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Mit Abnehmspritzen gegen Alzheimer-Demenz?

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GLP-1-Rezeptoragonisten und SGLT2-Inhibitoren könnten nach einer neuen
Studie das Alzheimer-Risiko senken. Ähnliches hatten auch schon andere
Erhebungen gezeigt.

Allerdings handelt es sich nicht um randomisierte
Studien, weshalb die Deutsche Gesellschaft für Neurologie im Hinblick auf
Empfehlungen zur Alzheimer-Prophylaxe zurückhaltend ist. Dafür seien mehr
Daten erforderlich. Eine vergleichbar hohe Reduktion des Demenzrisikos
könne ebenso durch Lebensstilmodifikationen erreicht werden – und zwar mit
deutlich weniger Kosten, nebenwirkungsfrei und vor allem nachhaltig. Denn
was nach Absetzen der „Abnehmspritze“ im Hinblick auf das Demenzrisiko
passiert, ist bisher nicht erforscht.

Bei den Abnehmspritzen handelt es sich um sogenannte
GLP-1-Rezeptoragonisten, die derzeit für die Behandlung von Diabetes
mellitus Typ 2 (in Kombination mit Antidiabetika) und von krankhaftem
Übergewicht (Adipositas) zugelassen sind. Doch auch bei der letzteren
Indikation bezahlen die Krankenkassen die Therapie in der Regel nicht,
auch, weil es andere nachhaltigere Wege gibt, um Körpergewicht zu
reduzieren. „Diese sind aber mit Verzicht und Anstrengung verbunden,
weshalb sich die Abnehmspritzen derzeit großer Beliebtheit erfreuen, und
zwar auch bei Menschen, die weder unter Diabetes noch unter Adipositas
leiden, sondern die einfach nur ein paar Kilo Gewicht verlieren wollen“,
erklärt Prof. Dr. Peter Berlit, Generalsekretär der DGN. Den Einsatz als
Lifestyle-Medikament sieht die neurologische Fachgesellschaft kritisch,
obwohl sich Hinweise mehren, dass GLP-1-Rezeptoragonisten und andere
moderne Diabetes-Medikamente wie sogenannte SGLT2-Inhibitoren das Risiko
für Alzheimer senken könnten.

Das zeigte kürzlich eine sogenannte Zielversuchsemulationsstudie [1]. In
dieser Studienart wird versucht, mit Daten aus Beobachtungsstudien eine
randomisierte kontrollierte Studie (RCT) zu simulieren. Zugrunde gelegt
wurden elektronische Gesundheitsdaten aus Florida, aus denen zwischen 2014
und 2023 Personen über 50 Jahre mit einem Diabetes Typ 2 und ohne Hinweis
auf eine vorbestehende Alzheimer-Erkrankung ermittelt wurden. Diese wurden
dann in drei Kohorten unterteilt: Erstens jene, die
GLP-1-Rezeptoragonisten vs. andere Glukose-reduzierende Medikamente
erhielten (33.358 Personen, Durchschnittsalter 65 Jahre, 55,3 % waren
weiblich). Zweitens jene, die SGLT2-Inhibitoren vs. andere Glukose-
reduzierende Medikamente erhielten (34.185 Personen, Durchschnittsalter
65,8, 49,3 % weiblich), und, drittens, eine Kohorte bestehend aus 24.117
Patientinnen und Patienten (Durchschnittsalter 63,8, 51,7 % weiblich), in
der GLP-1-Rezeptoragonisten und SGLT2-Inhibitoren im Hinblick auf das
Alzheimer-Risiko verglichen wurden. Im Ergebnis zeigte sich, dass sowohl
die mit GLP-1-Rezeptoragonisten als auch die mit SGLT2-Inhibitoren
Behandelten ein signifikant geringeres Alzheimer-Risiko aufwiesen als
jene, die mit anderen Glukose-senkenden Medikamenten behandelt worden
waren. Es gab im Hinblick auf die vor Alzheimer schützende Wirkung keinen
Unterschied zwischen den GLP-1-Rezeptoragonisten und den
SGLT2-Inhibitoren. Ein aktuelles Review [2] hingegen zeigte nur für
GLP-1-Rezeptoragonisten eine statistisch signifikante Verringerung des
Demenz-Risikos.

Was sind die Ursachen für diese erstaunliche (Neben-)Wirkung der neuen
Diabetes-Medikamente? „Den genauen Mechanismus kennt man nicht, aber es
gibt viele Hypothesen: Zum einen könnten die Medikamente, die beide
ähnliche Signalwege aktivieren, die Neuroinflammation hemmen, die auch bei
der Alzheimer-Erkrankung eine Rolle spielt. Ebenso könnte ihre positive
Wirkung auf die Gefäßgesundheit den vor Alzheimer schützenden Effekt mit
sich bringen – Hirn- und Gefäßgesundheit hängen eng miteinander zusammen“,
erklärt Prof. Berlit.

