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Stellungnahme des Erziehungswissenschaftlichen Fakultätentages (EWFT) zur Staatlichen Anerkennung

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Stellungnahme zur Staatlichen Anerkennung der Absolvent*innen der
universitären erziehungswissenschaftlichen Studiengänge mit
sozialpädagogischen Studieninhalten für die Handlungsfelder der Kinder-
und Jugendhilfe sowie der Sozialen Arbeit



Die Regelungen zur Staatlichen Anerkennung als
Sozialarbeiter*in/Sozialpädagog*in (Zertifizierung bzw. Beurkundung
vertiefender Eignung und Befähigung zur eigenverantwortlichen Ausführung
bestimmter hoheitlicher Aufgaben) sind bislang bundeslandspezifisch sehr
uneinheitlich. Die länderspezifischen Qualifikationsstandards für die
jeweiligen Handlungsfelder der Kinder- und Jugendhilfe sind weder nach
außen fachlich begründet noch transparent gemacht (vgl. BMFSFJ 2024, S.
319). Insgesamt lässt sich die Vergabe der Staatlichen Anerkennung in
diesem Bereich als ein breit diskutiertes Thema bezeichnen (Merten 2022),
welches die Absolvent*innen der erziehungswissenschaftlichen Studiengänge
mit sozialpädagogischen Studieninhalten bei ihrer Einmündung in den
Arbeitsmarkt direkt betrifft. Für den Zugang zu Beschäftigungspositionen
ist aber in erster Linie das Fachkräftegebot entscheidend, unter das in
allen maßgeblichen Ausführungen auch Absolvent*innen
erziehungswissenschaftlicher Studiengänge mit sozialpädagogischen
Studieninhalten fallen (Oelerich/Hengstenberg 2022). Die praktizierte
Kopplung von Fachkräftegebot und Staatlicher Anerkennung als
Sozialpädagog*in/Sozialarbeiter*in einerseits und der Ausschluss der
universitären, erziehungswissenschaftlichen Studiengänge mit
sozialpädagogischen Studieninhalten von der Vergabe einer solchen
Staatlichen Anerkennung andererseits ist nicht begründbar.

Es liegen zahlreiche Stellungnahmen, Eingaben der Deutschen Gesellschaft
für Erziehungswissenschaft sowie der DGfE-Kommission Sozialpädagogik (vgl.
Wiesner/Bernzen/Neubauer 2017; Vorstand DGfE 2022; Kommission
Sozialpädagogik 2018; Erziehungswissenschaft 1/22 2022) vor. Unter anderem
wird darauf hingewiesen, „dass sich aus dem Fachkräftegebot im SGB VIII
keine rechtliche Begründung für die Einordnung der Staatlichen Anerkennung
als grundsätzliche Einstellungsvoraussetzung für
Sozialpädagog_innen/-arbeiter_innen ableiten lässt“ (Kommission
Sozialpädagogik 2018, S. 3).

Zudem wird gegen die nicht sachlich begründete Engführung auf die
Verleihung der Staatlichen Anerkennung durch Hochschulen für Angewandte
Wissenschaft (HAW) unter Ausschluss der universitären
erziehungswissenschaftlichen Studiengänge mit sozialpädagogischen
Studieninhalten (BVerwG 2018, Rn. 4) herausgestellt, dass
„Zugangsmöglichkeiten zu einem Beruf tatsächlich und rechtlich möglichst
offenzuhalten und Zugangshindernisse nur insoweit zu errichten sind, wie
es durch ein im Lichte des Art. 12 Abs. 1 GG hinreichend gewichtiges
öffentliches Interesse geboten ist“ (BVerwG 2018, Rn. 8). Solche
Zugangsbeschränkungen sind für das „gesetzliche Erfordernis eines
Hochschulabschlusses als Zugangsvoraussetzung für einen Beruf“ möglich,
Hochschulabschlüsse sind diesbezüglich jedoch gleich zu behandeln.

Seit der Bologna-Reform sind keine rechtlichen Unterschiede zwischen
akademischen Abschlüssen, die an Universitäten oder HAWs verliehen werden,
zulässig. Entscheidend ist vielmehr das Qualifikationsniveau des
Abschlusses. Bachelorabschlüsse qualifizieren für den gehobenen
Dienst/zweite Laufbahngruppe erstes Einstiegsamt, während Masterabschlüsse
für den Zugang zum höheren Dienst/zweite Laufbahngruppe zweites
Einstiegsamt vorbereiten. Daher ist es nicht nachvollziehbar, dass
Absolvent*innen universitärer erziehungswissenschaftlicher Studiengänge
mit sozialpädagogischen Studieninhalten im Zuge ihres Studiums oder in
Anschluss daran nicht in allen Bundesländern die Staatliche Anerkennung
erwerben können. Ebenso ist nicht nachzuvollziehen, dass die tarifliche
Eingruppierung erziehungswissenschaftlicher Universitätsabsolvent*innen
mit sozialpädagogischem Schwerpunkt mit dem Hinweis auf die fehlende
Staatliche Anerkennung nach unten korrigiert wird.

