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„Debatten um Diversity brauchen mehr Differenzierung“

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Öffentliche Diskussionen um die Förderung von Vielfalt werden aus Sicht
von Forschenden oft zu vereinfachend geführt – Soziologin Ines
Michalowski: „Wirkungen von Diversity-Maßnahmen weisen große Unterschiede
auf und sind von vielen Faktoren abhängig, auch im Bereich der Religion“ –
Neuer Studiengang

 „Diversität und soziale Ungleichheit“ der Uni Münster
bereitet Studierende auf Diversitätsfragen in Organisationen vor –
Anmeldung ab 1. Mai

Debatten um Diversity-Programme in Unternehmen und öffentlichen
Einrichtungen sowie über den Umgang mit gesellschaftlicher Vielfalt werden
nach Einschätzung von Forschenden oftmals zu vereinfachend geführt. „Wer
den Umgang von Unternehmen und Organisationen mit Vielfalt und
Unterschieden etwa in Geschlecht, Herkunft, Alter, Religion oder sexueller
Orientierung untersucht, sieht eine hoch differenzierte Lage: Je nach
Organisation, Land und Vielfaltsmerkmal lassen sich in Studien große
Unterschiede erkennen. Auch sind die Wirkungen von Programmen zur
Steigerung von Diversity und Gleichstellung nach US-Studien nicht immer
eindeutig“, sagt die Religionssoziologin Ines Michalowski vom
Exzellenzcluster „Religion und Politik“ der Uni Münster. Wie etwa Schulen,
Streitkräfte, Krankenhäuser oder Schwimmbäder mit Vielfalt umgehen,
unterscheide sich zwischen Ländern, aber auch innerhalb eines einzelnen
Landes. Beispiel Religion: „Gebetsräume oder die Erlaubnis zum Tragen von
Kopftuch und Kippa gibt es nicht überall. Im Schulsystem hält etwa der
französische Staat Religion auf Abstand, in den Streitkräften macht er
religiösen Minderheiten hingegen Angebote. In Deutschland ist es oft
umgekehrt.“ Der Umgang öffentlicher Organisationen mit Vielfalt sei auch
durch das allgemeine Verhältnis des Staates zu Minderheiten und die
Funktion sowie die je aktuellen Interessen der Organisationen bestimmt, so
Michalowski. Ab dem Wintersemester 2025/26 bereitet ein neuer
Masterstudiengang „Diversität und soziale Ungleichheit“ an der Uni Münster
Studierende auf den Umgang mit Diversitätsfragen und -konflikten in
Organisationen vor. Die Anmeldefrist beginnt am 1. Mai.

Die Religionssoziologin erforscht in ihrem Projekt am Exzellenzcluster
Diversitätsfragen am Beispiel religiöser Vielfalt. Sie untersucht den
Umgang öffentlicher Organisationen mit religiöser Kleidung und Symbolen,
Speisevorschriften, Feiertagen, Seelsorge, Gebetszeiten und Gebetsräumen
in etwa zwanzig Ländern. Erste Ergebnisse zeigen ein differenziertes Bild:
„Zum Beispiel sind in einer staatlichen Einrichtung wie dem Gefängnis die
Gefangenen meist von der Außenwelt abgeschnitten. Religion wird eine
unterstützende Rolle, etwa bei der Wiedereingliederung, zugeschrieben,
weshalb Gefängnisse oft umfassende religiöse Angebote bereitstellen. Auch
Soldatinnen und Soldaten ist es insbesondere während eines Einsatzes kaum
möglich, religiöse Angebote vor Ort zu nutzen. Deshalb schafft das Militär
oft eigene Angebote der religiösen Praxis. Das zeigen auch Pläne, in der
Bundeswehr neben der katholischen, evangelischen und der 2020
beschlossenen jüdischen Militärseelsorge eine muslimische Seelsorge
einzuführen.“ Auch im Krankenhaus seien Patienten mit existentiellen
Fragen von Leben und Tod konfrontiert. „In Organisationen dieser Art
finden sich über Ländergrenzen hinweg eher großzügige Angebote für
religiöse Minderheiten“, so die Wissenschaftlerin. Ergebnisse der
internationalen Studie werden auf der Konferenz der „International Society
for the Sociology of Religion“ (ISSR) in Kaunas im Juli 2025 zur
Diskussion gestellt, Ergebnisse zum Militär in sechs Ländern sind bereits
publiziert.

