Bildung in Bewegung | Antrittsvorlesung von Prof. Dr. Raphaela Porsch | „Quo vadis Lehrer*innenbildung in Deutschland?
„Quo vadis Lehrer*innenbildung in Deutschland?“ – so hieß der Titel der
Antrittsvorlesung zu welcher Prof.in Dr.in Raphaela Porsch am 9. April in
die Universität Vechta eingeladen hatte.
Die Professorin für
Schulpädagogik und Allgemeine Didaktik systematisierte dabei Modelle zur
Lehrer*innenbildung in den Bundesländern und zeigte deren Potentiale sowie
nicht-intendierten Folgen auf, um abschließend Perspektiven für die
Lehrkräftebildung zu diskutieren.
Antrittsvorlesungen gehören zu den guten Traditionen, welche auch an der
Universität Vechta gepflegt werden würden, beschreibt es Prof.in Dr.in
Corinna Onnen. Mit ihrem Fachgebiet hätte Porsch eine der Schlüsselrollen
an der Hochschule inne. Eines der zentralen Standbeine der Uni sei
schließlich die Lehrkräftebildung, so die Vizepräsidentin für Forschung,
Nachwuchsförderung und Transfer. Dem schloss sich der Studiendekan der
Fakultät II, Prof. Dr. Marco Rieckmann, an. Porsch sei dafür eine
exzellente Wahl. Sie „hat, wie ich finde, einen beeindruckenden
Lebenslauf“, welcher es ihr erlaube, die zentralen Fragen nicht nur aus
der Sicht der Forschung, sondern auch aus der Sicht der Praxis anzugehen.
Die Lehrkräftebildung in Deutschland sei etwas Besonderes, erläutert
Porsch einleitend. So gebe es hier nicht nur ein dreiphasiges Modell –
bestehend aus Studium, dem schulpraktischen Vorbereitungsdienst sowie
einer lebenslangen Fort- und Weiterbildung –, sondern auch in jedem
Bundesland Eigenheiten. Bildung liege schließlich zu einem großen Teil in
der Hand der Länder. Allein schon der Abschluss des Studiums könne dies
verdeutlichen: In sieben Bundesländern wird mit dem Studienabschluss ein
Staatsexamen vergeben, in elf Bundesländern werden
Bachelor-/Masterstudiengänge angeboten, wobei innerhalb von zwei
Bundesländern beide Optionen möglich sind. Auch gebe es verschiedene
Lehramtstypen: Dazu zählt das Lehramt für die Primarstufe (Grundschule),
die Sekundarstufe I (alle Schulen bis Klasse 10), die Sekundarstufe II
(alle Schulen ab Klasse 10) – die wiederum in allgemeinbildend und
berufsbegleitend eingeteilt ist – und die Sonderpädagogik. In sechs
Bundesländern käme jetzt auch das Stufenlehramt hinzu. Statt nach diversen
Schularten voneinander getrennt, werden dabei die angehenden Lehrkräfte
für die Sekundarstufe I und II bzw. entsprechende Schulformen ausgebildet.
Im Zuge der Bemühungen um die Gewinnung von Lehrkräften wurden alternative
Programme zur Qualifizierung entwickelt. Dazu zählen auch der Quereinstieg
– wenn die Lehrkraft also ein Fachstudium abgeschlossen hat und mit dem
Referendariat beginnt – und der Seiteneinstieg: Hier überspringen die
Lehrkräfte nicht nur das Lehramtsstudium, sondern auch das Referendariat.
Berufsbegleitend finden zu ihrer Unterstützung entsprechende Programme
statt. Bildung sei immer in Bewegung, so gelte es auch die
Lehrkräftebildung immer wieder zu bewerten und entsprechend anzupassen, so
Porsch.
Die Professorin analysiert die Potentiale und Bedenken von grundständigem
Lehramt, dem Stufenlehramt, des Ein-Fach-Lehramts, Programme im
Seiteneinstieg und ergänzend des Dualen Lehramtsstudiums (siehe unten), um
dann auf die Perspektiven der Lehrer*innenbildung zu sprechen zu kommen:
Durch eine Fortführung des Status quo könne es dazu kommen, dass die
Heterogenität von Programmen weiter zunehme, so Porsch. Für fast alle
davon würden derzeit Befunde aus Evaluationen fehlen und sich somit viele
Fragen ergeben. Unter anderem: Inwieweit werden ausreichend professionelle
Handlungskompetenzen in den jeweiligen Programmen erworben? Welche
Merkmale benötigen diese, um die Anforderungen der verschiedenen Gruppen
zu genügen? Und braucht es ein Stufenlehramt oder eine schultypenbezogene
Lehramtsausbildung? Durch die Fortführung der verschiedenen Wege in der
Lehrkräftebildung sei eine Transparenz für am Beruf Interessierte kaum
möglich. Auch die Herausforderungen in der Mobilität zwischen den
Bundesländern würde weiter bestehen oder sich gar verstärken.
Und was könnte passieren, wenn das bestehende Angebot etwas modifiziert
wird? Dabei müssten die Errungenschaften der vergangenen Jahrzehnte nicht
aufgegeben werden, erläutert Porsch. Seiteneinstiegsprogramme müssten aber
beispielsweise in der aktuellen Form eingestellt werden, da die Nachteile
überwiegen; der Quereinstieg würde somit über ein Fachmasterstudium und
einem (eventuell verkürztem) Referendariat empfehlenswert sein.
Evaluationen müssten aber konsequent für alle Programme implementiert
werden. Außerdem schlägt Porsch eine Fort- und Weiterbildung mit einer
verpflichteten Mindestumfang in allen Bundesländern vor.
Schließlich könne auch über die Perspektive einer vollständigen
Transformation nachgedacht werden. Dafür müsste es eine Abstimmung der
Bundesländer über gemeinsame Basiskultur von Programmen in der
Lehrer*innenbildung geben. Folgende Grundfragen sollten laut Porsch
geklärt werden: Welche Art von Lehrkräftebildung sollte es grundlegenden
geben? Auf welchem Verständnis des Berufs und seiner notwenigen
Kompetenzen basiert diese? Und sollen Lehrkräfte als Spezialisten oder
Generalisten ausgebildet werden? Angesichts von Fachlehrerkräftemangel und
Klassenlehrerprinzip ist fachfremdes Unterrichten aktuell an fast allen
Schulen verbreitet, was dazu führt, dass es keine Passung von Ausbildung
und Praxis gebe. Sicher sei, dass Bildung in Bewegung bleibe, erläutert
Porsch, sodass eine breite Diskussion über die bestehenden Modelle in der
Lehrer*innenbildung angesichts fortschreitender gesellschaftlicher
Entwicklungen unumgänglich sei.
Interesse am Nachlesen des Vortrags?
Porsch (im Erscheinen). Quo vadis Lehrer*innenbildung in Deutschland?
Aktuelle Modelle und ihre Perspektiven. Das Hochschulwesen (HSW), 73(1),
17-24.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
https://www.uni-vechta.de/erzi
Originalpublikation:
Porsch (im Erscheinen). Quo vadis Lehrer*innenbildung in Deutschland?
Aktuelle Modelle und ihre Perspektiven. Das Hochschulwesen (HSW), 73(1),
17-24.