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Das beste Mittel der Gewaltprävention ist Therapie

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Um das Risiko für Gewalttaten durch Menschen mit psychischen Erkrankungen
zu senken, empfiehlt die medizinisch-wissenschaftliche Fachgesellschaft
für Psychiatrie und Psychotherapie DGPPN in einem neuen Positionspapier
insbesondere den Ausbau der Versorgungsstrukturen, der Eingliederungshilfe
und der Sozialpsychiatrischen Dienste. Es brauche keine neuen Regelungen,
sondern die konsequente Nutzung bestehender rechtlicher Möglichkeiten.



„Die wirksamste Maßnahme der Gewaltprävention bei Menschen mit psychischen
Erkrankungen ist eine fachgerechte psychiatrisch-psychotherapeutische
Behandlung“, betont die Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für
Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN)
Prof. Dr. Euphrosyne Gouzoulis-Mayfrank. „Eine konsequente Therapie senkt
nachweislich das Risiko für Gewalttaten. Zusätzlich sind Maßnahmen zur
Förderung der sozialen Integration und Teilhabe essenziell; denn das
Risiko, dass ein Mensch mit einer psychischen Erkrankung gewalttätig wird,
entsteht aus der Wechselwirkung von Erkrankung und weiteren Belastungs-
und Risikofaktoren für Aggression und Gewalttätigkeit, wie dem Konsum von
Drogen oder Alkohol, Gewalterfahrungen, sozialer Isolation, Armut und
Wohnungslosigkeit.“

Um das Risiko für Gewalttaten zu senken, fordert die Fachgesellschaft in
ihrem Positionspapier „Prävention von Gewalttaten“ deshalb dezidiert den
Ausbau geeigneter Behandlungsstrukturen für Menschen mit schweren
psychischen Störungen. Die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie
Euphrosyne Gouzoulis-Mayfrank erläutert: „Wir brauchen flächendeckend
niedrigschwellige Behandlungsmöglichkeiten, die sich flexibel am Bedarf
der Betroffenen orientieren. Gerade schwer erkrankte Personen werden durch
die ambulante psychiatrische Regelversorgung wie auch durch
Psychotherapien häufig nicht erreicht. Deshalb müssen Möglichkeiten
geschaffen werden, die Betroffenen bedarfsadaptiert zu behandeln,
gegebenenfalls auch aufsuchend in ihrem Wohnumfeld. Unterstützung muss
dort angeboten werden, wo sie benötigt wird und die Menschen erreicht.“

Besonders wichtig ist es, jene Betroffenen gezielt zu unterstützen, die
sich bereits in der Vergangenheit aggressiv oder gewaltbereit gezeigt
haben und deshalb in einer psychiatrischen Klinik untergebracht waren. Die
DGPPN empfiehlt, dieser Gruppe eine zusätzliche intensive Betreuung nach
dem Vorbild der bayerischen Präventionsambulanzen zu ermöglichen und dabei
einen besonderen Fokus auf die Früherkennung und Prävention drohender
Gewalt zu legen.

Neuere komplexe Studien belegen für Menschen mit psychischen Erkrankungen
ein statistisch erhöhtes Risiko, Gewalttaten zu begehen; eindeutig
gesichert ist es für Schizophrenien und andere Psychosen,
Substanzkonsumstörungen (Missbrauch/Abhängigkeit von Drogen und Alkohol)
und schwere Persönlichkeitsstörungen. Euphrosyne Gouzoulis-Mayfrank führt
aus: „Zunächst muss betont werden: Die überwiegende Mehrheit der Menschen,
die an diesen Erkrankungen leiden, ist nicht gewalttätig. Aber das Risiko
ist tatsächlich statistisch erhöht. Es steigt, wenn Drogen und Alkohol
konsumiert werden und es sinkt, wenn die Erkrankung adäquat behandelt
wird. Das heißt, wir können eingreifen: Das beste Mittel der
Gewaltprävention ist die konsequente Therapie psychischer Erkrankungen.“

Eine besondere Herausforderung stellen daher jene Patientinnen und
Patienten dar, die in der Vergangenheit durch Aggressivität und
Gewaltbereitschaft aufgefallen sind, sich aber gegen eine Behandlung
aussprechen. „Natürlich müssen vorrangig Maßnahmen eingesetzt werden, um
die Betroffenen zu einer Behandlung zu motivieren“, macht die DGPPN-
Präsidentin deutlich. „In einzelnen Fällen muss aber bei hohem
Aggressionspotenzial auch darüber nachgedacht werden, wann die
Voraussetzungen für eine unfreiwillige Behandlung vorliegen. Aktuell ist
es so, dass eine Unterbringung wegen Selbst- oder Fremdgefährdung
unmittelbar beendet wird, wenn die akute Symptomatik abgeklungen ist, auch
wenn sich der Zustand noch nicht ausreichend stabilisiert hat. Damit ist
mittel- und langfristig weder den Betroffenen noch der Gesellschaft
geholfen.“ Die DGPPN empfiehlt deshalb, diese Praxis unbedingt zu
überdenken.

Weitere Behandlungsanreize ließen sich dadurch setzen, dass man
Unterbringungen unter Auflagen aussetzt. Euphrosyne Gouzoulis-Mayfrank
erläutert: „Die Aussetzung einer gerichtlich beschlossenen Unterbringung
kann mit Auflagen verknüpft werden. Zum Beispiel kann festgelegt werden,
dass der Patient verpflichtend eine medikamentöse Behandlung erhält und
keine Drogen nimmt. Wird gegen die Auflagen verstoßen, kann geprüft
werden, ob die Person zurück in die Klinik muss. Diese Möglichkeit wird
aktuell sehr selten benutzt, dabei eignet sie sich gut, in ausgewählten
Fällen nach einem Klinikaufenthalt die konsequente Therapie
sicherzustellen.“

Die DGPPN-Präsidentin führt weiter aus: „Wir brauchen keine neuen
gesetzlichen Regelungen oder Konstrukte – wir müssen die bestehenden
Möglichkeiten besser anwenden. Register oder die Weitergabe von
medizinischen Daten an Behörden mindern das Gewaltrisiko nicht. Im
Gegenteil: Wenn die Furcht vor Stigmatisierung dazu führt, dass Betroffene
nicht zum Arzt gehen oder sich erst spät behandeln lassen, erhöhen solche
Maßnahmen das Risiko, dass eine Gewalttat begangen wird.“

Das Positionspapier „Prävention von Gewalttaten“ wurde von einer speziell
eingerichteten Arbeitsgruppe der DGPPN unter Einbezug renommierter
Expertinnen und Experten zum Thema verfasst. In dem Papier stellt die
DGPPN wissenschaftliche Daten zum Risiko von Gewalttaten durch psychisch
erkrankte Menschen zusammen und macht Empfehlungen zur Prävention. Mit dem
Positionspapier soll eine fundierte, praxisorientierte und ethisch
reflektierte Grundlage für Diskussionen um mögliche Maßnahmen geschaffen
werden. Das DGPPN-Positionspapier wird von mehr als 20 weiteren Fach- und
Klinikverbänden sowie Angehörigen- und Betroffenengruppen unterstützt.

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