Weltbienentag am 20. Mai: 40 Wildbienenarten in Deutschland bereits ausgestorben
Wildbienen gelten als Nahrungsspezialisten. Häufig sammeln sie ihren
Nektar nur an wenigen oder sogar nur an einer einzigen Pflanze. Fehlt
diese, fehlen in dem Gebiet auch die Wildbienen, die auf sie spezialisiert
sind.
In Deutschland sind etwa 600 Arten davon bekannt, von denen bereits
40 Arten ausgestorben und über 50 Prozent gefährdet sind, wie die
Tierärztinnen Dr. Julia Dittes und Dr. Ilka Emmerich von der
Veterinärmedizinischen Fakultät der Universität Leipzig anlässlich des am
20. Mai bevorstehenden Weltbienentages sagen. Die beiden Expertinnen
betreuen die Honigbienenvölker ihrer Fakultät und kennen sich nicht nur
mit Wildbienen aus.
Wie geht es den Honig- und den Wildbienen in Deutschland zurzeit? Sind sie
vom Aussterben bedroht?
Dr. Ilka Emmerich: Zur Beantwortung dieser Frage muss klar zwischen vom
Menschen gehaltenen staatenbildenden Honigbienen (Apis mellifera L.) und
sämtlichen anderen Bienenarten der Überfamilie Apoidea, den sogenannten
Wildbienen, unterschieden werden. Die Honigbiene ist ein gehaltenes
Nutztier, dessen Tierhalter Verantwortung für Gesundheit und Überleben
trägt. Als Nahrungsopportunisten fliegen sie die verschiedensten Blüten
an, bevorzugen dabei jedoch Massentrachten und verhalten sich blüten- und
pflanzenstet, das heißt, sie fliegen solange eine Tracht an, bis von dort
kein Nektar mehr eingetragen werden kann.
Die wild lebenden meist solitären Wildbienen dagegen sind
Nahrungsspezialisten. Häufig sammeln sie Nektar nur an wenigen oder sogar
nur an einer einzigen Pflanze. Fehlt diese Pflanze, gibt es auch diese auf
sie spezialisierte Wildbienen nicht. In Deutschland sind etwa 600
Wildbienenarten bekannt, von denen bereits 40 Arten ausgestorben und über
50 Prozent gefährdet sind. Trotz der vermeintlichen Nahrungskonkurrenz
zeigen neuere Studien aus National Parks, dass sich Honig- und Wildbienen
nicht negativ beeinflussen müssen und eine Existenz nebeneinander möglich
ist. Denn beide haben mit denselben Problemen zu kämpfen.
Wie sieht die Situation weltweit aus?
Dr. Julia Dittes: Die Betrachtung der globalen Situation ergibt ein
ähnliches Bild wie in Deutschland. Seit 1961 steigt weltweit die absolute
Anzahl gehaltener Honigbienenvölker jährlich an, auch wenn heute keine
deutlichen Anstiege mehr zu verzeichnen sind. Im Jahr 2023 gab es 102,06
Millionen Honigbienenvölker insgesamt, die je nach geographischer Region
unterschiedlich gehalten und betreut werden. So werden zu Beispiel in
afrikanischen Staaten eher Top Bar Hives verwendet und Bienenstöcke
hängend in Bäumen oder Gestellen angebracht, während sie in Europa meist
in Magazinbeuten in der Regel auf Beutenböcken auf dem Boden stehen.
Wildbienen, aber auch Honigbienen, sind mit einem unterschiedlich starken
Grad der Bebauung, landwirtschaftlicher Nutzung und Verfügbarkeit von
blühenden Pflanzen konfrontiert.
Mehr als 20.000 Wildbienenarten bestäuben in den verschiedenen Ländern der
Welt Blumen, in Europa sind es alleine 2.000. Jedoch steigt die Anzahl
wirbelloser Tierarten und damit auch Wildbienen auf der roten Liste an.
Viele haben den Status bedroht. Ursachen dafür sind vielfältig und
menschgemacht. Vor allem die intensive Landwirtschaft mit Monokulturen und
die vor allem unsachgemäße Anwendung von Pestiziden schränken Lebensräume
und Nahrungsangebot ein und verdrängen Arten. Auch die Rodung von
Waldflächen und die Verstädterung in vielen Ländern der Erde vernichten
Lebensräume und führen zum Insektensterben, von dem nicht nur die
Wildbienen betroffen sind.
Wie haben sich die Bienenbestände generell entwickelt?
