Unerkannter Wirtschaftsfaktor“: Bundesregierung sollte zivilgesellschaftliche Unternehmen fördern
Jenseits des wirtschaftlichen Mainstreams gibt es vielfältige und
unverzichtbare alternativwirtschaftliche Akteure: Solidarische Ökonomie,
Kollektivbetriebe, gemeinschaftsgetragene Unternehmen, neue
genossenschaftliche Konzepte.
Kooperativ wirtschaftende Unternehmen schaffen in Feldern wie
Bürgerenergie, Solidarische Landwirtschaft, Plattform-Coops oder
Seniorengenossenschaften wichtige gesellschaftliche und
alternativökonomische Werte.
Das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) empfiehlt der
Bundesregierung, den neu gegründeten Verbund Kooperatives Wirtschaften zu
fördern – er ist die erste sektorübergreifende Dachorganisation seiner
Art.
Berlin, 7. April 2025 – Solidarische Landwirtschaft,
Energiegenossenschaften, Plattform-Kooperativen oder
Seniorengemeinschaften leisten viel für die Gesellschaft: Als
gemeinwohlorientierte Organisationen sorgen sie für sozialen Zusammenhalt,
ermöglichen Bürgerbeteiligung, treiben die Energie- oder Ernährungswende
voran oder bieten eine demokratische Alternative zu profitorientierten
Plattformunternehmen. Die Menschen engagieren sich hier oftmals
ehrenamtlich und wirtschaften weniger sichtbar als große Unternehmen. Sie
sind ein relevanter „unerkannter Wirtschaftsfaktor“ sagt
Unternehmensforscher Christian Lautermann vom Institut für ökologische
Wirtschaftsforschung (IÖW). Er empfiehlt der Bundesregierung im
Impulspapier „Kooperatives Wirtschaften: den unerkannten Wirtschaftsfaktor
unterstützen“ den neu gegründeten Verbund Kooperatives Wirtschaften zu
fördern. Die Empfehlungen veröffentlicht das Institut anlässlich des
„Forums für Soziale Innovation und Gemeinwohlorientierte Unternehmen“, das
das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) und das
Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) am 8. April 2025
gemeinsam in Berlin durchführen.
Unverzichtbar für Gemeinwohl und Zusammenhalt
„Sie sind in ganz Deutschland zu finden und es sind viele. Doch die
Politik hat die Leistungen kooperativ wirtschaftender Unternehmen, die in
der Zivilgesellschaft verankert sind, bislang zu wenig auf dem Schirm.
Dabei sind ihre Beiträge für das Gemeinwohl und den gesellschaftlichen
Zusammenhalt unverzichtbar“, erklärt Lautermann, der den vom
Bundesforschungsministerium geförderten Projektverbund „Teilgabe –
kooperatives Wirtschaften in der Zivilgesellschaft“ geleitet hat. Auf
einer Bundesversammlung zum kooperativen Wirtschaften des Projekts
Teilgabe hatten zivilgesellschaftliche Unternehmen die Idee für den
Verbund Kooperatives Wirtschaften, der Ende 2024 als Dachorganisation
gegründet wurde.
„Das Ausmaß der Wertschöpfung und Wirtschaftsleistung, die
gemeinwohlorientierte Unternehmen erbringen, ist bisher kaum bekannt“, so
Lautermann. „Es ist an der Zeit für eine wissenschaftlich begleitete
Bestandsaufnahme kooperativer Wirtschaftsformen in ganz Deutschland. Indem
Umfang und Ausmaß des diversen Felds gemeinwohlorientierter Unternehmen
und Initiativen sichtbar werden, können sie viel spezifischer unterstützt
und gefördert werden.“ Der Experte für nachhaltiges Wirtschaften empfiehlt
dem Bundeswirtschaftsministerium, das Bundesprogramm „Nachhaltig wirken –
Förderung gemeinwohlorientierter Unternehmen“ nach einer solchen
Vermessung des Feldes anzupassen und auszuweiten.
