Backmarathon: Farbweizen für Vollkorn-Muffel

Farbige Weizensorten könnten eine gesunde, schmackhafte Alternative zu
herkömmlichem Vollkornbrot darstellen, sagen Forschende der Uni Hohenheim.
Bunt und lecker, aber in Deutschland bisher kaum etabliert: Weißer und
purpurner Weizen sind zwar weniger ertragreich als herkömmliche
Weizensorten, könnten jedoch eine Ernährung mit Vollkorn attraktiver zu
machen.
Zum Beispiel, weil sie hellere Backwaren liefern, weniger nach
Vollkorn schmecken oder gängige Weizensorten durch ein breites Spektrum an
Inhaltsstoffen überbieten. Nun haben sie auch den Praxis-Test bestanden:
Dass Farbweizen im Bäckereihandwerk ansprechende und schmackhafte Brote
liefern kann, belegte ein zweitägiger Backmarathon mit Forschenden der
Universität Hohenheim in Stuttgart und dem Bäckereibetrieb BeckaBeck in
Römerstein.
Weiß und gelb, rot und purpurfarben: Seit sechs Uhr morgens geht es in der
Backstube des BeckaBeck in Römerstein bunt zu. Es wird gemahlen, geknetet
und gebacken – alles im Dienste der Wissenschaft. Insgesamt 75 Vollkorn-
Testbrote aus 25 verschiedenen Weizensorten stellen die beiden
Bäckermeister Heiner Beck und Christian Böck am Donnerstag, den 8. Mai
2025 her.
Die im Backmarathon verwendeten sechs weißen, acht roten und zehn
purpurnen Weizensorten sowie eine Gelbweizensorte akquirierte Prof. Dr.
Longin von der Landessaatzuchtanstalt der Universität Hohenheim im In- und
Ausland. Es folgten mehrere Jahre Saatgut-Vermehrungen, in denen die am
besten angepassten Sorten für Deutschland ausgewählt wurden. Anschließend
startete die größere Feldstudie mit der Aussaat im Oktober 2022: „Während
Europa vor allem auf den roten Weizen setzt, ist weißer Weizen für die
Gebäckherstellung populär in den USA, Australien und Neuseeland“, so der
Weizen-Experte. Auch purpurne Weizensorten seien hierzulande nur schwer zu
finden. Er und sein Kollege Prof. Dr. Mario Jekle, Fachgebiet Pflanzliche
Lebensmittel haben die Weizensorten zuvor in umfassenden Feld- und
Laboranalysen untersucht.
„Weiße und purpurne Weizensorten schnitten im Feld überraschend gut ab“,
erklärt Prof. Dr. Longin. „Und wir denken, dass weiße und purpurne Weizen
einiges zu einer gesunden Ernährung mit Brot beitragen können.“
Im Praxisbackversuch wollen die Forschenden daher testen, ob die
Farbweizen-Sorten auch qualitativ und geschmacklich mit dem in Deutschland
gängigen roten Weizen mithalten können. Mit Ausnahme der Mehlsorte wird
für alle Testbrote dasselbe Rezept verwendet. Auch die Ruhezeiten sowie
die Backtemperatur sind bei allen Broten identisch. Lediglich die
Knetzeiten und Wassermengen passen die Bäckermeister den jeweiligen
Eigenschaften der unterschiedlichen Mehle an. Eine professionelle Aroma-
und Geschmacksbeurteilung der Brote durch die vier Experten findet am
darauffolgenden Tag statt.
Vollkornbrote bisher wenig attraktiv für Verbraucher:innen
Das gemeinsame Ziel der beiden Hohenheimer Wissenschaftler: Den Verzehr
von ernährungsphysiologisch vorteilhaftem Vollkorn attraktiver machen –
durch Brot aus farbigem Weizen.
Denn Weizen, so Prof. Dr. Jekle, sei essentiell für eine ausgewogene
Ernährung: „Weizen liefert weltweit gesehen etwa 20 Prozent unseres
täglichen Energiebedarfs. In manchen Ländern liefern alleine Weizenbrote
20 Prozent der täglichen Ballaststoffe und Proteine. Manche Annahmen gehen
sogar von höheren Werten aus“, erklärt der Lebensmitteltechnologe nach der
Verkostung beim Pressegespräch in Römerstein. „Die wertvollen
Inhaltsstoffe sind aber vor allem in den Randschichten der Körner
vorhanden. Sie kommen somit hauptsächlich in Vollkornprodukten vor, sodass
sich die Versorgung durch mehr Vollkorn verbessern ließe.“
Trotz dieser Eigenschaften sei der Konsum von Vollkornbackwaren in
Deutschland aber immer noch sehr gering, berichtet Heiner Beck, Inhaber
des Bäckereibetriebs BeckaBeck: „Aktuell beträgt der Anteil von Vollkorn
im Brotmarkt nur etwa 11 Prozent – Tendenz sinkend.“ Ein Phänomen, das er
selbst auch im Verkauf beobachte: „Für einen Großteil der
Verbraucher:innen muss Brot soft und hell sein. Vielen ist Vollkorn
einfach zu herb.“
Weißer Weizen liefert gesunde Nährstoffe und schmeckt weniger nach
Vollkorn
Abhilfe für dieses Problem sieht Christian Böck bei der Aroma- und
Qualitätsanalyse der Testbrote unter anderem in der Optik der Brote aus
weißen Weizen: „Je heller das Korn, desto heller ist auch die Brotkrume“,
erläutert der Bäckermeister. „Weiße Weizensorten liefern deshalb ein
deutlich helleres und somit für viele Menschen ansprechenderes
Vollkornbrot als die gängigen roten Weizensorten.“
Die weißen Weizensorten überzeugen nicht nur durch einen deutlich milderen
Geschmack als die Vollkornbrote aus normalem Weizen. Sie punkten auch in
Laboranalysen: „Unsere Laboruntersuchungen konnten zeigen, dass weiße
Weizensorten ein ähnlich gutes Nährstoffspektrum wie der in Deutschland
gängige rote Weizen aufweisen“, führt Jana Kant, Doktorandin am Fachgebiet
Pflanzliche Lebensmittel, aus.
