Zum Hauptinhalt springen

30 Jahre „Space-Trabi“

Der Satellit GFZ-1 bei Testmessungen in Moskau.  GFZ
Der Satellit GFZ-1 bei Testmessungen in Moskau. GFZ
Pin It

Mit dem Auswurf des fußballgroßen Mini-Satelliten GFZ-1 aus der
Raumstation MIR begann am 19. April 1995 die Satelliten-gestützte
Forschung am GFZ



Am 19. April 1995 begann mit dem fußballgroßen „GFZ-1“ die erste
Satellitenmission des GFZ Helmholtz-Zentrum für Geoforschung – und damit
die Ära der erfolgreichen Satelliten-gestützten Forschung am GFZ. Eines
der Missionsziele damals: die Vermessung des Schwerefelds der Erde.

Der „Blick“ aus dem Weltall auf die Erde und den erdnahen Weltraum ist
auch darüber hinaus für die Geowissenschaften essenziell: zur Vermessung
der Erde und für das Verständnis vieler Zusammenhänge auf unserem Planeten
– von der Positionierung der Erde im Weltraum und der Anwendung in
Satellitennavigationssystemen über die Vermessung des Erdmagnetfelds, von
Effekten des Weltraumwetters und der Veränderungen in der äußeren Gestalt
der Erde auf globaler wie lokaler Ebene – etwa durch Erdbeben und
Landabsenkungen, bis zum Zustand von Gewässern und Vegetation und der
Analyse von Mineralienvorkommen.

Geschichte und Funktionsweise des Pioniers „GFZ-1“

Der fußballgroße Minisatellit „GFZ-1“ wurde vor 30 Jahren auf
ungewöhnliche Weise in seine Umlaufbahn gebracht: Nachdem er am 9. April
mit dem Raumtransporter PROGRESS M-27 von Baikonur aus zur russischen
Raumstation MIR gebracht worden war, wurde er am 19. April kurz nach 21
Uhr MESZ (19:12 Uhr Weltzeit) aus einer Luftschleuse der Raumstation ins
All geworfen. Der knapp 21 kg schwere Satellit umkreiste die Erde
anfänglich in einer vergleichsweise geringen Entfernung von 400
Kilometern.

Der passive Satellit verfügte über keinen eigenen Antrieb und keine
Bordelektronik, sondern war dem Schwerefeld der Erde ausgeliefert. Dieses
zu vermessen gehörte zu seinen Missionszielen.

Hierfür war GFZ-1 mit 60 Retro-Reflektoren auf seiner Oberfläche
ausgestattet. Sie waren Ziel von Laserstrahlen, die bei seinem Umlauf um
die Erde von Satelliten-Laserradarstationen (SLR – Satelliten Laser
Ranging) auf der ganzen Welt auf den Satelliten gesendet wurden. Das vom
Satelliten aus dem All reflektierte Licht wurde von der jeweiligen SLR-
Station wieder aufgefangen. Aus der Laufzeitanalyse des Lichts konnte die
Position des Satelliten exakt bestimmt werden.

Anhand der kontinuierlichen Positionsmessungen von weltweit verteilten
Stationen ließen sich wiederum Rückschlüsse auf das Gravitationsfeld der
Erde ziehen. Um hier durch möglichst großen Einfluss der Gravitation auf
die Satellitenbahn ein möglichst gutes Ergebnis zu erzielen, wurde GFZ-1
in eine vergleichsweise erdnahe Umlaufbahn gebracht. Mit 400 Kilometern
hält GFZ-1 auch einen wichtigen wissenschaftlichen Rekord: Er war der
niedrigste geodynamische Satellit, der jemals mit Lasern vermessen wurde.

Der seinerzeit liebevoll „Space-Trabi“ getaufte Satellit umkreiste die
Erde im Laufe von 4 Jahren und 64 Tagen fast 24.000-mal, bevor er am 23.
Juni 1999, 01:00 UT in der oberen Atmosphäre verglühte und seine Mission
endete.

Für das GFZ knüpfen sich diverse Forschungsgebiete an diese Mission.

Neben der Vermessung des Erdschwerefeldes auch die genauen
Bahnbestimmungen von Navigationssatelliten, die Bestimmung von
Wasserdampfgehalt der Atmosphäre (wichtig für Wetterdienste), die
Erforschung des „Weltraumwetters“ und seiner Einflüsse auf Satelliten
sowie die Messung von Grundwasser, Bodenfeuchte und Eismassenverlust aus
den Gravitationsdaten.

Weitere Satellitenmissionen des GFZ

Über die Jahre war das GFZ an zahlreichen weiteren Satellitenmissionen
beteiligt oder leitete sie wissenschaftlich. In Nachfolge von GFZ-1
ermöglichte CHAMP von 2000 bis 2010 die Vermessung des Schwerefeldes und
des Magnetfeldes der Erde, seit 2013 vermisst die ESA-Mission SWARM das
Erdmagnetfeld. Und der Umweltsatellit EnMAP liefert seit 2022
Hyperspektral-Daten in mehr als 250 Farben, die Auskunft geben über den
Zustand von Böden, Gewässern und Vegetation, aber auch über
Mineralienvorkommen.

