3D-Modelle für die Hebammenkunde: TH Aschaffenburg erforscht praxisnahe Lehrformate

Im Rahmen einer Schwerpunktprofessur an der Fakultät Gesundheit und
Soziales entwickelt und evaluiert eine Professorin Modelle vom Muttermund
für das Skills Lab. Wie sich die Ausbildung in der Geburtshilfe praxisnah und kostengünstig
gestalten lässt, zeigt ein innovatives Forschungsprojekt rund um die
Schwerpunktprofessur von Professorin Hemma Pfeifenberger an der
Technischen Hochschule Aschaffenburg.
In dem interdisziplinären Projekt wurden 3D-gedruckte Modelle des
Gebärmutterhalses in unterschiedlichen Konsistenzen hergestellt und für
die Ausbildung im Skills Lab von Fachpersonen beurteilt. Ziel war es,
Studierenden der Hebammenkunde das vaginale Ertasten des Muttermundes in
einem geschützten und ethisch unbedenklichen Rahmen zu ermöglichen, noch
bevor erste Untersuchungen an Schwangeren erfolgen.
Realitätsnahe Modelle für eine praxisorientierte Ausbildung
Für die Beurteilung des Geburtsfortschritts spielt neben Weite und Öffnung
des Muttermundes auch die sich verändernde Festigkeit des Gewebes eine
Rolle. Genau hier setzt das Projekt an: Die gedruckten 3D-Modelle weisen
verschiedene Konsistenzen auf, die die Beschaffenheit des Muttermundes
während des Geburtsvorgangs simulieren. Ermöglicht wird dies durch
verschiedene Füllmaterialien aus elastischem Filamen – einem verformbaren
Kunststoff, der für den 3D-Druck verwendet wird.
Die Entwicklung der Modelle erfolgte interdisziplinär. Hemma
Pfeifenberger, Professorin für Hebammenkunde an der TH Aschaffenburg,
entwarf verschiedene digitale Modellvarianten am Computer. In enger
Zusammenarbeit mit Sebastian Kraus von der Fakultät
Ingenieurwissenschaften und Informatik wurden diese Entwürfe dann in zehn
verschiedenen Konsistenzen in 3D gedruckt. Die Herstellungskosten betragen
dabei nur wenige Cent pro Modell.
Fachliche Beurteilung der Modelle
Um die Realitätsnähe der Modelle zu prüfen und deren Übereinstimmung mit
verschiedenen Gewebekonsistenzen zu bewerten, wurden sie von Fachpersonen
begutachtet. Ziel war es herauszufinden, welche Füllung welche
Gewebebeschaffenheit am besten abbildet.
Im ersten Durchlauf erhielt das Projekt 87 Bewertungen, die vor allem auf
Rückmeldungen von Hebammenstudierenden und erfahrenen Hebammen beruhen.
Bereits daraus ließen sich klare Tendenzen ableiten, welche Strukturen den
Gebärmutterhals besonders realistisch darstellen. Zudem wurde deutlich,
dass erfahrene Hebammen die Konsistenzen differenzierter und präziser
beurteilen als Studierende. Eine wichtige Erkenntnis für die Lehre.
Im nächsten Projektschritt sollen die Modelle verstärkt durch Ärztinnen
und Ärzte evaluiert werden, um Unterschiede in Wahrnehmung und
Einschätzung zwischen den Berufsgruppen zu erforschen.
Präsentation auf internationalem Fachkongress
Ein besonderes Highlight war die Präsentation des Projekts auf dem größten
europäischen Kongress für Gynäkologie und Geburtshilfe, der vom European
Board and College of Obstetricians and Gynecologists (EBCOG-Kongress)
organisiert wurde. Hemma Pfeifenberger war eine der wenigen Hebammen, die
eingeladen wurde, ihre Forschung vor einem überwiegend ärztlichen
Fachpublikum zu präsentieren.
Im Rahmen ihres Vortrags stellte sie die ersten 87 Bewertungen der Modelle
vor und nutzte gleichzeitig die Gelegenheit, internationale Gynäkologinnen
und Gynäkologen die Modelle selbst ertasten zu lassen, um zusätzliche
Daten zu gewinnen.
Das Abstract des Vortrags wird zudem im European Journal of Obstetrics and
Gynaecologie veröffentlicht.
Transfer zwischen Theorie und Praxis
Das Projekt steht beispielhaft für eine gelungenen Theorie-Praxis-
Transfer. Studierende transportieren ihr Wissen aus den Vorlesungen über
praktische Übungen im Skills Lab bis hin zu ersten realen Untersuchungen
an Schwangeren. Gleichzeitig zeigt sich aber auch ein Praxis-Theorie-
Transfer: Erkenntnisse aus der Anwendung fließen direkt in die Lehre
zurück und bereichern die Ausbildung mit praxisnaher Forschung. Die
Schwerpunktprofessur wird genutzt, um diese Modelle sinnvoll in der Lehre
einzusetzen.