Skifahren, Mountainbiking, Bergsteigen: Wenn Sport zur Gefahr wird
Sport als Ursache für Polytraumata- Herausforderungen der Mediziner bei
schwersten Verletzungen
Ein bisschen Urlaub, ein bisschen Wandern, Mountainbiking oder Klettern –
denkt sich mancher Freizeitathlet. Doch so einfach ist die Sache nicht.
Ohne ausreichende Kondition, Konstitution und Koordination rutschen immer
mehr Menschen ab, stürzen und müssen vor Ort in den Kliniken versorgt
werden.
„Es ist nur ein kurzer Moment beim Skifahren oder Mountainbiking, der aber
das Leben für immer verändern kann“, sagt Dr. Moritz Katzensteiner,
Assistenzarzt für Orthopädie und Unfallchirurgie an den Ordenskliniken der
Barmherzigen Schwestern, Linz. Über 18 Monate arbeitete er jüngst an der
Klinik Diakonissen in Schladming, einem Berg- und Freizeitsport-Gebiet,
dass es – unfallträchtig gesehen – in sich hat. Auf dem 40. GOTS-
Kongress, in diesem Jahr an der Donauuniversität Krems, stellt er
schwerste Verletzungen und Polytraumen vor, ordnet deren Entstehung und
die Therapien ein.
Gerade beim Skifahren sind oft die Strukturen um das Kniegelenk betroffen.
„Hier sehen wir teils katastrophale Verletzungen“, so Katzensteiner. Am
schwerwiegendsten sind hier unter anderem Tibiakopf-Frakturen einzuordnen
– ein komplexer Gelenkbruch, der häufig durch hohe mechanische Einwirkung
im und um das Kniegelenk entsteht. Anatomisch „original“ sind solch
schweren Gelenkbrüche nicht wiederherstellbar. Der Chirurg: „Wir haben
dann hier zum Teil 35-jährige fitte Patienten, die unter Umständen in ein
paar Jahren trotz optimaler perioperativer Verfahren eine sekundär
traumatische Arthrose entwickeln und eine Knie-Prothese benötigen.“
Ebenso häufig, wenn auch selten mit langfristigen Konsequenzen, sind
Oberschenkel-Schaftbrüche, die meist auf der gesteigerten
Risikobereitschaft der Skifahrer beruhen. Trotz fehlender
Gelenksbeteiligung sollte gerade in diesen Situationen ein schnelles
Handeln forciert werden, da gerade bei Brüchen im Bereich der großen
Röhrenknochen zum Teil kreislaufwirksame Mengen an Blut verloren werden
können.
An der Wirbelsäule sind es meist die Lendenwirbelregion sowie der
thorakolumbale (Übergang Brust- zu Lendenwirbelsäule) Bereich. Hierbei
reichen die Schweregrade von „einfachen“ Kompressionsbrüchen bis hin zu
instabilen Verrenkungsbrüchen mit und ohne neurologischer
Ausfallssymptomatik.
Die Therapien für diese teils schwersten Sportverletzungen sind
individuell. Mit modernsten operativen Verfahren versuchen Orthopäden und
Unfallchirurgen den Schaden möglichst gering zu halten und bei der
Wiederherstellung nahe an der Anatomie zu bleiben – häufig jedoch reicht
die alleinige Wiederherstellung der knöchernen Strukturen nicht, da viele
Brüche mit Begleitverletzungen im Weichteil assoziiert sind.
In den Sommermonaten stellt vor allem das Downhill-Fahren mit
Mountainbikes ein großes Verletzungspotential dar. Häufig ziehen sich die
Sportler schwerste Verrenkungsbrüche der Schulter oder Trümmerbrüche des
Handgelenkes zu – auch hier sind mit wenigen Ausnahmefällen junge
Erwachsene oder Jugendliche betroffen. Tischler oder Elektriker
beispielsweise können dann zum Teil nur mehr eingeschränkt in ihrem
eigentlichen Beruf eingesetzt werden.
Ebenso zunehmend sind Mountainbiker mittleren Alters betroffen, die auf
eBikes plötzlich in Regionen vorstoßen, für die sie – ohne Motorisierung –
gar keine Konditionierung haben. Sie überschätzen sich sowohl psychisch
als auch körperlich und stoßen dann an ihre individuellen Grenzen oder
überschreiten diese gar. „Sie haben zwar oft nicht so schwere
Verletzungsmuster, dafür aber Herz-Kreislauf-Probleme, Übergewicht oder
relevante Begleiterkrankungen und Medikamente, die eine notwendige
operative Versorgung sowie das postoperative Prozedere erschweren“, so
Katzensteiner.
Fest steht: obwohl die meisten Freizeitsportler noch jung und fit sind,
ist eine Widerherstellung der Strukturen exakt wie vor dem Unfall nur in
Ausnahmefällen vollumfänglich möglich – wenn auch immer das Ziel.