Gute Pflege braucht Klasse: Drei Jahre Studiengang Pflegepädagogik an der EvH Bochum
In der Pflegeausbildung hat sich einiges verändert: Die klassische
Altenpflege, Krankenpflege oder Kinderkrankenpflege in Deutschland wurde
abgelöst durch eine generalistische Pflegeausbildung, die all diese
Bereiche künftig vereint. Daraus ergibt sich, dass Lehrkräfte an
Pflegeschulen jetzt eine akademische Qualifizierung benötigen.
Genau diese
Lücke schließt seit 2022/23 der Bachelor-Studiengang Pflegepädagogik an
der Evangelischen Hochschule Bochum (EvH Bochum). Im Interview blickt
Studiengangsleiterin Prof. Dr. Andrea Kuhlmann auf die Herausforderungen
in der modernen Pflegeausbildung und die ersten engagierten
Absolvierenden.
Professor Kuhlmann, warum brauchen wir dringend mehr Pflegepädagog_innen?
Wir brauchen sie, um die Pflege in unserem Land nachhaltig zu verbessern
und professionell weiterzuentwickeln. Wer bei uns Pflegepädagogik
studiert, hat zuvor bereits eine Berufsausbildung in dem Bereich gemacht.
Im Studium erhalten sie zusätzlich eine akademische, pädagogische
Ausbildung, die sie dazu befähigt, ihr Wissen an Pflegeschulen
weiterzugeben, modern zu unterrichten und somit noch mehr Menschen für
Pflegeberufe zu qualifizieren. Bislang brachte die Lehrerschaft an
Pflegeschulen sehr unterschiedliche Voraussetzungen mit, nun unterstützen
wir mit dem Studiengang dabei, die neuen bundesweiten Standards für
Lehrende an Pflegeschulen mit aufzubauen.
Wie schaffen Sie das? Wie genau bereiten Sie künftige Lehrkräfte auf die
Anforderungen im späteren Beruf vor?
Durch die vorgelagerte berufliche Ausbildung bringen unsere Studierenden
schon Berufserfahrung mit. Im Studium wollen wir aber möglichst viele
Möglichkeiten bieten, weitere Erfahrungen zu sammeln, die für die
Lehrtätigkeit wichtig sind. Theorie und Praxis sind an der EvH ganz eng
verknüpft – das zeigt sich auch an einem besonderen Prüfungsformat: Gleich
im zweiten Semester legen die Studierenden eine sogenannte Lehrprobe ab,
das heißt, sie planen eigenständig eine Unterrichtseinheit an einer
Pflegeschule – natürlich didaktisch begründet und mit passenden Methoden
vorbereitet – und führen diese mit Auszubildenden an unseren
Kooperationspflegeschulen durch. Die ersten Durchgänge zeigen: Das Format
kommt bei den Studierenden sehr gut an. Auch weil es eine gute Gelegenheit
ist, sich unter realen Bedingungen auszuprobieren und schon früh im
Studium festzustellen: ‚Ist das was für mich oder nicht?‘
Gleichzeitig bereiten wir die angehenden Lehrkräfte auf den Einbezug von
digitalen Medien im Unterricht vor – von KI über Virtual Reality bis zu
digitalen Escape Rooms – können solche Tools auch für das Lehren und
Lernen genutzt werden. Dabei geht aber weniger darum, immer ein ganzes
Feuerwerk an digitalen Hilfsmitteln abzubrennen, als vielmehr genau
abzuwägen: Was passt zu meinen Lehrzielen und was passt zu meinem Kurs?
Mit Grundlagen im „Classroom Management“ thematisieren wir zudem, wie man
souverän mit Störungen im Unterricht umgeht und Lehre und Beziehung zu
Auszubildenden so gestaltet, dass eine positive Lernatmosphäre entsteht.
Die ersten Absolvierenden werden jetzt das Studium abschließen. In welchen
Bereichen werden sie dann tätig sein?
