Reset Pflegeversicherung: 14 Thesen zur Reform von Pflege und Teilhabe
Veröffentlichung „Strukturreform Pflege und Teilhabe III“ von Prof. Dr.
Thomas Klie, Michael Ranft und Nadine-Michèle Szepan
Einen „Reset“ in der Pflege fordern Prof. Dr. Thomas Klie, Michael Ranft
und Nadine-Michèle Szepan. Wie der gestaltet werden sollte, das
beschreiben sie in der Veröffentlichung des Kuratoriums Deutsche
Altershilfe (KDA) mit dem Titel „Strukturreform Pflege und Teilhabe III“.
Die in 14 Thesen gegliederte Veröffentlichung verstehen die Autoren
ausdrücklich auch als konkrete Handlungsempfehlung für die Politik, hier
insbesondere adressiert an die neue Bundesregierung.
Die Veröffentlichung setzt die Schriftenreihe „Pflegepolitik
gesellschaftspolitisch radikal neu denken“ des Kuratoriums Deutsche
Altershilfe (KDA) fort. Sie knüpft sowohl an den entsprechenden Text von
Frank Schulz-Nieswandt aus dem Februar 2020 an als auch an die
Veröffentlichungen „Strukturreform Pflege und Teilhabe“ I und II.
Die Einführung der gesetzlichen Pflegeversicherung im Jahr 1995 – nach
20-jähriger Diskussion, die nicht zuletzt durch das KDA betrieben wurde –
als fünfte Säule der deutschen Sozialversicherung war ein Meilenstein der
Sozialpolitik. In diesem Jahr ist die Pflegeversicherung 30 Jahre alt.
Mehr als 90 Mal wurde sie bisher verändert. Doch nun, so die Autoren,
stehe Deutschland nicht nur wegen des demografischen Wandels „vor einer
neuen Qualität von Herausforderungen“, die mit den „bisherigen Strategien
der deutschen Pflegepolitik nicht mehr beantwortet werden können“.
Bevölkerung wünscht sich Reform der Pflege
Eine soziale Pflegeversicherung, die das Versprechen enthält, dass auf
Pflege angewiesene Bürgerinnen und Bürger, egal wo sie leben, gut versorgt
und unterstützt werden, wird nicht ohne eine grundlegende Reform
auskommen. Davon ist auch die Bevölkerung überzeugt, die ganz mehrheitlich
diese Auffassung teilt. Und dies nicht nur unter ökonomischen
Gesichtspunkten: Die Pflegeversicherung ist keineswegs demografiefest
finanziert, ihre Tragfähigkeit und Akzeptanz ist gefährdet.
Die Herausforderungen bestehen schon kurzfristig darin, dass mit weniger
Pflegefachpersonen mehr auf Pflege angewiesene Menschen versorgt werden
müssen. Wie kann das gelingen? In bestimmten Regionen ist schon heute die
pflegerische Versorgung in ambulanten und stationären Einrichtungen der
Langzeitpflege nicht mehr gewährleistet. Es geht also um wesentlich mehr
als Fragen der Deckelung der Eigenanteile. Die Sicherstellung der
pflegerischen Versorgung und Unterstützung in der Fläche ist die zentrale
Herausforderung. Wie kann das gelingen?
Teilhabe im gewohnten Umfeld ermöglichen
Zahlreiche, teilweise auch konkurrierenden Vorschläge liegen auf dem
Tisch, aber ein gemeinsames, gesellschaftlich getragenes Narrativ fehlt.
Hier bietet die Veröffentlichung nicht nur eine Analyse, sondern macht
auch konkrete Vorschläge auf Grundlage einer Vision, wie Menschen mit
Pflege- und Unterstützungsbedarfen Teilhabe im gewohnten Umfeld ermöglicht
werden.
Autorin Nadine-Michèle Szepan und Autoren Prof. Dr. Thomas Klie sowie
Michael Ranft benennen konkrete Punkte, bei denen ein neuer Zuschnitt
angepasst werden muss. Hier führen sie etwa die veränderten Familien- und
Sorgestrukturen an, Personalengpässe und Zuständigkeitseinschränkungen,
Disparitäten in der Versorgungssituation in Ländern und Kommunen, fehlende
Verknüpfung des Leistungsrechts nach dem SGB XI mit familiären und
zivilgesellschaftlichen Sorgestrukturen, den unübersichtlichen
Regelungsdschungel oder die steigenden Kosten. Dabei gehe es um weit mehr
als um eine Weiterentwicklung des SGB XI, betonen sie.
Ehrliches Zielbild entwerfen
Eine der zentralen Empfehlungen betrifft die Kommunen: Sie müssten
„revitalisiert“ und befähigt werden, um ihre Aufgaben im Bereich der
Daseinsvorsorge – und hier ausdrücklich unter Einbeziehung der Pflege –
erfüllen zu können. Dabei sollten zivilgesellschaftliche Akteure vor Ort
eingebunden und vernetzt werden. Zudem, so eine weitere Forderung, sollte
ein „politikfeldübergreifender, realistischer Blick auf die Themen Sorge,
Pflege und gesundheitliche Versorgung“ die Neugestaltung der Pflege
begleiten. Außerdem sollte eine gesamtgesellschaftliche Diskussion den
Prozess der Überarbeitung begleiten.
Insgesamt werde der Prozess in Stufen über mehr als eine Legislatur
gestaltet werden müssen. Dazu mahnen die Autoren ein „ehrliches Zielbild“
der gesundheitlich-pflegerischen Versorgung in Deutschland auch mit Blick
auf die Kosten an. Hier, so stellen die Autoren u.a. mit Blick auf die
Wahlprogramme fest, seien die Bürger schon deutlich weiter als die
Politik.
Breit diskutieren
Um ein Zielbild zu festigen, das über eine Legislatur hinaus trägt, ist
eine begleitende, gesamtgesellschaftliche Diskussion notwendig. Auch dazu
bietet das Papier „fachlich fundierte Impulse“.
Mit dem Papier „Strukturreform Pflege und Teilhabe III“ melden sich die
Autoren erneut (Hoberg et al. 2013; Klie et al. 2021) zum Start einer
neuen Legislaturperiode zu Wort. Das Papier beschreiben sie als „das
Ergebnis eines langen und breit geführten Diskussionsprozesses“ – mit
zahlreichen relevanten Akteuren der Gesundheits-, Pflege- und
Teilhabepolitiken auf allen staatlichen Ebenen, mit Verbänden, dem
parlamentarischen Raum und der Wissenschaft. Konkrete Antworten zu geben
auf die aktuellen Herausforderungen – und die der Zukunft, das ist die
Intention dieser Veröffentlichung.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Dr. Alexia Zurkuhlen, Vorständin des KDA:
Originalpublikation:
https://kda.de/resert-pflegeve
reform/