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Warum das Neue nicht immer siegt: Das Scheitern des Transrapid vor 25 Jahren

Vor einem Vierteljahrhundert noch Zukunftszug: Der Transrapid auf der Versuchsstrecke im Emsland.  Copyright: Bild: thyssenkrupp Transrapid GmbH
Vor einem Vierteljahrhundert noch Zukunftszug: Der Transrapid auf der Versuchsstrecke im Emsland. Copyright: Bild: thyssenkrupp Transrapid GmbH
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Im Juli 2020 platzte der deutsche Hochgeschwindigkeitstraum von der
Magnetschwebebahn Transrapid. Kurz vor dem Spatenstich für die Strecke
Hamburg–Berlin wurde das Milliardenprojekt gestoppt. Heute gilt der
Transrapid als Symbol für ein gescheitertes Zukunftsversprechen. In einem
ausführlichen Interview erklärt der Organisationswissenschaftler Prof. Dr.
Marcel Schütz (Northern Business School), warum sich der Transrapid nicht
durchsetzen konnte und was wir daraus über Innovationen lernen.



Technologien müssen in bestehende Infrastrukturen, politische Programme,
wirtschaftliche Interessen und gesellschaftliche Zukunftsbilder passen,
argumentiert der Hamburger Organisationsforscher Schütz. Das war beim
Transrapid nicht der Fall. Er kollidierte mit der etablierten Rad-Schiene-
Infrastruktur, mit einflussreichen Akteuren wie der Deutschen Bahn und
einer wechselvollen öffentlichen Stimmung.

Ein Techniktraum im märkischen Sand

Der Transrapid galt in den 1990er Jahren als technisches Meisterstück:
schwebend statt rollend, leise, emissionsarm und mit Geschwindigkeiten von
bis zu 500 km/h. Milliarden flossen in Forschung und Entwicklung – allen
voran in die Teststrecke im Emsland. Doch 2000 wurde das Prestigeprojekt
der Referenzstrecke Hamburg–Berlin nach viel Uneinigkeit zwischen
Wirtschaft und Politik überraschend gestoppt. Die Technologie selbst war
ihrer Zeit weit voraus, aber genau das kann ein Nachteil sein. Wenn ein
bestehendes System – hier das Rad-Schiene-System des ICE – bereits
Milliarden verschlungen hat, werden Alternativen oft nicht mehr in
Betracht gezogen. Das ist ein klassischer Fall von Pfadabhängigkeit.

Ein zerklüftetes Akteursnetzwerk

Das Scheitern des Transrapid war nicht allein eine technische oder
ökonomische Frage. Vielmehr zeigte sich, wie schwer es ist, ein
Großprojekt in einem Netzwerk unterschiedlicher Akteure mit teils
widersprüchlichen Interessen voranzubringen. Die Industrieunternehmen
Siemens und ThyssenKrupp sahen den Transrapid als Exporttechnologie. Die
Deutsche Bahn hingegen hatte zunehmend wenig Interesse, ein paralleles
System zum ICE zu betreiben. Die Bundesregierung schwankte zuletzt
zwischen Förderwillen und Ausstieg. Am Ende zog niemand mehr an einem
Strang.

Kostenexplosion und schwindender Nutzen

Neben den politischen Schwierigkeiten spielte das Geld eine große Rolle.
Die Kostenprognosen stiegen im Verlauf der Planungen dramatisch an. Von 3
Milliarden D-Mark landete man am Ende bei 10 Milliarden. Gleichzeitig
schmolz der Zeitvorteil gegenüber dem ICE, weil dieser infolge der
Streckenertüchtigung seine Reisezeit immer mehr verkürzen würde.
Schließlich hätte der Transrapid für die Strecke Hamburg–Berlin nur noch
eine gute halbe Stunde gespart – zu wenig für ein riesiges
Milliardenprojekt.

Das Narrativ der Zukunft

Technologien scheitern nicht nur an Fakten, sondern auch an Erzählungen.
Der Transrapid stand in den 1980er Jahren für ein Zukunftsbild, das von
starker Geschwindigkeitsfaszination und fundamentalen Hightech-Neuerungen
geprägt war. Ende der 1990er verschoben sich diese Erzählungen eher in
Richtung Nachhaltigkeit, Systemintegration und Kostenbewusstsein. Der
Zukunftszug wirkte plötzlich wie ein Techniktraum der Vergangenheit.

Lehren für die Innovationsforschung

Für Schütz ist der Transrapid ein Paradebeispiel dafür, dass Innovationen
nicht maschinell-technisch isoliert sind, sondern vor allem
gesellschaftliche Prozesse darstellen: „Schließlich sind Technologien
soziale Koproduktionen – sie müssen Sinn stiften, Erwartungen erfüllen und
Anschluss finden an das, was da ist und genutzt wird. Die Innovation fällt
nicht vom Himmel und wird uns nicht durch die Naturgesetze in die Hand
gedrückt. All das muss erstmal aufwändig geplant, hergestellt und
etabliert werden.“

Zum Thema ist ein weiterer Bericht mit Marcel Schütz im Deutschlandfunk
Kultur nachzuhören: https://www.deutschlandfunkkultur.de/transrapid-aus-
vor-25-jahren-warum-grossprojekte-scheitern-100.html


Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Für Presseanfragen steht Ihnen Prof. Dr. Marcel Schütz als Ansprechpartner
zur Verfügung.
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Originalpublikation:
Das vollständige Interview kann hier abgerufen werden: https://www.nbs.de
/die-nbs/aktuelles/news/details/news/warum-das-neue-nicht-immer-siegt-was-
wir-vom-scheitern-des-transrapid-lernen-interview-mit-nbs-
organisationsprofessor-marcel-schuetz

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