Quinoa trifft KI: Neue klimaresiliente Sorten für das peruanische Hochland
Drei neue, an Extremklima des Altiplano angepasste Quinoa-Sorten sichern
Ernährung und Einkommen von Kleinbauern | Uni Hohenheim an Züchtungserfolg
beteiligt Künstliche Intelligenz macht es möglich: Drei neue, speziell an das
Extremklima des peruanischen Hochlandes angepasste Quinoa-Sorten sind das
Ergebnis eines aufwändigen Forschungsprojektes der Universidad Nacional
del Altiplano (UNAP) in Peru, der Universität Hohenheim in Stuttgart und
des Pflanzenzüchtungsunternehmens KWS SAAT SE & Co. KGaA. Die neuen Sorten
vereinen hohe Erträge, kürzere Wachstumszeiten und verbesserte Toleranz
gegenüber den widrigen Bedingungen des Klimawandels.
Bei einem feierlichen
Feldtag auf der Versuchsstation der UNAP in Camacani am Titicacasee wurden
sie Ende April 2025 offiziell an Vertreter der beiden traditionellen
Bevölkerungsgruppen des Hochlandes übergeben. Mit diesem Corporate Social
Development Projekt unterstützt KWS die lokalen Landwirt:innen und gibt
das für die Züchtung und die Vermehrung des Saatguts notwendige Know-how
direkt weiter.
Der Klimawandel betrifft nahezu alle Regionen unserer Erde. Besonders
stark spüren ihn jedoch Bergregionen, in denen die Erwärmung schneller als
im globalen Durchschnitt voranschreitet. Aufgrund ihrer besonderen Lage
und klimatischen Verhältnisse hat dies erhebliche Auswirkungen auf die
Landwirtschaft.
So auch im peruanischen Hochland, in dem neben anderen Kulturpflanzen wie
Mais, Ackerbohne und Gerste überwiegend Quinoa (Chenopodium quinoa)
angebaut wird. Quinoa verfügt über gute ernährungsphysiologische
Eigenschaften und ist ein Grundnahrungsmittel der Kleinbauern in der
Andenregion.
In den vergangenen Jahren ist das Wetter im Altiplano, einer ausgedehnten
Hochebene in den Anden, sehr viel unbeständiger geworden. Die bis vor
wenigen Jahrzehnten üblichen, klar abgegrenzten Regen- und
Trockenperioden, in denen die Kleinbauern ihre Aussaat planen konnten,
existieren nicht mehr. Der Beginn der Regenzeit ist unregelmäßiger
geworden, sodass sich die Landwirte kurzfristig an neue Aussaattermine
anpassen müssen. Zudem kann in Trockenjahren die Wachstumsperiode um ein
bis zwei Monate verkürzt sein.
Ein Jahrzehnt intensiver Forschung
„Vor diesem Hintergrund ist es dringend erforderlich Pflanzen zu züchten,
die mit geringeren Niederschlagsmengen auskommen, dennoch hohe Erträge
liefern und vor allem schneller reifen als herkömmliche Sorten“, erklärt
Prof. Dr. Karl Schmid vom Fachgebiet Nutzpflanzenbiodiversität und
Züchtungsinformatik der Universität Hohenheim.
Dieser Aufgabe widmeten sich gemeinsam die Universität Hohenheim und die
Universidad Nacional del Altiplano in Puno, Peru, im Rahmen eines
Corporate Social Development Projects des Pflanzenzüchtungsunternehmens
KWS in Einbeck. Damit übernimmt KWS in verschiedenen Projekten soziale
Verantwortung in benachteiligten Regionen und bringt seine züchterische
Expertise ein. Ziel war es, die peruanischen Landwirt:innen zu
unterstützen, denen oftmals Ressourcen für eine kostenintensive und
schnelle Züchtung klimaresistenter Sorten fehlen.
Vor gut einem Jahrzehnt begannen die Projektbeteiligten damit, sechs der
damals in Peru am häufigsten angebauten Quinoa-Sorten – überwiegend
traditionelle Landsorten – miteinander zu kreuzen und tausende Nachkommen
zu erzeugen. Dabei wurden die regionalen Landwirt:innen in alle
Arbeitsschritte eingebunden.
Künstliche Intelligenz macht es möglich
Über mehrere Jahre hinweg testeten die Projektbeteiligten Merkmale dieser
Kreuzungen wie Ertrag, Ertragsstabilität, Krankheitsresistenz und
Frosttoleranz an verschiedenen Standorten im peruanischen Hochland.
Schließlich konnten sie drei Sorten auslesen, die die gewünschten
Eigenschaften – hohe Erträge und verkürzte Reifezeit – in sich vereinen:
Anmusa Kancharani, Anmusa Taquile und Anmusa Athoja.
Einen wichtigen Beitrag leistete dabei der Einsatz künstlicher
Intelligenz: Um die Höhe der Erträge besser abschätzen zu können, wurden
beispielsweise hunderte Fotografien von Quinoa-Pflanzen auf den
Versuchsfeldern in Peru mittels Deep-Learning-Bildanalyse ausgewertet.
Damit konnte die Form und Dichte der Blütenstände – wichtige Merkmale für
die Ertragsbildung – genetisch charakterisiert werden.
Weitreichende Effekte über den reinen Züchtungserfolg hinaus
„Besonders hervorzuheben ist, dass das Saatgut den Landwirt:innen
kostenfrei zur Verfügung gestellt wird“, betont Prof. Dr. Schmid. „Damit
wollen wir sicherstellen, dass auch Kleinbauern von den Fortschritten der
aktuellen Züchtungsforschung profitieren
Mit Hilfe der UNAP wollen die kleinbäuerlichen Gemeinschaften eigene,
kleine Unternehmen gründen, die die Vermehrung des Saatguts übernehmen. So
wollen die Projektbeteiligten die nachhaltige Nutzung der neuen Sorten
fördern und gleichzeitig wirtschaftliche Anreize für die Region schaffen.
„Neben der Züchtung neuer Sorten ist das Projekt auch ein Paradebeispiel
für die Ausbildung des Nachwuchses“, so Prof Dr. Schmid. Um die
pflanzenzüchterische Kompetenz in Peru langfristig zu stärken, wurden
unter seiner Leitung und in enger Zusammenarbeit mit der UNAP peruanische
Wissenschaftler umfassend in vielfältigen, praxisnahen Methoden
ausgebildet.
„Ein peruanischer Doktorand, der demnächst an der Universität Hohenheim
promovieren wird, sowie etwa zwei Dutzend Studierende der
Agrarwissenschaften an der UNAP waren in das Projekt eingebunden und
lernten dabei modernsten Methoden der Pflanzenzüchtung kennen“, sagt er.
„Durch die rasanten Fortschritte in der KI-Technologie können diese nun
auch für weniger verbreitete Kulturpflanzen wie Quinoa und in Ländern des
Globalen Südens eingesetzt werden.“
Text: K. Schmid / Stuhlemmer