Die akademisch qualifizierten Berufe im Bereich der Sozialarbeit und
Sozialpädagogik sowie Kindheitspädagogik (sog. Expert*innen) gehören zu
den zehn stärksten Engpassberufen (s. aktuelle Fachkräfteengpassanalyse
2023 der Bundesagentur für Arbeit 2024, S. 15). Vor diesem Hintergrund ist
es für die Kinder- und Jugendhilfe geboten, das fachliche Potenzial der
erziehungswissenschaftlichen Absolvent*innen zu nutzen und qualifizierende
Ausbildungsgänge breit in die Kinder- und Jugendhilfe zu integrieren
(BMFSFJ 2024, S. 337ff.) sowie diesen eine ihrer Qualifikation
entsprechende Finanzierung und Verlässlichkeit zu bieten, um ein
attraktiver Arbeitgeber zu sein (vgl. BMFSFJ 2024, S. 505ff.). Es gilt,
die gesellschaftliche Relevanz erziehungswissenschaftlicher Abschlüsse
anzuerkennen sowie die Benachteiligung der Absolvent*innen universitärer
erziehungswissenschaftlicher Studiengänge mit sozialpädagogischen Inhalten
auf dem Arbeitsmarkt abzubauen (bspw. hinsichtlich des spezifischen
Zugangs zu sozialen Berufsfeldern und den dafür notwendigen
Kompetenzprofilen).

Der EWFT befürwortet die Eröffnung von Zugangsmöglichkeiten und den Abbau
von Zugangshindernissen zur Staatlichen Anerkennung als
Sozialpädagog*in/Sozialarbeiter*in für Absolvent*innen universitärer
erziehungswissenschaftlicher Studiengänge mit sozialpädagogischen
Studieninhalten.

Dazu bedarf es Veränderungen auf mindestens zwei Ebenen:

1. Auf Ebene der Bundesländer gilt es, alle rechtlichen und strukturellen
Barrieren abzubauen, um Absolvent*innen der universitären
erziehungswissenschaftlichen Studiengänge mit sozialpädagogischen
Studieninhalten den Zugang zur Staatlichen Anerkennung als
Sozialpädagog*in/Sozialarbeiter*in zu eröffnen.

2. Auf der Ebene der Universitäten gilt es, eine angestrebte
Implementierung der Verleihung der Staatlichen Anerkennung als
Sozialpädagog*in/Sozialarbeiter*in in den erziehungswissenschaftlichen
Studiengängen mit sozialpädagogischen Studieninhalten zu unterstützen.

---
BMFSFJ (2024): 17. Kinder- und Jugendbericht. Bericht über die Lage junger
Menschen und die Bestrebungen und Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe.
https://www.bmfsfj.de/resource/blob/244626/b3ed585b0cab1ce86b3c711d1297db7c/17
-kinder-und-jugendbericht-data.pdf

Bundesagentur für Arbeit (2024): Fachkräfteengpassanalyse 2023.
https://statistik.arbeitsagentur.de/SiteGlobals/Forms/Suche/Einzelheftsuche_Formular.html;jsessionid=24391945455944D854230483C2942D1D?nn=27096&topic_f
=fachkraefte-engpassanalyse

BVerwG (2018): Beschluss vom 28.09.2018 - BVerwG 6 B 142.186 B 142.18
https://www.bverwg.de/de/280918B6B142.18.0
Erziehungswissenschaft 1/22 (2022), Heft 64, Stichwort: Staatliche
Anerkennung.
Kommission Sozialpädagogik (2018): Expertise zum Status Staatlicher
Anerkennung bei der Einstellung von Absolvent_innen universitärer
Studiengänge der Erziehungswissenschaft mit sozialpädagogischem
Qualifikationsprofil.
https://www.dgfe.de/fileadmin/OrdnerRedakteure/Sektionen/Sek08_SozPaed/KSozPaed/2018_Expertise_Staatliche_Anerkennung.pdf
Merten, Roland (2022): Staatliche Anerkennung. Entwicklungslinien eines
schwierigen Themas. In: Erziehungswissenschaft 33(2022) Heft 64,
Stichwort: Staatliche Anerkennung, S. 9-22.
https://www.pedocs.de/volltexte/2022/24841/pdf/EZW
Oelerich, Gertrud/ Hengstenberg, Charis (2022): Das Fachkräftegebot in der
Kinder- und Jugendhilfe. In: Erziehungswissenschaft 33 (2022) 64, S.
45-55.
https://www.pedocs.de/volltexte/2022/24844/pdf/EZW_64_2022_Oelerich_Hengstenberg_Das_Fachkraeftegebot.pdf
Vorstand der DGfE (2022): Klarstellung des Vorstandes der Deutschen
Gesellschaft für Erziehungswissenschaft zu der Stellungnahme der
Bundesarbeitsgemeinschaft Praxisämter/-referate an Hochschulen für Soziale
Arbeit (BAG Prax), des Deutschen Berufsverbands für Soziale Arbeit (DBSH)
und des Fachbereichstags Soziale Arbeit (FBTS) vom 29.04.2022.
https://www.dgfe.de/fileadmin/OrdnerRedakteure/Stellungnahmen/2022.08_Stellungnahme_Staatliche_Anerkennung_DGfE.pdf
Wiesner, Reinhard/Bernzen, Christian/Neubauer, Ralf (2017): Staatliche
Anerkennung in Berufen der Sozialen Arbeit. Gutachterliche Stellungnahme
für die Kommission Sozialpädagogik der Deutschen Gesellschaft für
Erziehungswissenschaft (DGfE).
https://www.dgfe.de/fileadmin/OrdnerRedakteure/Sektionen/Sek08_SozPaed/KSozPaed/2018_Expertise_Staatliche_Anerkennung.pdf

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