Zum Hauptinhalt springen

Praxisnähe at its best: Zwei HSBI-Studentinnen illustrierten die neuen Jane-Austen-Buch-Cover des Suhrkamp Verlages

Julia Leister nutzte Metaphern bei ihrer Gestaltung: Bei „Verstand und Gefühl" beispielsweise für Illustrationen von Kamille und Mohn, die für die beiden charakterlich sehr unterschiedlichen Schwestern im Roman stehen.  Copyright: Julia Leister
Julia Leister nutzte Metaphern bei ihrer Gestaltung: Bei „Verstand und Gefühl" beispielsweise für Illustrationen von Kamille und Mohn, die für die beiden charakterlich sehr unterschiedlichen Schwestern im Roman stehen. Copyright: Julia Leister
Pin It

Für die Bachelor-Studierenden Julia Leister und Maria Wiese sind es Big
Points in ihren Portfolios als junge Gestalterinnen. Für ihren Professor
Dirk Fütterer war es eine große Bestätigung: Das Buch-Cover als Lernobjekt
lebt! Und je mehr Praxisbezug, desto besser. Beim kooperierenden Suhrkamp
Verlag sah man das genauso. Und so entstanden im Seminar „Das Buch als
[popkulturelles] Kultobjekt“ Umschlaggestaltungen für Jane Austens drei
berühmteste Romane, die vor Kurzem auf den Markt gekommen sind.

Bielefeld (hsbi). Kürzlich sind im Insel-Verlag sechs Bücher erschienen,
deren Umschläge Studierende der Hochschule Bielefeld (HSBI) gestaltet
haben. Eine Meldung, die mit diesem Satz beginnt, hätte vor gut einem Jahr
niemand der Beteiligten für möglich gehalten: nicht beim weltberühmten
Berliner Verlag, nicht die beiden jungen Illustratorinnen und eigentlich
nicht einmal der Professor, der den Coup eingefädelt hat. „Ich habe mich
vorher sogar ernsthaft gefragt, ob man ein Seminar zum Thema Buch-Cover
überhaupt noch machen kann“, gesteht Dirk Fütterer, Professor für
Typografie und Editorial Design (u.a. auch Buchgestaltung).

„Ich habe unheimlich viel gelernt!“

Er konnte. Und wie! Denn Fütterers Ansatz „Das Buch als [popkulturelles]
Kultobjekt“ brachte einen aktuellen Trend auf den Punkt. „Die Frage ist
ja: Geht es noch um das klassische Leitmedium oder ist das Buch inzwischen
etwas, das sich sehr gut in den Sozialen Medien zelebrieren lässt“, sagt
er. So ist #BookTok ist nicht länger bloß ein Hashtag, sondern ein
relevanter Marktfaktor: Über 25 Millionen Bücher wurden vergangenes Jahr
in Deutschland aufgrund von Empfehlungen der TikTok-Plattform verkauft.
Und die Leipziger Buchmesse feierte gerade einen neuen Besucherrekord –
der Ticketverkauf musste wegen der extrem hohen Nachfrage zeitweilig sogar
begrenzt werden. Das Buch kommt zurück als Vehikel des Digital Detox und
Lifestyle-Trophäe. „Entsprechend muss es natürlich gestaltet sein“, so
Fütterer.

Das Herzstück des Seminars bildete eine Praxisaufgabe: die komplette
Gestaltung dreier Buchtitel, und zwar von nichts Geringerem als „Verstand
und Gefühl“, „Stolz und Vorurteil“ sowie „Emma“ von Jane Austen. „Ich
kannte die Bücher und habe auch die meisten Verfilmungen gesehen“, sagt
Julia Leister, deren Entwurf es schließlich zur Veröffentlichung schaffte
und die nun kurz vor ihrem Bachelor-Abschluss in Gestaltung steht.
„Deswegen hatte ich mich über die Aufgabe total gefreut. Von der
Zusammenarbeit mit dem Suhrkamp und Insel Verlag wussten wir allerdings
vorher nichts.“ Maria Wiese, deren Gestaltung die englische
Originalfassung der drei Romane ziert, ergänzt: „Mit soviel
Praxiserfahrung hatte ich nicht gerechnet. Durch den direkten
Kundenkontakt und das realistische Briefing habe ich unheimlich viel
gelernt.“

