Statement: „EU-USA-Zolldeal gefährdet regelbasierten Welthandel“
Prof. Dr. Julian Hinz, Experte für internationalen Handel am Kiel
Institut, kommentiert den jetzt vereinbarten Handelsdeal zwischen der EU
und den USA, der für europäische Exporte in die Vereinigten Staaten
Zollsätze von 15 Prozent vorsieht:
„Der gestern vereinbarte Deal zwischen der EU und den USA ist kein guter
Deal – er ist Appeasement, also eine Politik der Beschwichtigung. Die EU
versucht kurzfristig, einen Handelskrieg abzuwenden, zahlt dafür aber
langfristig einen hohen Preis: Sie verlässt damit die Prinzipien des
multilateralen und regelbasierten Welthandelssystems der
Welthandelsorganisation (WTO), das Europas Wohlstand bislang maßgeblich
garantiert hat.
Die kurzfristigen wirtschaftlichen Folgen des Deals mögen begrenzt
erscheinen – so erwarten wir für Deutschland zunächst ein verringertes
Wachstum von 0,13 Prozentpunkten. Doch der langfristige Schaden für das
multilaterale Handelssystem ist weit größer. Die EU sollte sich dringend
auf ihre Stärken besinnen und verstärkt Handelspartnerschaften mit
gleichgesinnten Ländern fördern, um dem regelbasierten globalen
Handelssystem wieder Rückhalt zu geben.
Nach WTO-Regeln müssen Mitgliedsländer dieselben Zollsätze für alle
anderen Mitglieder anwenden. Abweichungen sind nur im Rahmen von
Freihandelsabkommen erlaubt, bei denen beide Seiten ihre Zölle auf null
reduzieren. Der aktuelle Deal verstößt klar gegen diese Grundsätze und
schafft einen gefährlichen Präzedenzfall. Er könnte andere Länder dazu
ermutigen, ebenfalls politisch motivierte und willkürliche Zollerhöhungen
durchzusetzen. Langfristig drohen damit eine Eskalation von
Handelskonflikten und insgesamt höhere Zölle – eine Entwicklung, die
insbesondere Exportnationen wie Deutschland empfindlich treffen würde.
Dabei hätte die EU Alternativen gehabt: Statt auf einen einseitig
nachteiligen Deal einzugehen, hätte sie gemeinsam mit anderen betroffenen
Wirtschaftsnationen wie Kanada, Mexiko, Brasilien und Südkorea eine
Koalition bilden können. Damit wäre ein wirkungsvolles Gegengewicht zu den
amerikanischen Zolldrohungen entstanden. Stattdessen stärkt der heute
geschlossene Deal die Strategie von Präsident Trump, andere
Wirtschaftsnationen gegeneinander auszuspielen.“