Gemeinsam gegen Wüstenbildung – NamTip-Projekt stärkt den Wissenstransfer in Namibia
Wie lässt sich Wüstenbildung aufhalten? Und wie können wissenschaftliche
Erkenntnisse lokal wirksam werden? Diesen Fragen ging das deutsch-
namibische Forschungsprojekt NamTip nach, das die Ursachen ökologischer
Kipppunkte und Möglichkeiten ihrer Vermeidung in Namibia untersuchte.
Gefördert vom Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt,
fand der Projektabschluss nun bei den lokalen Partnern in Namibia statt.
Projektleiterin Prof. Dr. Anja Linstädter reiste dafür gemeinsam mit ihrem
Team und Universitätspräsident Prof. Oliver Günther, Ph.D. Ende Juni nach
Namibia. Vor Ort wurden eine Winterschule, Stakeholder-Workshops und eine
Abschlussveranstaltung durchgeführt.
Wenn sich die Savanne in eine unfruchtbare Wüste verwandelt, geht
biologische Vielfalt verloren, und den Wildtieren wie auch dem Vieh wird
die Nahrungsgrundlage entzogen – mit weitreichenden Folgen bis hin zum
Zusammenbruch ganzer Ökosysteme. Ein Kipppunkt markiert den Moment in der
ökologischen Entwicklung, ab dem dieser Prozess unumkehrbar wird.
Verantwortlich dafür sind vor allem der Klimawandel und eine nicht
nachhaltige Nutzung von Weideflächen. Besonders in Namibia, wo
Weideflächen für den Lebensunterhalt und die nationale Wirtschaft zentral
sind, geraten viele Regionen zunehmend unter Druck.
„Im Rahmen des NamTip-Projekts haben wir Kipppunkte der Wüstenbildung und
deren Triebkräfte untersucht, um zu erkunden, wie durch gezieltes
Management die Resilienz der Savannen gestärkt oder ein degradiertes
Ökosystem bestenfalls sogar wiederhergestellt werden kann“, fasst
Projektleiterin Anja Linstädter von der Universität Potsdam zusammen.
Beteiligt waren von wissenschaftlicher Seite die Universitäten Bonn, Köln
und Tübingen, das ISOE – Institut für Sozial-ökologische Forschung, das
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung, die University of Namibia und die
Namibia University of Science and Technology. Als Implementierungspartner
kamen die Namibia National Farmers Union sowie die Bildungsinitiative
EduVentures hinzu, die sich für den Wissenstransfer an namibische
Schulkinder einsetzt.
„NamTip ist ein hervorragendes Beispiel für anwendungsorientierte
Forschung, die den Transfer ihrer Ergebnisse von Anfang an mitdenkt und in
die Hand nimmt“, betont Unipräsident Prof. Oliver Günther. „Es ist
essenziell, dass wir mit den Menschen, den möglichen Anwendern unserer
Forschung, auf Augenhöhe kommunizieren und zeigen, wie wichtig
Wissenschaft und Forschung für jeden von uns im Alltag sind – in diesem
Fall, um Wege aus der Klimakrise zu finden, die Biodiversität zu erhalten
und gleichzeitig die Nahrungsmittelversorgung in besonders betroffenen
Gebieten sicherzustellen.“
Eines der wichtigsten Projektziele war es, praxisrelevantes Wissen für
lokale Akteure bereitzustellen. Dazu entwickelten die Beteiligten eine
Reihe von informativen Factsheets, die sich mit zentralen Fragen der
Weidewirtschaft beschäftigen und von Drohnentechnologie zur
flächenspezifischen Bewirtschaftung von Weideland mithilfe von Indikatoren
der Vegetationsgesundheit bis hin zu einem Maßnahmenkatalog reichen, mit
dem die Landwirtinnen und Landwirte die ökologischen Kipppunkte auf
gemeinschaftlich genutzten Weideflächen aktiv managen können. Weitere
Themen sind der Schutz der ausdauernden Gräser und ihrer Bodensamenbank
durch eine Rotationsbeweidung, die für kommunale Weideflächen geeignet
ist, und eine Kombination verschiedener Maßnahmen zur Wiederherstellung
degradierter Savannen.
