KI-trainierter Ultraschall gegen Endometriose
FAU-Forscherinnen wollen die Diagnose und Behandlung des „Chamäleons“
unter den Frauenkrankheiten verbessern
Endometriose ist eine gynäkologische Erkrankung, die weitgehend unbekannt
ist, obwohl unter ihr deutschlandweit geschätzt jede 10. bis 15. Frau im
gebärfähigen Alter leidet.
Ein multidisziplinäres Team von
Wissenschaftlerinnen an der Friedrich-Alexander-Universitä
Nürnberg (FAU) und dem Universitätsklinikum Erlangen erforscht die
Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten der Frauenkrankheit mit einer Drei-
Millionen-Euro-Förderung des Bayerischen Staatsministeriums für
Gesundheit, Pflege und Prävention.
Endometriose ist eine chronische, hormonabhängige Erkrankung, die aufgrund
ihrer unterschiedlichen phänotypischen Erscheinung auch als eine
Chamäleon-Krankheit bezeichnet wird. Sie macht sich meistens durch starke
Schmerzen im Unterbauch während der Periode bemerkbar. Bei Endometriose
wächst Gewebe, das der Gebärmutterschleimhaut ähnelt, an Stellen außerhalb
der Gebärmutterschleimhaut an verschiedenen Stellen im Körper, bevorzugt
im kleinen Becken und kann zu funktionellen Störungen beim Stuhlgang und
Wasserlassen führen. Mit der Krankheit einher gehen etwa auch
Unfruchtbarkeit sowie Angststörungen und Depressionen. Die Dunkelziffer
der Endometriose-Fälle ist aufgrund der vielen verschiedenen Symptome
hoch.
Ein 3-D-Patientinnenmodell schaffen
Ziel der neuen Studie ist die Verbesserung der nicht-invasiven Diagnostik
und die Unterstützung zur effektiven Behandlung von Patientinnen mit
Endometriose. Die Neuheit des Forschungsansatzes liegt darin, verschiedene
bildgebende Verfahren wie Ultraschall und MRT durch Methoden der KI in ein
ganzheitliches 3D-Patientinnenmodell zu überführen, das durch weitere
operative und postoperative Daten vervollständigt wird. Schließlich soll
ausgewertet werden, ob sich dadurch die Situation für die Patientinnen,
aber auch für die Kliniken verbessert.
Fünf Wissenschaftlerinnen der FAU und des Universitätsklinikums Erlangen
sowie zwei Partnerinnen der Universität Würzburg und der Technischen
Universität München haben sich in dem Projekt EndoKI (Endometriose und
künstliche Intelligenz) zusammengeschlossen, um „von Frauen für Frauen“
die Krankheit interdisziplinär zu erforschen. Das auf drei Jahre angelegte
Projekt wird im Rahmen der digitalen und innovativen Gesundheits- und
Pflegeprojekte (BayDiGuP) und des Themenfeldes Frauengesundheit und
künstliche Intelligenz gefördert.
Bisher im Durchschnitt acht Jahre bis zur Diagnose
Für Prof. Dr. Franziska Mathis-Ullrich, Professorin für Chirurgische
Robotik am Department Artificial Intelligence in Biomedical Engineering
und Sprecherin des Projekts, ist es wichtig, „bei Frauen, aber auch in der
Gesellschaft ein Bewusstsein für diese unbekannte und oft unerkannte
Krankheit zu schaffen, von der so viele betroffen sind.“ Die sieben
Wissenschaftlerinnen kommen aus den Bereichen KI, Medizintechnik,
Informatik, Frauenheilkunde und den Gender Studies. „Wir wollen gezielt
Daten von mindestens 300 Patientinnen sammeln und herausfinden, wie die
Diagnose früher und standardisierter mittels Bildgebung gestellt werden
kann, um so Schmerzchronifizierungen zu vermeiden“, sagt Mathis-Ullrich.
Denn aufgrund des nicht einheitlichen Krankheitsbildes dauert es Studien
zufolge im Durchschnitt acht Jahre, bis eine Endometriose überhaupt
diagnostiziert wird. Oftmals wird die Krankheit erst bei einem
endoskopischen Eingriff entdeckt. Behandelt wird sie durch die Gabe von
Schmerzmitteln, Hormontherapien oder Operationen.
„Die gesammelten Daten sollen auch dazu dienen, die Anzahl von Operationen
zu reduzieren,“ erklärt Mathis-Ullrich. Allein knapp 100 Millionen Euro
pro Jahr kosten Operationen im Zusammenhang mit Endometriose. Hier besteht
ein Einsparpotenzial von 20 Millionen Euro pro Jahr. „Ideal wäre es für
Patientinnen, wenn endoskopische Eingriffe nicht nur zur Diagnostik
eingesetzt würden, sondern im selben Schritt auch zur kompletten
Entfernung des erkrankten Gewebes“, erklärt Mathis-Ullrich. Bislang sind
manchmal mehrere Eingriffe nötig. EndoKI soll eine schnellere und
präzisere Diagnose ermöglichen. „Durch eine genauere präoperative
Erkennung von Endometriose-Herden könnten erneute Eingriffe vermieden
werden. Davon profitieren vor allem die Patientinnen, denn jeder Eingriff
ist mit einem gewissen Risiko verbunden“, weiß die Wissenschaftlerin.
Datenbank soll entstehen
Langfristig soll eine pseudonomisierte Datenbank entstehen, in der unter
anderem MRT-Datensätze sowie histopathologische Informationen zur
Verfügung stehen, um KI-Modelle zu trainieren; die Daten sollen auch als
Grundlage für weitere Forschungen dienen. Zum verbesserten Verständnis des
Diagnose- und Behandlungsprozesses ist ebenfalls eine qualitativ-
ethnografische Teilstudie geplant, innerhalb derer Gynäkolog/-innen,
Patientinnen und Forschende interviewt und ihre Perspektiven und
Bedürfnisse eruiert werden. Aus diesen Erkenntnissen sollen
Handlungsempfehlungen in Leitlinien für die Diagnostik und Therapie der
Endometriose entstehen – im Idealfall auch für UN-Organisationen wie die
WHO.
„Wir wollen durch unsere Studie auch den Blick der Mediziner/-innen für
die Krankheit schärfen.“ Überhaupt sei das Anliegen des Projektes
keinesfalls, dass die Erkenntnisse in der wissenschaftlichen Community
„hängenbleiben“, sondern dass auch eine Öffentlichkeit für
Frauengesundheit geschaffen werde. So sei für 2028 eine Konferenz zum
Thema Endometriose an der FAU und Universitätsklinikum geplant – für
Mediziner/-innen, Forschende und Betroffene. „Ich habe selten erlebt, dass
ein Projekt, an dem Wissenschaftlerinnen so unterschiedlicher Fachbereiche
beteiligt sind, so hochmotiviert begonnen wurde. Unser Forscherinnenherz
hängt daran“, sagt Mathis-Ullrich.