Hans-Böckler-Stiftung vergibt „Maria-Weber-Grants“ an zwei herausragende junge Wissenschaftler
Sie stecken mitten in einer Rush-Hour des (akademischen) Lebens: Junge
Wissenschaftler*innen, die sich in der Postdoc-Phase befinden, sich
habilitieren oder eine befristete Juniorprofessur innehaben. Sie müssen
forschen und publizieren, Lehrveranstaltungen geben und Verwaltungsarbeit
übernehmen, sich austauschen und vernetzen, teilweise in Kombination mit
Kinderbetreuung. Und zugleich immer den akademischen Arbeitsmarkt im Blick
halten.
Das macht Fördermittel wie die „Maria-Weber-Grants“ der Hans-Böckler-
Stiftung, benannt nach der stellvertretenden Vorsitzenden des Deutschen
Gewerkschaftsbundes von 1972 bis 1982, umso wertvoller. Sie geben
ausgewählten Hochschulbeschäftigten die Möglichkeit, sich für einige Zeit
vorrangig auf ihre Forschungsarbeit zu konzentrieren – eine wesentliche
Voraussetzung, um eine feste Professur zu erhalten.
2025 werden zwei herausragende Wissenschaftler mit „Maria-Weber-Grants“
ausgezeichnet, die die Stiftung seit 2018 vergibt. Das sind die
diesjährigen Träger des Grants (ausführlichere Porträts sowie
Informationen zu den in den Vorjahren Ausgezeichneten finden Sie in
unserem unten verlinkten Dossier):
Dr. Jan-Markus Kötter ist Juniorprofessor für Alte Geschichte an der
Heinrich-Heine Universität Düsseldorf, im Sommersemester 2025 vertritt er
den Lehrstuhl für Alte Geschichte an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-
Universität Bonn. Ein Leitmotiv seiner aktuellen Forschung ist die
Analyse, wie Machtzuwachs zu inneren Konflikten führt. Er findet es in der
christlichen Kirche der Spätantike ebenso wie in der adligen
Führungsschicht der aufsteigenden römischen Republik. Die Beschäftigung
mit der Antike schärfe den kritischen Blick auf die Gegenwart, sagt der
Althistoriker. Aber der Prozess sei komplexer als oft gedacht: „Aufgabe
der Geschichtswissenschaft ist es nicht, aus der Geschichte
Handlungsanweisungen für die Gegenwart zur Gestaltung der Zukunft zu
gewinnen“, betont Kötter. „Geschichte ist vergangen – und aufgrund der
zahlreichen Bedingtheiten vergangenen Geschehens nicht wiederholbar.“
Aber: Geschichte eröffne die Einsicht in „Möglichkeitsräume“. Wer
verstehe, warum die Welt so geworden ist, wie sie ist, sehe auch, wie es
hätte anders kommen können.
Dr. Maximilian Waldmann ist als Postdoc wissenschaftlicher Mitarbeiter am
Institut für Bildungswissenschaft und Medienforschung der Fernuniversität
Hagen. Aktuell erforscht er, ob und wie bestimmte Smartphone-Apps dazu
beitragen, dass sich Nutzer*innen mit Digitalisierung, Umweltschutz,
Gleichberechtigung, Diskriminierung, Gesundheit und anderen sogenannten
Schlüsselthemen der Gesellschaft auseinandersetzen. Er will nicht nur
wissen, inwieweit Apps, mit denen zum Beispiel geleistete Carearbeit oder
ein CO2-Fußabdruck erfasst werden können, tatsächlich auf die Veränderung
von Gewohnheiten abzielen. „Ich möchte gern zeigen, dass die Apps noch
weitere Handlungspotenziale besitzen, weil sie bei den Nutzenden Neugier,
Antizipation von Erwartungsdruck, Unsicherheit oder auch Apathie,
Widerwillen und Scham auslösen.“ Was passiert beispielsweise, wenn durch
das digitale Protokollieren von Carearbeit auch individuell sichtbar wird,
was gesamtgesellschaftlich unbestritten ist: dass Frauen den Großteil
dieser Arbeit tragen? Löst die App Konflikte aus, sorgt sie für ein
Umdenken? Oder verführt sie im Gegenteil dazu, die politisch-
gesellschaftliche Ebene einfach auszublenden?
Die Grants der Hans-Böckler-Stiftung dienen dazu, für ein oder zwei
Semester eine Teilvertretung für die Lehrverpflichtungen der
Preisträger*innen zu finanzieren. Dafür erhalten die Hochschulen der
Ausgezeichneten pro Semester jeweils 20.000 Euro Förderung durch das
Begabtenförderungswerk des Deutschen Gewerkschaftsbundes.
Der „Maria-Weber-Grant“ wird jeweils zum September eines Jahres
ausgeschrieben und richtet sich an Habilitierende sowie
Juniorprofessor*innen aller Fachrichtungen. Die neue Ausschreibungsrunde
für die Grants 2025 läuft noch bis zum 15. September (alle Informationen
unten verlinkt).
Der „Maria-Weber-Grant“ schenkt zeitliche Freiräume, damit exzellente
junge Forschende sich profilieren und so eine Chance auf eine dauerhafte
Karriere im Wissenschaftsbetrieb erhalten können. Dabei geht es
keinesfalls darum, Forschung gegen Lehre auszuspielen. Die Bewerber*innen
zeigen deutlich, dass gerade die Postdocs und Juniorprofessor*innen sich
besonders für eine gute Lehre stark machen, sich engagieren und methodisch
fortbilden in einer der wichtigsten Phasen der akademischen Karriere.
Ebenso ist es ein erklärtes Ziel, gute Lehre durch stabile Beschäftigung
langfristig abzusichern. Die Gewerkschaften machen sich seit Langem für
eine verlässliche und faire Personalentwicklung an Hochschulen stark, auch
wenn es dafür noch viel zu tun gibt.
Gleichzeitig steht dieser Grant auch für die Stärkung der Innovation und
wissenschaftlichen Expertise an deutschen Universitäten. Das gilt sowohl
fachlich als auch in der Förderung von Chancengleichheit für Frauen in der
Wissenschaft – gut zwei Drittel der bisherigen Grant-Träger*innen sind
weiblich.
Gemeinsam haben alle Ausgezeichneten, dass sie sich nicht nur mit
interessanten Forschungsinhalten beworben haben, sondern auch durch die
hohe Qualität und Strahlkraft ihrer Arbeit nach außen überzeugen konnten.
Juniorprofessor*innen, die sich auf den Grant bewerben, müssen bereits
eine positive Zwischenevaluation durchlaufen haben, Habilitierende ein
fachliches Gutachten beilegen. Zusätzlich führt die Hans-Böckler-Stiftung
ein Peer-Review-Verfahren durch.