Purpurne übertreffen rote Weizensorten durch gesunde Pflanzenfarbstoffe
Purpurfarbener Weizen liefert dunklere Brote als gängiger roter Weizen. In
den Aroma- und Geschmacksanalysen weisen die Brote zudem einen intensiven
schokoladig-nussigen Geschmack auf. Vor allem punkten Purpur-Weizensorten
jedoch aus ernährungsphysiologischer Sicht: Sie weisen einen hohen Gehalt
an gesunden Pflanzenstoffen auf – sogenannten Anthocyanen, die für eine
dunkel purpurne Färbung der Weizenkörner sorgen und zum Beispiel auch in
roten und blauen Früchten vorkommen.
„Studien weisen darauf hin, dass Anthocyane zum Beispiel Herz-
Kreislauferkrankungen minimieren und die Zellgesundheit verbessern
können“, so Prof. Dr. Jekle. „In unseren Laboranalysen konnten wir
feststellen, dass die Brote aus purpurnem Weizen in etwa neunmal so viele
Anthocyane enthalten wie Brote aus rotem Weizen.“
Allerdings: Auch die Anthocyane seien lediglich in den äußeren
Randschichten der Körner vorhanden, führt Jana Kant aus: „Das spricht
dafür, auch bei der Verarbeitung von purpurnem Weizen auf Vollkorn zu
setzen“, so die Wissenschaftlerin.
Praxistest bestanden – trotz kleiner Schwächen
Einige wenige Schwächen zeigen sich bei den bisher kaum etablierten
farbigen Weizensorten im Praxisbackversuch. Deutliche Unterschiede fallen
den beiden Bäckermeistern zwischen den purpurnen und weißen Weizensorten
auf: „Das Backvolumen einiger purpurfarbener Sorten kann mit rotem Weizen
gut mithalten. Viele klassische Gebäcke lassen sich sicherlich problemlos
damit herstellen“, mutmaßt Heiner Beck.
Der weiße Weizen zeigt hingegen eine wesentlich schlechtere
Teigstabilität. „Die Herstellung von Toastbroten oder Schnittbrötchen
könnte damit zur Herausforderung werden“, so Christian Böck. Die Testbrote
aus weißem Weizen konnten dennoch überzeugen. „Handwerker:innen könnten
durch den Einsatz von Sauer- oder Vorteigen, angepasster Knetung oder
Backformen die Teigstabilität verbessern – ähnlich wie bei Dinkel oder
Emmer“, ergänzt Beck.
Schon im Feldversuch überraschten weiße und purpurne Weizensorten
Um zu testen, wie weiße und purpurne Weizensorten auf deutschen Feldern
gedeihen, arbeitete Prof. Dr. Longin vorab mit fünf Pflanzenzuchtbetrieben
in ganz Deutschland zusammen. So konnte das Getreide unter den Bedingungen
von konventioneller sowie ökologischer Landwirtschaft und an verschiedenen
Anbauorten getestet werden.
Das Ergebnis des Feldversuchs: Die Ernteerträge fielen im Vergleich zu den
roten Weizensorten geringer aus. „Im Durchschnitt lieferten die weißen
Weizensorten rund 10 Prozent weniger Ertrag als roter Weizen. Bei
purpurnen Weizensorten waren es knapp 15 Prozent weniger.“ Bedeutende
Nachteile ließen sich jedoch nicht erkennen. Im Gegenteil: „Weiße und
purpurne Weizensorten waren auf einem agronomisch besseren Niveau als
alternative Weizenarten wie Emmer und Einkorn – und erwiesen sich als
erstaunlich resistent gegenüber Krankheiten.“
Potenzial für eine neue Vielfalt im Brotregal
Das Fazit der Fachleute aus Wissenschaft und Handwerk: „Unsere Feld-,
Labor- und Backversuche zeigen, dass weiße und purpurne Weizensorten dazu
beitragen könnten, mehr Menschen für Vollkornbackwaren zu begeistern und
eine gesunde Ernährung mit Brot zu fördern“, fasst Prof. Dr. Friedrich
Longin zusammen.
Die Hohenheimer Studie und der begleitende verbundene Backmarathon seien
ein Startpunkt: „Während jährlich Millionenbeträge in die Züchtung roter
Weizensorten fließen, braucht es für weiße und purpurfarbene Sorten eine
stärkere Vernetzung, innovative Ideen und mehr Forschung entlang der
Wertschöpfungskette“, sagt Prof. Dr. Jekle. „Nur so können sie künftig
ihren Weg in die Backstuben finden.“
Weitere Informationen:
Studientext: https://www.uni-hohenheim.de/u
Zu den Pressemitteilungen der Universität Hohenheim
https://www.uni-hohenheim.de/p