Dr. Ilka Emmerich: Auch in Deutschland ist weiterhin ein kontinuierlicher
Anstieg der Anzahl gemeldeter Bienenvölker zu verzeichnen, obwohl die
Zuwächse nicht mehr so stark wie zwischen 2014 und 2020 sind. Trotz circa
einer Million gehaltener Honigbienenvölker in Deutschland im Jahr 2024
deckt deren Honigertrag lediglich 37 Prozent der Selbstversorgung ab.
Imkern erfreut sich nach wie vor großer Beliebtheit und findet als
naturnahes Hobby immer wieder neue Begeisterte. Besonders in Städten
erhöht auch die Balkon- und Dachimkerei die Anzahl an gehaltenen
Honigbienenvölkern.
Jedoch bringt sie manchmal auch Probleme mit sich, insbesondere wenn die
Grundsätze der guten imkerlichen Praxis nicht beachtet werden und
unsachgemäß mit Honigbienenvölkern umgegangen wird. Erkranken die Völker
dann an übertragbaren Krankheiten und sind weder beim Veterinäramt noch
bei der Tierseuchenkasse gemeldet, sind auch umliegende Imkereien
gefährdet, und gezielte Bekämpfungsmaßnahmen werden erschwert. Daher
sollte man sich gut informieren, den Kontakt zum lokalen Imkerverein
suchen und erste Erfahrungen bei einem Bienenpaten sammeln, bevor man sich
ein Honigbienenvolk zulegt. Aus Naturschutzgedanken ein Honigbienenvolk in
den Garten zu stellen und sich dann selbst zu überlassen, ist nicht der
richtige Weg und schon allein aus Tierschutzgründen abzulehnen.
Was sollte geschehen, damit sich vor allem die Zahl der Wildbienen wieder
erhöht?
Dr. Julia Dittes: Da die Hauptprobleme schwindende Lebensräume und
mangelndes beziehungsweise falsches Nahrungsangebot sind, sollte hier das
Hauptaugenmerk liegen. Wir müssen als Menschen endlich beginnen, nicht nur
Lebensräume zu erhalten, sondern auch wieder zurückzugeben. Dazu kann
jeder einzelne mit einfachen Maßnahmen einen Beitrag leisten, zum Beispiel
indem er Blühflächen anlegt, Nistmöglichkeiten mit vielseitig durchdachten
Insektenhotels schafft, weniger Flächen versiegelt oder eine wilde Ecke im
Garten zulässt. Legen Sie einen bienenfreundlichen Garten an, in dem zu
jeder Zeit etwas blüht. Informationen zu bienenfreundlichen Pflanzen
finden sich zum Beispiel beim Bundesministerium für Landwirtschaft,
Ernährung und Heimat. Wichtig ist es hier, auf die Nutzbarkeit durch
Bienen zu achten. Eine gefüllte Blüte ist für uns vielleicht schön
anzusehen, für Nektar- und Pollensammler jedoch nutzlos. Und wer die lokal
gehaltenen Honigbienen unterstützen möchte, kann beispielsweise seinen
Honig beim Imker vor Ort kaufen und auf den Griff nach dem häufig aus
Nicht-EU-Ländern stammenden Honig im Supermarktregal verzichten.
Was wird in Deutschland für die Erholung der Bienenbestände getan?
Dr. Ilka Emmerich: In Deutschland gibt es verschiedene Projekte, die sich
dem Schutz der Bienen widmen. So gibt es in Sachsen beispielsweise das
Projekt „iNUVERSUMM – Raum und Zeit für Insekten", ein sächsisches
Mitmachprojekt, das sich dafür einsetzt, Lebensräume für Insekten zu
schaffen und zu erhalten, um damit die Lebensbedingungen für Insekten im
Siedlungsraum zu verbessern. Des Weiteren gibt es im Müglitztal seit 2019
den „Bienenwald Sachsens“ mit einer Fläche von mehr als vier
Fußballfeldern und mittlerweile 30 verschiedenen Baum- und Straucharten.
Dabei handelt es sich um ein lebendiges Ökosystem, das den klimatischen
Herausforderungen der Zukunft gewachsen ist und einer Vielzahl bedrohter
Tier- und Insektenarten als Rückzugsort und Nahrungsquelle dienen soll.
Auch mit der Bienenerlebniswelt hat der Verein Lebensträume Neugersdorf
e.V. einen Wissensparcours zum Thema Bienen geschaffen, der Wissen in die
Bevölkerung transferiert und schon die Kleinsten spielerisch an das Thema
heranführt. Die Initiative „Deutschland summt“ greift den Gedanken des
Bienenschutzes deutschlandweit auf und fördert verschiedene Projekte zum
Anlegen von Blühwiesen.