Fortsetzung der Schwerefeldmission durch GRACE

Die immer präzisere Bestimmung des Erdschwerefeldes blieb und bleibt ein
wichtiger Fokus – mit enormen Fortschritten durch neue Mess- und
Modellierungsverfahren. Seit 2002 betreibt das GFZ gemeinsam mit der US-
amerikanischen Weltraumagentur NASA die auf das Erdschwerefeld
spezialisierten Satellitenmissionen GRACE (2002-2017) und GRACE Follow-On
(seit 2018), bei denen jeweils Zwillingssatelliten in 500 km Höhe fliegen.
Ihr Abstand von rund 200 km wird ultra-präzise gemessen und ändert sich in
Abhängigkeit von der Gravitation. Daraus lässt sich auf Masseänderungen
der Erde schließen und damit auf Änderungen in den Wassersystemen.

Ziel der GRACE-Missionen ist es, die Auswirkungen der vielfältigen und
komplexen Rückkopplungen menschlicher Aktivitäten auf den globalen
Wasserkreislauf, den Meeresspiegelanstieg und das Klimasystem dauerhaft zu
beobachten. Sie ermöglichten diverse wissenschaftliche Durchbrüche. So
konnte erstmals der Eismassenverlust der großen Eisschilde auf Grönland
und über der Antarktis beziffert werden.

Die GRACE-Missionen liefern wichtige Klimadaten für die Berichte des
Weltklimarates IPCC und gehören darin zu den am häufigsten zitierten
Missionen. Tausende von wissenschaftlichen Publikationen basieren auf den
Daten der beiden Satelliten-Duos. Die dritte Generation der erfolgreichen
Zwillingssatelliten, GRACE-C (Continuity), soll Ende 2028 in die polare
Umlaufbahn gebracht werden.

Auf der Website www.globalwaterstorage.info gibt es Aktuelles und
Hintergrundinfos zu den globalen Wasserdaten und den GRACE-Missionen.

SLR: Satelliten-Entfernungsmessung auf dem Telegrafenberg

Neben der Satelliten-Forschung profitierte auch die Entwicklung der SLR-
Station auf dem Telegrafenberg von GFZ-1. Bereits seit 1974 werden von
hier aus Satelliten zwecks Positionsvermessung per Laserstrahl angepeilt.
Die SLR-Station auf dem Telegrafenberg ist Teil des weltumspannenden
Netzwerkes von einigen Dutzend Stationen. Mittlerweile ist die dritte
Generation in Betrieb, die vierte in Planung. Über die Jahrzehnte hat sich
die Präzision immer weiter erhöht: Aktuell kann die Potsdamer Laserstation
die Entfernung zu Satelliten in Umlaufbahnen von 400 bis 25000 km über der
Erde mit einer Genauigkeit von unter etwa 1 cm messen, anfänglich waren es
Meter.

Mit seiner niedrigen Umlaufbahn zeigte GFZ-1 sowohl die Möglichkeiten als
auch die Schwierigkeiten der Verfolgung derart niedriger Ziele mit den
jeweils modernsten SLR-Systemen. Zu den Möglichkeiten zählt die besonders
exakte Vermessung des Erdschwerefeldes. Je tiefer der Satellit fliegt,
desto mehr ist er den Einflüssen der Gravitation ausgesetzt. Das Problem
dabei: Sonnenstürme wirbeln die oberen Atmosphärenschichten durcheinander,
das turbulente „Weltraumwetter“ macht die Bahn des antriebslosen
Satelliten unregelmäßig. Daher ist das Anpeilen mit Laserteleskopen umso
schwieriger, je näher der Satellit der Erde ist.

Satellitenforschung schafft Unternehmergeist

Die Forschung mit Satelliten hat am GFZ über die Jahrzehnte auch zu
verschiedenen Ausgründungen geführt. Beispielsweise konzipiert und baut
die Firma DiGOS seit 2014 weltweit SLR-Stationen und wurde 2019 mit dem
Innovationspreis Berlin-Brandenburg ausgezeichnet.

Die 2022 gegründete Leomagnetics GmbH bietet Beratung für alle mit
Geomagnetismus und Weltraumwetter verknüpften Aspekte. Ob
Funkkommunikation, die Gewährleistung eines zuverlässigen Betriebs von
Drohnen oder autonom fahrender Fahrzeuge oder auch die Vorhersage von
Satellitenbahnen: Die Beratung umfasst unter anderem alle Aktivitäten, die
von den Auswirkungen von Sonnenstürmen betroffen sein können.

Ebenfalls 2002 gründete sich maRam UG für Design, Bau und Services
kundenspezifischer Global Navigation Satellite Systems (GNSS)-Sensoren.
Mögliche Einsatzfelder für den GNSS-Datenlogger tinyBlack sind die
Überwachung von Dämmen und Vulkanen oder Basisstation für Drohnen.

Die weltoffene Leuchtanstadt Luzern am Vierwaldstättersee freut sich auf Ihren Besuch

Die Region Sempachersee im Herzen der Schweiz freut sich auf hren Besuch