Sensorbox liefert Echtzeit-Geodaten für die digitale Stadtplanung
Immer mehr Kommunen bauen urbane digitale Zwillinge auf. Dabei gilt: Je
aktueller und präziser die Daten, desto genauer lassen sich Prozesse
innerhalb des virtuellen Stadtabbildes simulieren.
Eine am Fraunhofer IPM
entwickelte mobile Sensorbox erfasst hochpräzise 3D-Geodaten von Bussen,
Taxis oder Müllfahrzeugen aus. So kann das urbane Umfeld zeitlich
engmaschig aufgenommen werden, ohne dass spezielle Messfahrzeuge im
Einsatz sind.
Was früher das Reißbrett war, wird in Zukunft der digitale Zwilling sein:
Ein virtueller dreidimensionaler Raum, in dem sich kommunale Projekte
planen lassen – vom Netzausbau über die Verkehrswegeplanung und
-instandhaltung, die Energieversorgung, Gefahrenkarten bis hin zu
Besucherströmen bei Großveranstaltungen. Daten sind der Rohstoff für
solche digitalen Stadtmodelle, wobei georeferenzierte räumliche Daten das
Grundgerüst bilden. Diese 3D-Daten sind im Raum verortet und stammen aus
unterschiedlichen Quellen, z. B. aus Satelliten- und Luftaufnahmen, vor
allem aber aus Befahrungen mit Messfahrzeugen, die das Stadtgebiet
mithilfe von Laserscannern und Kameras turnusmäßig üblicherweise alle ein
bis zwei Jahre vermessen.
Plug & Measure: Robuste Sensorik – mit Saugnäpfen auf dem Fahrzeugdach
befestigt
Das am Fraunhofer IPM entwickelte Sensorsystem MUM mini (Mobile Urban
Mapping System) schafft nun die Voraussetzung dafür, hochgenaue digitale
Infrastrukturdaten zeitlich engmaschiger als bisher zu erfassen und
instantan für digitale Stadtmodelle zur Verfügung zu stellen. Die gesamte
Sensorik – bestehend aus zwei Laserscannern, mehreren Kameras,
Positionierungseinheit, Rechen- und Speichermedien sowie der
Stromversorgung – ist in einer kompakten Box untergebracht. Das zirka 20
Kilogramm leichte System ist nicht viel größer als zwei Schuhkartons und
kann mithilfe von Saugnäpfen auf dem Dach beliebiger Fahrzeuge installiert
werden. So werden Müllwagen, Taxis oder Busse zu Messfahrzeugen. »Unsere
Sensorbox nimmt kontinuierlich Daten der Umgebung auf«, sagt Professor Dr.
Alexander Reiterer, Leiter der Abteilung Objekt- und Formerfassung am
Fraunhofer IPM. »Im Grunde ähnlich wie eine Smart Watch für den Menschen,
nur eben für die Stadt.«
Intelligente Datenauswertung in Echtzeit
In einem automatisierten Prozess erkennen und klassifizieren spezifisch
trainierte KI-basierte Algorithmen typische Objekte des urbanen Umfelds in
den Kameradaten. Die Daten sind so genau, dass auch schmale Objekte wie z.
B. Zäune, Schilder, Mülleimer oder Bäume erkannt werden. Durch Fusion mit
den 3D-Daten der Laserscanner entsteht ein präzises dreidimensionales
Abbild der Umgebung, die sogenannte 3D-Punktwolke, in der jeder Punkt
eindeutig im Raum verortet ist. Um die großen Datenmengen in Echtzeit für
digitale Stadtmodelle bereitstellen zu können, werden die Messdaten noch
auf dem Fahrzeug mit einer speziellen KI vorverarbeitet und reduziert und
vor dem lokalen Speichern automatisch anonymisiert. Über das 5G-Netz
können sie direkt in Geoinformationssysteme gestreamt werden. Das System
wurde im Rahmen des im Frühjahr 2025 abgeschlossenen Projekts MuSiS
entwickelt.
Unterwegs in mehreren Städten
Erste Messfahrten fanden in Heidelberg statt. Seit März ist MUM mini in
Wuppertal unterwegs und wird bis Ende 2026 Messkampagnen zu
unterschiedlichen Jahreszeiten durchführen. Fraunhofer IPM und die Stadt
Wuppertal kooperieren im Rahmen der Forschungskooperation »DigiTal
Zwilling«, die vom Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und
Bauwesen gefördert wird. Auch die Stadt Freiburg plant Messfahrten mit dem
MUM mini-System für ihre digitale Stadtentwicklung.
Hintergrund
Projekt MuSiS
Die Forschungsarbeiten zur Entwicklung des MUM mini-Systems erfolgten im
Rahmen des Projekts MuSiS (Multimodaler digitaler Zwilling für eine
sichere und nachhaltige Stadt). Das Projekt wurde vom Rahmen des
Förderprogramms Invest BW vom Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und
Tourismus gefördert.
Projektpartner
• Fraunhofer-Institut für Physikalische Messtechnik IPM
• incontext.technology GmbH
Assoziierte Partner
• Stadt Freiburg
• Freiburger Verkehrs AG
• Digital-Agentur Heidelberg GmbH
• Verband Region Rhein-Neckar