Suhrkamp nahm sich sehr viel Zeit für das Projekt

Für den Suhrkamp und Insel Verlag war die Kooperation mit der HSBI
ebenfalls etwas ganz Besonderes. „Wir arbeiten zwar auch mit den
Kunsthochschulen Berlin-Weißensee und Halle sowie der Universität der
Künste Berlin zusammen, aber ein Projekt mit so vielen Beteiligten und
eine so große Auswahl an Vorschlägen gab es tatsächlich noch nie“, sagt
Herstellungsleiterin Dr. Alexandra Stender. „Es hat sich gelohnt, dass
Dirk Fütterer bei uns immer wieder für seine Sache geworben und für seine
Studierenden gekämpft hat. Und ich musste ja mein ganzes Haus überzeugen,
dass wir das durchziehen.“

Bei der Endpräsentation in der Hauptstadt im Juli 2024 hatten alle
Kursteilnehmenden die Möglichkeit, ihre Entwürfe von der Ideenfindung über
Moodboards bis hin zur Endfassung den Suhrkamp-Profis vorzustellen. „Viele
Kollegen nahmen sich einen ganzen Tag lang Zeit“, sagt Alexandra Stender.
„Und das hat großen Spaß gemacht! Bei unseren 400 Neuerscheinungen im Jahr
haben wir sonst häufig für die Entscheidungsfindung bei der
Umschlaggestaltung sehr viel weniger Zeit.“

Verspielt illustrativ bis streng typografisch: Bandbreite an Entwürfen

Am Ende waren es drei Entwürfe, die der Verlag aussuchte, um sie ihren
Instagram- und TikTok-Communitys zur Online-Abstimmung vorzulegen.
„Innerhalb von 24 Stunden gaben die User weit über eintausend Votes ab“,
sagt Ellen Möckel, die bei Suhrkamp und Insel die Covergestaltung
verantwortet. „Das Ergebnis war eindeutig. Interessanterweise hatten sich
die Studierenden bei einer internen Abstimmung sehr ähnlich entschieden.“
Am meisten überrascht hat Möckel allerdings die enorme Bandbreite der
Kreationen aus Bielefeld. „Von verspielt illustrativ streng typografisch
war alles dabei. Man konnte viele unterschiedliche Trends ablesen, aber es
gab auch progressive Gestaltungen, die herausragten. Dieses weite Feld an
Vorschlägen zu sehen, war absolut erstaunlich.“

„Don’t judge a book by its cover“, heißt es ja – im Wettbewerb der giga
vielen Bilder online wie offline muss die Buchbranche heutzutage nahezu
das Gegenteil proklamieren, um die Aufmerksamkeit von Millennials und Gen
Zs zu wecken. „Der Umschlag muss so funktionieren, dass innerhalb einer
Sekunde erfasst werden kann, worum es geht“, sagt Alexandra Stender. „Das
Entscheidende ist, dass sich über die Gestaltung unmittelbar ein Gefühl
einstellen soll.“ Für die Jane-Austen-Reihe war es darüber hinaus
besonders wichtig, dass die Titel zusammenpassen. „Wenn man eines der
Bücher erwirbt, soll man auch die anderen haben wollen“, erklärt Stender.
„Darum ist hier die Verpackung so extrem wichtig.“

Mühsame Handarbeit schlägt KI

Tatsächlich war dem Suhrkamp-Team bereits nach der Zwischenpräsentation
der Studierenden klar, dass auf jeden Fall etwas dabei war, womit man
würde arbeiten können. „Geplant hatte das niemand“, sagt HSBI-Professor
Dirk Fütterer. „Umso beeindruckender finde ich es, dass nun sogar zwei
Entwürfe zur Veröffentlichung gelangen. Das ist auch ein Zeichen für das
Niveau, auf dem die Studierenden bereits jetzt arbeiten. Die Qualität war
übrigens durchgehend hoch, und es gab eine unglaubliche Dynamik in dem
Kurs.“ Mit KI hätten zwar einige der Studierenden gearbeitet, so Fütterer,
aber das seien nicht die Favoriten gewesen. „Was Suhrkamp schließlich
genommen hat – übrigens mit branchenüblichem Vertrag und Honorar –, war
das Ergebnis mühsamer Handarbeit.“

