„Integration passiert nicht von allein“ – Wo stehen wir bei der Integration Geflüchteter in Kita und Schule?

Wie gelingt Integration, wenn Tausende geflüchtete Kinder und Jugendliche
auf ein Bildungssystem treffen, das auf deren Ankunft kaum vorbereitet
ist? Anlässlich des Weltflüchtlingstags der Vereinten Nationen am 20. Juni
sprechen die Bildungsforscherinnen Dr. Jutta von Maurice und Dr. Gisela
Will vom Leibniz-Institut für Bildungsverläufe (LIfBi) über Erfolge,
Defizite und Lehren aus fast 10 Jahren Forschung dazu – und erklären,
warum sich die Erfahrungen aus ihren Erhebungen nicht einfach auf die
Situation der geflüchteten Ukrainerinnen und Ukrainer in Deutschland
übertragen lassen.
Die Forscherinnen leiten am LIfBi seit 2016 Längsschnittstudien zur
Bildungsintegration Geflüchteter in Deutschland. Die Daten von 7 der
insgesamt 9 Erhebungen stehen für wissenschaftliche Auswertungen bereits
zur Verfügung und bilden eine einzigartige Datenbasis über die Situation
von geflüchteten Kindern und Jugendlichen im deutschen Bildungssystem.
„Die Kitas und Schulen haben sich einer Riesenherausforderung gestellt und
heute wissen wir, dass sie Enormes geleistet haben“, sagt Dr. Gisela Will.
So besuchen 80 Prozent der geflüchteten Kinder aus der Stichprobe der
LIfBi-Studien nach rund zweieinhalb Jahren Aufenthalt in Deutschland eine
Kindertageseinrichtung – ein hoher Wert, der aber trotzdem unter dem
Durchschnitt anderer Kindergruppen liegt. Der Zugang scheitere häufig
schlicht daran, dass Eltern keinen Platz für ihr Kind finden. Auch in der
Grundschule sei das Bild gemischt: „Wir sehen, dass knapp 7 Prozent der
Kinder separate Klassen für Neuzugewanderte besuchen“, so Will. Eine
gezielte Sprachförderung im Vorschulalter sei hingegen nur bei rund 30
Prozent erfolgt – zu wenig, wie sie betont.
Dr. Jutta von Maurice verweist auf die andauernden Defizite im
Spracherwerb. Die geflüchteten Kinder holen bei den Deutschkenntnissen
zwischen den Testzeitpunkten zwar auf, aber sie schließen zu den
einheimischen Kindern nicht auf. „Die Sprachförderung ist definitiv der
Knackpunkt“, sagt sie und ergänzt: „Die pädagogischen Fachkräfte in
Kindergärten und Schulen müssen gezielt unterstützt werden in den
Aufgaben, die wir ihnen als Gesellschaft übertragen.“
Auf die Geflüchteten aus der Ukraine sind die Erkenntnisse aus den LIfBi-
Studien jedoch nur bedingt übertragbar. Beispielsweise waren die
Bildungsbiografien dieser Gruppe durch die Flucht weniger stark
unterbrochen. Gleichzeitig sei das Bildungssystem in Deutschland besser
vorbereitet gewesen als es Mitte der 2010er Jahre der Fall war.
Die Forscherinnen fordern, Integration nicht dem Zufall zu überlassen. Von
Maurice betont: „Die Gesellschaft in Deutschland wird immer heterogener
und dies spiegelt sich auch in den Klassenzimmern und
Kindertageseinrichtungen wider. Eine bessere Ausstattung der
Bildungseinrichtungen mit gut qualifiziertem Personal würde nicht nur
geflüchteten, sondern allen Kindern und Jugendlichen in unserem Land
zugutekommen.“
Das komplette Interview mit Dr. Jutta von Maurice und Dr. Gisela Will ist
zum Abdruck freigegeben und wurde im Juni 2025 von Iris Meyer geführt.
Hintergrund:
Die Studien „ReGES – Refugees in the German Educational System“
(abgeschlossen) und „Bildungswege von geflüchteten Kindern und
Jugendlichen“ (laufend) wurden bzw. werden bislang vom Bundesministerium
für Bildung und Forschung – jetzt Bundesministerium für Forschung,
Technologie und Raumfahrt – gefördert. Sie begleiten mehr als 4.800
geflüchtete Kinder und Jugendliche und liefern einzigartige Daten zur
Integration Geflüchteter in und durch das deutsche Bildungssystem.