Wie das Mikrobiom unseren Hormonhaushalt steuert und was wir selbst für unsere Darmgesundheit tun können
Das Darmmikrobiom übernimmt weit mehr Aufgaben als bisher gedacht: Es
steuert nicht nur unsere Verdauung, sondern beeinflusst auch den
Hormonhaushalt, den Blutzuckerspiegel und die Verteilung von Körperfett.
Damit gewinnt es auch in der Prävention und Behandlung von
Stoffwechselerkrankungen wie Adipositas und Typ-2-Diabetes zunehmend an
Bedeutung.
Die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) und die
Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) rückten das Thema in den Fokus ihrer
gemeinsamen Online-Pressekonferenz am 9. Juli 2025.
Dort erläuterte Experte Professor Dr. med. Reiner Jumpertz-von
Schwartzenberg, welche Rolle das Mikrobiom im Körper aus
endokrinologischer Sicht spielt und wie wir es durch unseren Lebensstil
gezielt stärken können.
Noch vor wenigen Jahren galt der Darm vor allem als Ort der Verdauung.
Heute ist klar: Die mikroskopisch kleinen Mitbewohner in unserem
Verdauungstrakt übernehmen wichtige Aufgaben, die weit über die
Aufspaltung von Nahrung hinausgehen. Sie beeinflussen die Menge an
Kalorien, die wir aus unserer Nahrung aufnehmen, und produzieren Stoffe,
die wie Hormone wirken. „Das Darmmikrobiom bringt einen mehr als
hundertfach größeren Genpool mit als unsere menschlichen Gene“, sagt
Professor Dr. med. Reiner Jumpertz-von Schwartzenberg, Oberarzt der
Abteilung Diabetologie, Endokrinologie und Nephrologie und Leiter des
Klinischen Studienzentrums am Institut für Diabetesforschung und
Stoffwechselkrankheiten des Helmholtz-Zentrums München am
Universitätsklinikum Tübingen.
Durch Eingriffe in den Genpool dieser Bakterien ist es zum Beispiel
möglich, Proteine herzustellen, die unserem Körperhormon GLP-1 ähneln –
einem durch die sogenannte Abnehmspritze bekannt gewordenen Hormon, das
für den Blutzuckerspiegel und das Sättigungsgefühl eine wichtige Rolle
spielt. Medikamente mit synthetischem GLP-1 kommen bereits erfolgreich bei
Diabetes und Übergewicht zum Einsatz. „Wenn wir lernen, diese Bakterien
gezielt zu aktivieren oder zu verändern, eröffnen sich ganz neue
therapeutische Möglichkeiten bei Adipositas und Typ-2-Diabetes“, so der
Experte aus Tübingen.
Auch die Bildung von Sexualhormonen und Stresshormonen wie Cortisol kann
durch das Mikrobiom beeinflusst werden. Bestimmte Darmbakterien enthalten
Gene für die sogenannte Steroidbiogenese, also die Herstellung von
Steroidhormonen. Diese wiederum steuern viele Stoffwechselprozesse und
können unter anderem die Fettverteilung im Körper beeinflussen. „Wir sehen
zudem, dass ein verändertes Mikrobiom mit dem viszeralen Fett, also
Bauchfett, zusammenhängt“, erklärt Jumpertz-von Schwartzenberg. Dieses
Fettgewebe gilt als besonders ungünstig, da es Entzündungsprozesse im
Körper fördert und unter anderem das Risiko für Herz-Kreislauf-
Erkrankungen erhöht.
Das Mikrobiom könnte für die Medizin der Zukunft eine Schlüsselrolle
spielen
Die Erkenntnisse aus der Mikrobiomforschung eröffnen neue Möglichkeiten
für die Therapie – etwa durch genetisch veränderte Bakterien, die gezielt
nützliche Hormone produzieren. „Wir stehen hier erst am Anfang, aber das
Potenzial ist enorm“, betont der Experte. Auch durch Ernährung lässt sich
das Mikrobiom verändern: „Schon eine kalorienreduzierte Diät kann
innerhalb kurzer Zeit messbare Effekte auf die Zusammensetzung der
Darmflora haben.“
Für mehr Gesundheit: das eigene Mikrobiom gezielt pflegen
Auch die eigene Lebensweise spielt eine entscheidende Rolle für ein
gesundes Mikrobiom. Wer sich abwechslungsreich ernährt, Ballaststoffe in
den Speiseplan integriert und Stress vermeidet, kann seine Darmflora
positiv beeinflussen. „Das Ziel ist ein vielfältiges Mikrobiom, das gut
balanciert ist und viele Aufgaben übernimmt, von der Nahrungsabsorption
bis zum Schutz vor pathogenen Keimen“, betont Jumpertz-von Schwartzenberg.
So stärken Sie Ihr Mikrobiom
• Ballaststoffreich essen: Vollkornprodukte, Hülsenfrüchte, Gemüse
und Obst liefern „Futter“ für gute Darmbakterien.
• Fermentierte Lebensmittel wählen: Joghurt, Kefir, Sauerkraut oder
Kimchi enthalten lebende Milchsäurebakterien.
• Zucker und Weißmehl reduzieren: Sie fördern ungünstige
Bakterienarten.
• Kurzfristig Kalorien reduzieren: Bei Übergewicht kann eine
zeitweise kalorienärmere Ernährung das Mikrobiom günstig beeinflussen.
• Stress vermeiden: Dauerstress kann die Darmflora aus dem
Gleichgewicht bringen.
• Bewegung einbauen: Körperliche Aktivität unterstützt eine gesunde
Bakterienvielfalt.
Die Pressemappe und den Mitschnitt der Pressekonferenz finden Sie auf der
Website der DDG unter https://www.ddg.info/pressekon
pressekonferenz-der-deutschen-
deutschen-gesellschaft-fuer-en
Interessenkonflikte:
Professor Dr. med. Reiner Jumpertz-von Schwartzenberg gibt an, dass keine
Interessenkonflikte in Bezug auf diesen Artikel vorliegen.