Im Studiengang vermitteln wir didaktische, bildungswissenschaftliche und
pädagogische Kompetenzen, die unsere Absolvierenden befähigen,
pflegebezogene Lehr- und Lernsituationen zu gestalten. Um eine vollwertige
Lehrkraft zu werden, braucht es aber noch einen Master: Für die meisten
unserer Absolvierenden schließt sich darum ein pädagogisches Masterstudium
an einer anderen Hochschule an. Aber auch mit dem Bachelor können sie
schon in der Praxis tätig sein z. B. im theoretischen Unterricht oder als
freie Dozent_innen. Sie haben also die Möglichkeit, neben dem Studium zu
arbeiten. Die allermeisten werden später in Pflegeschulen angestellt sein
oder sich als pädagogische Fachkraft selbstständig machen. Die
Absolvierenden werden schon jetzt händeringend gesucht und der Bedarf wird
in den kommenden Jahren weiter ansteigen – auch weil viele Lehrende in
Rente gehen.
In der Pflege stehen wir insgesamt vor großen Herausforderungen:
Fachkräfte fehlen, Aufgaben werden immer komplexer und der Anteil älterer
Menschen in der Bevölkerung wächst stetig. Wie können Pflegepädagog_innen
die Zukunft positiv mitgestalten?
Eine fundierte Ausbildung legt den Grundstein dafür, dass wir überhaupt
Menschen haben, die langfristig im Bereich Pflege arbeiten können. Je
besser sie qualifiziert sind, desto besser können sie mit den komplexen
Anforderungen in der Pflegepraxis umgehen. Wir bereiten unsere
Studierenden darauf vor, mit zunehmend heterogenen Lerngruppen zu arbeiten
und selbst mit Komplexität umzugehen. Die Kurse in der beruflichen
Pflegebildung sind vielfältig: Wir haben junge Auszubildende, die direkt
nach der mittleren Reife die Ausbildung zur Pflegefachperson beginnen,
aber auch Ältere, die teilweise bereits viele Jahren Berufserfahrung im
Gesundheitswesen mitbringen und sich nun entsprechend qualifizieren
möchten. Daneben gibt es Auszubildende mit Kindern und entsprechenden
Vereinbarkeitswünschen oder internationale Auszubildende. Es ist also wie
im Schulwesen insgesamt: die Skills, die unsere Lehrkräfte mitbringen
müssen, sind enorm vielfältig. Moderner Unterricht muss immer stärker auf
individuelle Bedürfnisse der Lernenden und ihre Vorkenntnisse angepasst
werden.
Nach drei Jahren ist es Zeit, Bilanz zu ziehen, aber auch nach vorn zu
blicken: Gibt es Ideen für eine Weiterentwicklung des Studienangebots?
Unser Fach ist klein, die Atmosphäre familiär und die Studierenden sind
sehr engagiert. Man kennt sich untereinander und ist im ständigen
Austausch. Ihr Feedback fließt direkt in unsere Planungen ein und führt
dazu, dass wir Angebote kontinuierlich verbessern können. Unser
Studiengang ist z. B. eng verzahnt mit der Pflegewissenschaft – das ist
auch sinnvoll und wichtig, weil künftige Auszubildende davon profitieren,
wenn Lehrkräfte wissenschaftliche Methoden und Erkenntnisse in den
Unterricht einbringen können. Die Studierenden haben uns aber
zurückgemeldet, dass es dabei möglichst immer auch um pädagogische Themen
gehen sollte. Das setzen wir jetzt schon um. Außerdem stecken wir gerade
in den Planungen, einen eigenen Masterstudiengangs in dem Bereich auf den
Weg zu bringen. Aber das ist momentan noch Zukunftsmusik…
Weitere Informationen zum Studiengang:
• Studienbeginn: Wintersemester
• Studienform: Vollzeit / Teilzeit
• Dauer: 6 Semester / 9 Semester
• Bewerbungsfrist: 01. Mai-15. Juli
• Doppelbachelor mit Pflegewissenschaft möglich