Kooperatives Wirtschaften dauerhaft fördern
Im Impulspapier macht das IÖW Vorschläge, wie kooperatives Wirtschaften
dauerhaft gefördert werden sollte: So könnte ein nationales Innovations-
und Gründerzentrum die Wirkungen von gemeinwohlorientierten Organisationen
vervielfältigen, regt das IÖW an. Indem es dabei hilft, dass über
verschiedene Versorgungsbereiche wie Ernährung, Energie oder Wohnen hinweg
zusammengearbeitet wird, könnte der sozial-ökologische Wandel insgesamt
profitieren.
Da kooperatives Wirtschaften in der Zivilgesellschaft wurzelt, ist es
zumeist dezentral organisiert, bürgernah, von lokalen Gemeinschaften
getragen und in der Region verankert. „Damit kooperative Wirtschaftsweisen
sich entfalten können, ist verbundwirtschaftliche Kooperation zentral“,
erläutert Lautermann. „Um die Nische zu verlassen und in der Breite zu
wirken, empfiehlt es sich, die Kräfte zu bündeln und gemeinsame
Dachorganisationen zu bilden.
Mit dem Verbund Kooperatives Wirtschaften gibt es hierfür erstmals eine
gemeinsame sektorübergreifende politische Dachorganisation für alle
demokratisch und solidarisch wirtschaftenden Unternehmen. Die Politik
sollte diese Interessenvertretung bei ihrem Aufbau und ihrer Etablierung
unterstützen. Denn eine starke Dachorganisation kann wertvolle Beiträge
für Gemeinwohl und nachhaltiges Wirtschaften in Deutschland leisten.“
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Weitere Informationen:
► Impulspapier „Kooperatives Wirtschaften: den unerkannten
Wirtschaftsfaktor unterstützen“: https://www.ioew.de/impulse-ko
wirtschaften
► „Forum für Soziale Innovation und Gemeinwohlorientierte Unternehmen“ am
8. April 2025: https://sigu-plattform.de/foru
und-gemeinwohlorientierte-unte
► Bundesprogramm „Nachhaltig wirken – Förderung gemeinwohlorientierter
Unternehmen“:
https://www.foerderdatenbank.d
gemeinwohlorientierte-unterneh
Über das Projekt Teilgabe:
Das Forschungsprojekt Teilgabe befasste sich von 2020 bis 2023 mit
verschiedenen Formen kooperativen Wirtschaftens – etwa Sozialunternehmen,
Genossenschaften, Bürgergesellschaften oder Vereinen – und erforschte, was
diese ausmacht und wie sie den sozialen und ökologischen Wandel der
Gesellschaft voranbringen. An dem Projekt waren IÖW, Innova und die
Universitäten Hamburg und Köln beteiligt. Es wurde gefördert vom
Bundesministerium für Bildung und Forschung. Das Teilprojekt
„Verbundorganisation der Nachbarschaftshilfen und
Seniorengenossenschaften“ wurde mit dem Deutschen Demografie-Preis 2023
ausgezeichnet.
Im Buch „Kooperatives Wirtschaften in der Zivilgesellschaft.
Gemeinwohlorientiert, tragfähig und transformativ“ – erschienen im Campus-
Verlag – zeigt das Projektteam anhand von Fallstudien zu
Bürgerenergiegenossenschaften, solidarischer Landwirtschaft,
Seniorengenossenschaften sowie Plattform-Kooperativismus, wie solche
Organisationen wirtschaften.
https://www.teilgabe.net
Über den Verbund Kooperatives Wirtschaften:
Der Verbund Kooperatives Wirtschaften (VKW) verfolgt das Ziel, als
Dachorganisation bestehende Netzwerke im Bereich des
gemeinwohlorientierten Wirtschaftens zur gemeinsamen Interessenvertretung
zusammenzubringen. Die Idee für den Verbund entstand auf der
Abschlussveranstaltung des Projekts Teilgabe, das das Institut für
ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW), gefördert vom Bundesministerium
für Bildung und Forschung (BMBF) im Förderschwerpunkt „Kulturelle Vielfalt
und Zivilgesellschaft – Potenziale für gesellschaftlichen Zusammenhalt und
Teilhabe erschließen“, geleitet hat. Das IÖW ist Gründungsmitglied im VKW
und begleitet den Verbund wissenschaftlich.
https://www.kooperativ-wirtsch