Wärmespeicher für ein klimaneutrales Berlin Projekt zeigt Potenziale für bessere Nutzung von Abwärme und erneuerbaren Energien
Berlin 2. April 2025 | Berlin muss seine Wärmeversorgung klimaneutral
gestalten, so sieht es das Wärmeplanungsgesetz vor. Wärmespeicher spielen
dabei eine zentrale Rolle.
Das zeigt eine gemeinsame Untersuchung des Reiner Lemoine Instituts (RLI), des Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) und des Instituts für Klimaschutz, Energie und
Mobilität (IKEM) im Auftrag der Berliner Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt (SenMVKU). Fazit: Wärmespeicher ermöglichen es, überschüssige Wärme zu nutzen, unabhängiger von fossilen Brennstoffen zu werden und das Stromnetz zu entlasten.
Für Berlin sehen die Wissenschaftler*innen Handlungsbedarf bei der
Flächenverfügbarkeit, Rechtsunsicherheiten im Genehmigungsverfahren und
Informationsbedarf zu den geologischen Bedingungen.
Saisonale Wärmespeicher helfen dabei, überschüssige Wärme aus dem Sommer
in Zeiten höheren Wärmebedarfs im Winter zu verschieben. Dafür gibt es
verschiedene Speichertypen. Die Wissenschaftler*innen sehen besonders
Aquiferwärmespeicher als geeignet für Berlin an. Hierbei handelt es sich
um offene Systeme zur Speicherung und Rückgewinnung von Wärme in
hydraulisch abgeschlossenen Grundwasserschichten.
„Wärmespeicher ermöglichen es, erneuerbare Energien effizienter zu nutzen.
Sie reduzieren die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen und entlasten
das Energiesystem. Sie sind deshalb essenziell für eine klimaneutrale
Wärmeversorgung in Berlin“, fasst Marie-Claire Gering, wissenschaftliche
Mitarbeiterin und Projektleiterin am RLI, die Ergebnisse zusammen.
Abwärme und erneuerbare Wärme im Berliner Fernwärmenetz effizienter nutzen
Wärmespeicher helfen, lokale Abwärme und erneuerbare Wärmequellen
umfassender zu nutzen, etwa aus Rechenzentren, Abwasserwärme oder
Solarthermie. Mit steigenden Preisen für fossile Energieträger,
beispielsweise durch den Emissionshandel und mit einem höheren
Elektrifizierungsgrad der Wärmeversorgung werden Wärmespeicher
wirtschaftlich immer attraktiver.
Mehr Kapazität für Lang- und Kurzzeitspeicher sinnvoll
Langzeitspeicher könnten bereits bei einer Leistung von 700 Megawatt aus
erneuerbaren Energien und Abwärme und einer Speicherkapazität von bis zu
440 Gigawattstunden den Anteil erneuerbarer Wärme und Abwärme im Berliner
Fernwärmenetz der BEW um rund fünf Prozent erhöhen. Kurzzeitspeicher wie
Behälterwärmespeicher könnten das Stromnetz stabilisieren und Lastspitzen
abfedern. Die Untersuchung zeigt, dass eine Verdopplung bis Verdreifachung
der bestehenden Kurzzeitspeicherkapazität auf bis zu 6,6 Gigawattstunden
für das Berliner Fernwärmenetz sinnvoll wäre.
Quartierspeicher helfen, urbane Wärmequellen stärker zu nutzen
In dezentralen Quartiersnetzen könnten Aquiferwärmespeicher bis zu 33
Prozent der Jahreswärme speichern. Besonders für urbane Abwärmequellen wie
Rechenzentren oder Abwassersysteme sind diese Speicher entscheidend, da
sie deren Energie nahezu vollständig nutzbar machen.
Flächenverfügbarkeit als zentrales Hindernis: Unterirdische Speicher als
Lösung
Berlin hat begrenzte Flächen für oberirdische Wärmespeicher, die zudem auf
baurechtliche und städteplanerische Hürden stoßen können. Unterirdische
Lösungen wie Aquiferwärmespeicher sind eine vielversprechende Alternative.
Allerdings muss noch überprüft werden, ob der Berliner Untergrund sich für
diese Speicherarten geologisch eignet. Bestehende Wissenslücken soll die
vom Senat beschlossene „Roadmap Geothermie“ schließen.
Rechtliche Unsicherheiten bremsen Ausbau – politische Weichenstellungen
nötig
Neben den technischen Herausforderungen erschweren Rechtsunsicherheiten im
Genehmigungsverfahren, vor allem in der Abgrenzung zwischen berg- und
wasserrechtlichem Genehmigungsregime sowie fehlende Transparenz in der
Verwaltungspraxis die Umsetzung von Wärmespeichern. Eine politische
Entscheidung, die Wärmespeicher als Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge
definiert, könnte den Ausbau beschleunigen. Darüber hinaus sind für den
Wärmespeicherausbau allgemeine Herausforderungen der Energiewende wie hohe
Investitionskosten und weitere technoökonomische Hemmnisse relevant.
Die Ergebnisse des Projekts gehen in die Berliner Wärmeplanung ein. Den
Abschlussbericht und weitere Informationen zur Wärmeplanung in Berlin
finden Sie unter berlin.de/waermewende.
Über die Projektbeteiligten:
Das Reiner Lemoine Institut (RLI) ist ein unabhängiges, gemeinnütziges
Forschungsinstitut, das sich seit 2010 für eine Zukunft mit 100 Prozent
erneuerbaren Energien einsetzt. In den drei Forschungsbereichen
Transformation von Energiesystemen, Mobilität mit erneuerbaren Energien
und Off-Grid Systems arbeiten die Wissenschaftler*innen des RLI
anwendungsorientiert und wissenschaftlich für die Energie- und
Verkehrswende in Deutschland und international. Seit der Gründung haben
sich die am Institut entwickelten Open-Source-Modelle fest in der
Energiesystemmodellierung etabliert. Die Mobilitäts- und
Elektrifizierungskonzepte des RLI werden von Unternehmen und der
öffentlichen Hand weltweit umgesetzt. www.reiner-lemoine-institut.de
Das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) ist ein führendes
wissenschaftliches Institut auf dem Gebiet der praxisorientierten
Nachhaltigkeitsforschung. Rund 60 Mitarbeiter*innen erarbeiten Strategien
und Handlungsansätze für ein zukunftsfähiges Wirtschaften – für eine
Ökonomie, die ein gutes Leben ermöglicht und die natürlichen Grundlagen
erhält. Das Institut arbeitet gemeinnützig und ohne öffentliche
Grundförderung. Das IÖW ist Mitglied im „Ecological Research Network“
(Ecornet), dem Netzwerk der außeruniversitären, gemeinnützigen Umwelt- und
Nachhaltigkeitsforschungsinstitute in Deutschland. www.ioew.de
Das Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität (IKEM) ist ein
gemeinnütziger Verein und unabhängiges Forschungsinstitut mit mehr als 15
Jahren Erfahrung in der interdisziplinären Forschung zum Klimaschutz im
Spannungs¬verhältnis von Recht, Ökonomie und Politik. Ziel unserer
Forschung ist es, den Übergang zu einer klimaneutralen Wirtschaftsordnung
zu beschleunigen, faktenbasierte politische Entscheidungen zu ermöglichen
und eine langfristige Entwicklung zu fördern, die ökologisch,
wirtschaftlich und sozial nachhaltig ist. http://www.ikem.de/