöglichen die Bildung funktionsfähiger Eiweiße. Besonders innovativ ist
die Optogenetik, die auch in fortgeschrittenen Krankheitsstadien helfen
könnte. „Wir können damit nicht-lichtsensitive Zellen lichtempfindlich
machen. In Kombination mit speziellen Brillen konnten Menschen wieder
rudimentär sehen, etwa Bewegungen oder Objekte erkennen“, so Priglinger.
In Erprobung: Augenzellen, die Medikamente produzieren
Während die bisherigen Gentherapien vor allem auf seltene Erkrankungen
zielen, richtet sich der Blick der Forschenden nun zunehmend auch auf
Volkskrankheiten wie die altersabhängige Makuladegeneration (AMD) oder die
diabetische Retinopathie. „Hier geht es nicht darum, ein defektes Gen zu
reparieren, sondern das Auge so umzuprogrammieren, dass es selbst
dauerhaft therapeutische Wirkstoffe produziert“, so Priglinger.
Macht Gentherapie bald AMD-Injektionen überflüssig?
Erste klinische Studien, bei denen gentechnisch veränderte körpereigene
Zellen Hemmstoffe gegen die krankmachenden Wachstumsfaktoren bei AMD
produzieren, fördern jedenfalls vielversprechende Ergebnisse zutage. „AMD-
Patientinnen und -Patienten konnten nach der einmaligen Behandlung mit der
Ixo-Vec-Gentherapie die Anzahl ihrer regulären Anti-VEGF-Injektionen um 80
bis 98 Prozent reduzieren“,(2) berichtet der DOG-Präsident. Dies sei ein
beachtliches Ergebnis.
Neue Chancen für Millionen Menschen
„Die Gentherapie hat am Auge bewiesen, dass sie funktioniert. Luxturna ist
ein Meilenstein – aber nur der Anfang“, fasst Priglinger zusammen. Neue
Techniken wie CRISPR-Cas9, Antisense-Oligonukleotide, Optogenetik und die
Ixo-Vec-Therapie könnten schon bald weitere Durchbrüche ermöglichen. „Für
Betroffene heißt das: Erkrankungen, die bisher als unheilbar galten,
werden zunehmend behandelbar – und das gilt langfristig auch für Millionen
Menschen mit häufigen Netzhauterkrankungen“, freut sich der DOG-Präsident.
Weitere Details zu Methoden und Perspektiven wird Professor Dr. med.
Siegfried Priglinger auf der Online-Vorab-Pressekonferenz erläutern.
Literatur:
(1) Gene Therapy with Voretigene Neparvovec Improves Vision and
Partially Restores Electrophysiological Function in Pre-School Children
with Leber Congenital Amaurosis. Gerhardt MJ, Priglinger CS, Rudolph G,
Hufendiek K, Framme C, Jägle H, Salchow DJ, Anschütz A, Michalakis S,
Priglinger SG. Biomedicines. 2022 Dec 30;11(1):103.
doi: 10.3390/biomedicines11010103.
(2) Khanani AM, Boyer DS, Wykoff CC, Regillo CD, Busbee BG, Pieramici
D, Danzig CJ, Joondeph BC, Major JC Jr, Turpcu A, Kiss S. Safety and
efficacy of ixoberogene soroparvovec in neovascular age-related macular
degeneration in the United States (OPTIC): a prospective, two-year,
multicentre phase 1 study. EClinicalMedicine. 2023 Dec 22;67:102394. doi:
10.1016/j.eclinm.2023.102394. PMID: 38152412; PMCID: PMC10751837.
• Russell S et al., Luxturna clinical trial results, Lancet, 2017
• ClinicalTrials.gov – PIONEER Optogenetik-Studie (NCT03326336)
• Maeder ML et al., First in vivo CRISPR treatment of
CEP290-associated retinal disease, Nat Med, 2019