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Dr. Denise Müller-Dum 11:22 (vor 13 Minuten) an mich Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung Max-Planck-Institut für Meteorologie, Dr. Denise Müller-Dum, 16.07.2025 11:20 Klimadaten aus Schiffslogbüchern: Inte

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In historischen Logbüchern von Schiffen des transatlantischen
Sklavenhandels stecken auch Informationen über vergangene
Klimabedingungen. Um diese ungewöhnliche Datenquelle für die Untersuchung
der Intertropischen Konvergenzzone zu erschließen, haben sich zwei
Klimaforscherinnen des Max-Planck-Instituts für Meteorologie und eine
Klimahistorikerin der Universität Bielefeld zusammengeschlossen. Die
Volkswagenstiftung unterstützt das innovative Vorhaben mit 1,3 Millionen
Euro.

Gemeinsame Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Meteorologie und
der Universität Bielefeld.

Etwa ein Drittel der Niederschläge auf der Erde fällt in einem schmalen
Regenband innerhalb der Tropen, in der Intertropischen Konvergenzzone
(ITCZ). Vorhersagen zufolge könnten sich deren Lage, Ausdehnung und Stärke
durch den Klimawandel verändern – mit Folgen für die Trinkwasserversorgung
von Hunderten Millionen Menschen. Um solche Vorhersagen zuverlässig machen
zu können, braucht es ein Verständnis vergangener Änderungen. Die
Datenlage ist allerdings dünn. Deshalb wollen zwei Klimaforscherinnen am
Max-Planck-Institut für Meteorologie (MPI-M) und eine Klimahistorikerin an
der Universität Bielefeld gemeinsam untersuchen, ob historische
Schiffslogbücher etwas über vergangene Veränderungen der ITCZ preisgeben.
Die Volkswagenstiftung fördert das Projekt „DOLDRUMS“ als Pioniervorhaben
mit der Höchstfördersumme von 1,3 Millionen Euro. Das Projekt startet im
Oktober 2025 und läuft über vier Jahre. DOLDRUMS steht für „Deciphering
OLD ship Records to Understand the Maritime Structure of the Atlantic
Intertropical Convergence Zone“, zu Deutsch: Entschlüsselung alter
Schiffsaufzeichnungen für ein besseres Verständnis der maritimen Struktur
der ITCZ.

„Wir freuen uns, dass wir mit diesem etwas gewagten, aber sehr innovativen
Projektantrag erfolgreich waren“, sagt MPI-M-Forscherin Claudia Timmreck.
„Wir erweitern das Spektrum von Methoden für die Rekonstruktion
vergangener Klimaänderungen und lernen damit auch etwas über die Zukunft.“
Bei der ITCZ gestaltete sich der Blick in die Vergangenheit bislang
schwierig: Wetteraufzeichnungen enthalten Informationen über die ITCZ
hauptsächlich in Form erhöhter Niederschlagsmengen über Land – tatsächlich
liegt die ITCZ aber größtenteils über dem Ozean und lässt sich besser
durch Oberflächenwinde charakterisieren. Beispielsweise liefern
Klimaarchive wie Tropfsteine oder Sedimentablagerungen nur Informationen
über den Niederschlag an Land oder in Küstennähe. Weil Oberflächenwinde
über dem Ozean in den Klimaarchiven unsichtbar sind, macht sich DOLDRUMS
auf die Suche nach ihren Spuren in der Menschheitsgeschichte: Logbücher
von Segelschiffen, vor allem aus dem transatlantischen Sklavenhandel, mit
denen vom 16. bis ins 19. Jahrhundert Millionen Menschen von Afrika nach
Amerika und in die Karibik verschleppt wurden, sollen die Datenlücke
schließen.

Routen und Revolten

Beim Durchqueren der ITCZ waren die Schiffe Stürmen und Gewittern, aber
manchmal auch nahezu völliger Windstille ausgesetzt. Ein Stranden in
diesen Kalmen oder Doldrums genannten Regionen konnte eine Seereise um
Tage oder Wochen verlängern. Deshalb dürften allein die Schiffsrouten
selbst Informationen über die Winde und damit die ITCZ enthalten. Hinzu
kommen Notizen zu Wetterbeobachtungen und zum Verhalten der Menschen. „Das
Wetter auf See hat die Lebensbedingungen an Bord der Schiffe stark
beeinflusst“, sagt Eleonora Rohland von der Universität Bielefeld. „Eine
Hypothese ist, dass das nervenzehrende Festsitzen in den Doldrums zu
Aufständen der Sklaven und der Crew geführt hat, denn es ließ Trinkwasser
und Nahrungsmittel knapp werden.“ Daher könnten auch Berichte über solche
Situationen indirekte Hinweise auf die Wetterbedingungen liefern.

Virtuelle Schiffe in einem sturmauflösenden Modell

Die Forscherinnen werden die Daten aus den Logbüchern mithilfe des
sturmauflösenden Klimamodells ICON interpretieren. „Wir wollen den
Zusammenhang zwischen den großräumigen Windverhältnissen der ITCZ und den
Schiffslogbüchern herstellen, indem wir virtuelle Schiffe durch unsere
Klimasimulationen steuern“, erklärt MPI-M-Forscherin Julia Windmiller die
Vorgehensweise. Danach will das Team die Jahre 1783/84 in den Blick
nehmen. Zu dieser Zeit wich die Lage der ITCZ aufgrund eines isländischen
Vulkanausbruchs vom normalen Zustand ab – dies ist also eine Gelegenheit
zur Prüfung der These, dass sich externe Klimaantriebe in den Logbuch-
Daten bemerkbar machen. Sollte dies gelingen, hätten die Forscherinnen
eine neue Quelle vergangener Wetterdaten sowie eine neue
Überprüfungsmöglichkeit für Klimatheorien erschlossen. Dies würde nicht
nur die Interpretation vergangener, sondern auch die Vorhersage
zukünftiger Klimaänderungen deutlich verbessern.

Mit ihrer ungewöhnlichen Idee begeben sich die drei Forscherinnen
sprichwörtlich in unbekannte Gewässer. Für solche riskanten
Forschungsideen gibt es das Förderprogramm „Pioniervorhaben –
Explorationen des unbekannten Unbekannten“ der privaten
Volkswagenstiftung. Das Auswahlverfahren ist hoch kompetitiv, nur ein
geringer Prozentsatz aller gestellten Anträge wird bewilligt.

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