Um die Mechanismen der Degradierung besser zu verstehen, installierte das
Team zu Beginn des NamTip-Projekts ein groß angelegtes Feldexperiment in
der Waterberg-Region Namibias. Über mehrere Jahre wurde untersucht, wie
sich das Ökosystem unter Stress verändert. „Wie erwartet, führte vor allem
die Kombination aus extremer Dürre und Überweidung rasch zu messbaren
Veränderungen“, erklärt Anja Linstädter. Zunächst ging die Vitalität der
mehrjährigen Gräser deutlich zurück – ein Dominoeffekt, der weitere
Prozesse der Degradierung auslöste. „Normalerweise können wir solche
Prozesse nicht detailliert beobachten, weil es meist erst im Rückblick
auffällt, dass ein ökologischer Kipppunkt überschritten worden ist“,
ergänzt sie.
Zum Projektabschluss kamen Forschende, Implementierungspartner, politische
Entscheidungsträger und Vertreter der Landwirtschaft zu zwei Workshops in
der Waterberg-Region zusammen. Der erste Workshop befasste sich mit einem
nachhaltigen Management zur Vermeidung von Kipppunkten der Wüstenbildung
auf kommerziell bewirtschafteten Farmen. Eine gemeinsame Exkursion zum
Feldexperiment bot dabei Raum für Diskussion und Austausch. Der zweite
Workshop rückte die Perspektive kommunaler Landnutzungssysteme der
OvaHerero in den Fokus. Die Gemeinschaften sind zunehmend mit dem Problem
konfrontiert, dass in ihren Weidegebieten durch das Überhandnehmen von
Büschen immer weniger Futtergräser wachsen. Bis vor Kurzem war es ihnen
staatlicherseits nicht erlaubt, in diesen Prozess selbst aktiv
einzugreifen. Im Workshop präsentierten die Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler daher konkrete, lokal angepasste Maßnahmen zur
Wiederherstellung dieser degradierten Flächen – darunter selektive
Buschausdünnung, zeitlich optimierte Schonung sowie die Wiederansiedlung
standorttypischer Futtergräser.
Den Workshops voraus ging eine einwöchige Winterschule in der Waterberg-
Region, an der 15 Studierende aus Namibia teilnahmen. In theoretischen und
praktischen Einheiten sowie bei Exkursionen zu Forschungsstandorten und in
den Waterberg-Plateau-Nationalpark erhielten sie Einblicke in die
ökologischen und sozialwissenschaftlichen Ansätze des Projekts – und
berichteten in einem Online-Tagebuch von ihren Eindrücken.
Den Abschluss bildete eine Presseveranstaltung am 26. Juni 2025 in
Namibias Hauptstadt Windhoek. Vor Vertreterinnen und Vertretern aus
Regierung, Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Medien stellten die
Projektpartner ihre zentralen Ergebnisse vor und überreichten die
entwickelten Factsheets mit ihren praktischen und politikrelevanten
Empfehlungen für eine klimaresiliente und nachhaltige Weidewirtschaft in
Namibia.
Weitere Informationen:
Link zur Projektwebseite: https://www.uni-potsdam.de/en/
Link zum Reisetagebuch der Winterschule: https://www.uni-
potsdam.de/de/nachrichten/deta
oekologische-kipppunkte-in-tro
Fotos:
2025_067_1_NamTip_ExperimentTi
Workshops besuchen das großflächige Feldexperiment des NamTip-Projekts in
der Waterberg-Region. Dr. Mark Bilton von der Namibia University of
Science and Technology erläutert die experimentellen Aufbauten, darunter
Regenausschlussdächer zur gezielten Simulation von Dürrebedingungen. Das
Experiment dient dazu, die Auswirkungen extremer Klimabedingungen und
unterschiedlicher Weideregime auf die Stabilität von Savannenökosystemen
besser zu verstehen. Foto: Anja Linstädter
2025_067_2_NamTip_FarmerDay_Ju
ersten Stakeholder-Workshops in der Waterberg-Region. Vertreterinnen und
Vertreter aus Landwirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung diskutierten
gemeinsam mit dem NamTip-Team praxisnahe Strategien zur Vermeidung von
Wüstenbildung auf Namibias Weideflächen. Foto: Carlo Renner
2025_067_3_NamTip_FamerDay_Com
Gespräch mit Wissenschaftlern des NamTip-Teams während des zweiten
Stakeholder-Workshops in der Waterberg-Region. Der Workshop richtete sich
an Vertreterinnen und Vertreter kommunaler Gemeinschaften der OvaHerero
und widmete sich praxisnahen Ansätzen zur Wiederherstellung degradierter
Weideflächen. Foto: Anja Linstädter