Wie der Experte weiter ausführt, mehren sich die Hinweise, dass
insbesondere die Abnehmspritzen vor Demenz schützen könnten [3, 4],
dennoch bleibt er vorsichtig: „Es handelt sich um retrospektiv gewonnene
Daten, keine kontrollierten randomisierten Studien. Die Ergebnisse aus
laufenden Phase-3-Studien zu den GLP-1-Rezeptor-Agonisten müssen wir
abwarten. Die möglichen Risiken einer Langzeittherapie sind auch noch
nicht vollständig geklärt.“ Bekannte Nebenwirkungen seien Magen-Darm-
Beschwerden, Hypotonie, Synkopen, Arthritis, Nephrolithiasis,
interstitielle Nephritis und arzneimittelinduzierte Pankreatitis [5].

Die DGN empfiehlt eine gesunde Lebensführung mit Fokus auf Bewegung,
gesunde Ernährung und soziale Kontakte sowie die Korrektur von Seh- und
Hörstörungen. „Mit diesen Präventionsmaßnahmen kann das Demenzrisiko um
bis zu 45 % gesenkt werden [6] – und das ganz ohne Nebenwirkungen“, betont
Berlit.

Der Experte gibt noch eine weitere Limitation der Abnehmspritzen zu
bedenken: Sie bekämpfen nicht die Ursache des Problems (Fehlernährung und
Bewegungsmangel), sondern das Symptom und müssen entsprechend als
Dauertherapie eingenommen werden. Denn, wenn sie abgesetzt werden, ist es
wahrscheinlich, dass die Behandelten schnell wieder ihr Ausgangsgewicht
erreichen. „Eine aus Wissenschaftssicht spannende Frage ist, was dann im
Hinblick auf das Demenzrisiko passiert. Es gibt mehrere Studien [7, 8],
die zeigen, dass relevante Gewichtsveränderungen, übrigens in beide
Richtungen, im höheren Alter die Demenzentstehung nach 5 und mehr Jahren
begünstigen könnten.“

[1] Tang H, Donahoo WT, DeKosky ST et al. GLP-1RA and SGLT2i Medications
for Type 2 Diabetes and Alzheimer Disease and Related Dementias. JAMA
Neurol. 2025 May 1;82(5):439-449. doi: 10.1001/jamaneurol.2025.0353. PMID:
40193118; PMCID: PMC11976648.

[2] Seminer A, Mulihano A, O'Brien C et al. Cardioprotective Glucose-
Lowering Agents and Dementia Risk: A Systematic Review and Meta-Analysis.
JAMA Neurol. 2025 May 1;82(5):450-460. doi: 10.1001/jamaneurol.2025.0360.
PMID: 40193122; PMCID: PMC11976645.

[3] Wang W, Wang Q, Qi X et al. Associations of semaglutide with first-
time diagnosis of Alzheimer's disease in patients with type 2 diabetes:
Target trial emulation using nationwide real-world data in the US.
Alzheimers Dement. 2024 Dec;20(12):8661-8672. doi: 10.1002/alz.14313. Epub
2024 Oct 24. PMID: 39445596; PMCID: PMC11667504.

[4] De Giorgi R, Koychev I, Adler Al et al. 12-month neurological and
psychiatric outcomes of semaglutide use for type 2 diabetes: a propensity-
score matched cohort study. EClinicalMedicine. 2024 Jul 10;74:102726. doi:
10.1016/j.eclinm.2024.102726. PMID: 39764175; PMCID: PMC11701436.

[5] Xie Y, Choi T, Al-Aly Z. Mapping the effectiveness and risks of GLP-1
receptor agonists. Nat Med. 2025 Mar;31(3):951-962. doi:
10.1038/s41591-024-03412-w. Epub 2025 Jan 20. Erratum in: Nat Med. 2025
Mar;31(3):1038. doi: 10.1038/s41591-025-03542-9. PMID: 39833406.
[6] Livingston G, Huntley J, Liu KY et al. Dementia prevention,
intervention, and care: 2024 report of the Lancet standing Commission.
Lancet. 2024 Aug 10;404(10452):572-628. doi:
10.1016/S0140-6736(24)01296-0. Epub 2024 Jul 31. PMID: 39096926.

[7] Park S, Jeon SM, Jung SY et al. Effect of late-life weight change on
dementia incidence: a 10-year cohort study using claim data in Korea. BMJ
Open. 2019 May 20;9(5):e021739. doi: 10.1136/bmjopen-2018-021739. PMID:
31110079; PMCID: PMC6530413.

[8] Lee CM, Woodward M, Batty GD et al. Association of anthropometry and
weight change with risk of dementia and its major subtypes: A meta-
analysis consisting 2.8 million adults with 57 294 cases of dementia. Obes
Rev. 2020 Apr;21(4):e12989. doi: 10.1111/obr.12989. Epub 2020 Jan 3. PMID:
31898862; PMCID: PMC7079047.

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