Zarte, stimmungsvolle Arbeiten von Julia Leister

Julia Leister, deren Kreationen nun die deutschen Jane-Austen-Romane
schmücken, hat sich für eine symbolhafte Lösung entschieden. „Es geht ja
um starke, selbstbestimmte Frauenfiguren, aber auch um Emotionalität“,
erklärt sie. „Ein Hauch Romantik ist dabei, doch immer mit Intellekt.
Dafür wollte ich Metaphern finden. Für ‚Verstand und Gefühl‘ habe ich zwei
Blumen gewählt, die Kamille und den Mohn, die für die beiden charakterlich
sehr unterschiedlichen Schwestern stehen. Bei ‚Stolz und Vorurteil‘ ist
der Handschuh das Symbol für gesellschaftliche Normen, die die echten
Gefühle verdecken, und der Schlüssel symbolisiert, wie die Charaktere sich
einander gegenseitig öffnen. Und bei ‚Emma‘ verweisen Spiegel und
Perlenkette auf die Themen Selbsttäuschung und Selbsterkenntnis.“

Leister ist neben ihrem HSBI-Studium bereits als Illustratorin im
Geschäft. Über 50.000 Follower hat sie auf ihrem Instagram-Profil, das ihr
auch als Business-Plattform dient. „Mit ihrem warmen und gefühlvollen
lllustrationsstil ist Julia Leister hier ganz bei sich geblieben“, sagt
ihr Professor. „Damit hat sie offensichtlich einen Nerv getroffen.“
Alexandra Stender von Suhrkamp unterstreicht das: „Sie hat sehr zarte,
stimmungsvolle Arbeiten geliefert, die den Ton von Jane Austen
hervorragend treffen.“

Maria Wiese: „Klassisch, aber nicht altbacken!“
Maria Wiese hat einen ganz anderen Ansatz gewählt und überzeugte mit ihrem
Gesamtkonzept. „Ich habe jeweils Blumenmuster entworfen, die sich über das
komplette Buch erstrecken“, erzählt sie. „Ich wollte etwas Klassisches
kreieren, das aber nicht altbacken aussieht. Diese Ornamente stehen nicht
zuletzt für die aufbrechenden Gesellschaftsnormen des kurzen Regency-
Zeitalters zwischen 1810 und 1820 in Großbritannien. Die typischen Muster
der Epoche haben mich inspiriert, doch letztlich habe ich etwas Eigenes
daraus gemacht.“

Suhrkamp-Mitarbeiterin Ellen Möckel ist beeindruckt davon, wie konsequent
sich Wiese an das Briefing gehalten hat. „Die Genauigkeit in der Umsetzung
war schon in den ersten Entwürfen sichtbar“, sagt sie. „Ein äußerst
professioneller Aufschlag!“ Das Konzept eignete sich außerdem hervorragend
für eine Veredelung: „Die englische Ausgabe ist deshalb nun komplett
geprägt und erscheint sehr hochwertig.“

Dirk Fütterer sieht sich durch all das bestätigt in seinem Ansatz des
Praxisbezuges und auch des Seminarthemas der Covergestaltung. „Text-Bild-
Kombination – das klingt so einfach, ist aber tatsächlich hoch komplex“,
sagt der Professor. „Man hat ja nur ein Bild frei, und das muss seinen
Reiz in Kombination mit dem Titel innerhalb von Millisekunden entfalten.
Das richtig hinzukriegen, ist aus meiner Sicht eine der
Schlüsselkompetenzen, die man im Laufe des Studiums entwickeln muss. Denn
die KI-Tools können es ohne unser Zutun noch nicht. Die Studierenden
brauchen Erfahrung – und so ein Praxistest ist da unglaublich
aufschlussreich.“

Die weltoffene Leuchtanstadt Luzern am Vierwaldstättersee freut sich auf Ihren Besuch

Die Region Sempachersee im Herzen der Schweiz freut sich auf hren Besuch