Zu den Wirkungen von Diversity-Maßnahmen in internationalen Unternehmen,
die etwa in den USA auf Vorstoß von Präsident Donald Trump teils
zurückgefahren werden, führte die Soziologin aus: „Auch hier bestehen oft
große Unterschiede je nach Land und Organisationstyp. US-Studien deuten
sogar darauf hin, dass Diversity-Trainingsprogramme, die für die gesamte
Belegschaft verpflichtend sind, eher negative Haltungen zum Thema
Diversity bewirken können. Demgegenüber zeigen Mentoring-Programme für
betroffene Minderheiten positive Effekte und verbessern die Inklusion von
Minderheiten in Organisationen,“ so Michalowski. Wann Diversity-Maßnahmen
erfolgreich sind, lässt sich nach ihren Worten an vielfältigen Faktoren
bemessen, etwa daran, wie vielfältig die Belegschaft tatsächlich ist, wie
oft und welche Arten von Konflikten um Diversität es gibt und wie stark
sich die Mitarbeitenden mit der Organisation identifizieren. Auf diese
Weise seien die Auswirkungen von Diversity-Programmen wissenschaftlich
messbar, was zur Versachlichung teils aufgeladener Debatten beitragen
könne.

Der neue Master-Studiengang „Diversität und soziale Ungleichheit“ am
Institut für Soziologie der Universität Münster bereitet Studierende auf
ein empirisch-wissenschaftliches Arbeiten zu Diversitätsfragen vor. „Der
Studiengang vermittelt ein breites inhaltliches, theoretisches und
methodisches Wissen im Themenfeld Diversität“, sagt Ines Michalowski. Er
beleuchtet etwa, welche Maßnahmen zur Abbildung und Förderung von
Diversität sich aus wissenschaftlicher Sicht für Organisationen anbieten,
und berücksichtigt dabei auch, dass sich Organisationen in
unterschiedlichen (nationalen wie regionalen) Umwelten bewegen. Aktuelle
Diversitätsdebatten werden mit klassischen soziologischen Analysen
sozialer Ungleichheit verbunden. „Auch nehmen die Studierenden die
Diversitätspolitik einer bestimmten Organisation genauer in den Blick und
sammeln in Organisationen Praxiserfahrung im Umgang mit Vielfalt“, so die
Wissenschaftlerin. Der neue Studiengang richtet sich an
Bachelorabsolventen und -absolventinnen der Soziologie oder vergleichbarer
Studiengänge und setzt Grundkenntnisse der empirischen Sozialforschung
voraus. Auch Personen, die bereits eine Zeit lang in staatlichen,
privatwirtschaftlichen oder zivilgesellschaftlichen Organisationen
gearbeitet haben, gehören zur Zielgruppe. Die Bewerbung ist ab dem 1. Mai
über die Webseite des Instituts für Soziologie der Uni Münster möglich.
Die Anmeldefrist endet am 15. Juli.

Die Ankündigung von US-Präsident Donald Trump, Diversity-Programme in der
öffentlichen Verwaltung zurückzufahren, hatte die politischen Debatten um
Diversity-Programme und gesellschaftliche Vielfalt zuletzt international
wieder verstärkt. Der Politiker kündigte bereits im Wahlkampf an, die
Förderung und Abbildung gesellschaftlicher Diversität in der öffentlichen
Verwaltung abschaffen zu wollen. Mehrere US- und internationale
Unternehmen folgten Trump darin und nahmen die Darstellung entsprechender
Programme etwa von ihren Webseiten, manche jedoch widersetzten sich. Ob in
Deutschland ein Zurückfahren von Diversity-Programmen zu erwarten ist,
bleibt nach Michalowski vorerst offen: „Vorstellbar ist auch, dass manche
Unternehmen eine ‚Jetzt erst recht‘-Haltung zeigen und ihr Bemühen im
Umgang mit Vielfalt gar verstärken.“  (tec/vvm)

Anmeldung zum neuen Studiengang ab 01. Mai unter folgendem Link:
https://www.uni-
muenster.de/Soziologie/studium/studiengaenge/diversitymaster.shtml

Bereits publizierte Forschungsergebnisse zu Schwimmbädern und
Gefängnissen:

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Die Region Sempachersee im Herzen der Schweiz freut sich auf hren Besuch