Hör-Expertise und neue Technik verbessern Lebensqualität
1995 wird das Sächsische Cochlear Implantat Centrum am
Universitätsklinikum Dresden gegründet. | Mehr als 2.500 taub Geborenen,
Ertaubten oder Schwerhörigen wurde mit einem Cochlear Implantat geholfen.
| 30 Jahre Expertise ermöglichen Betroffenen ein Leben ohne große
Höreinschränkungen.
Vor 30 Jahren wurde das Sächsische Cochlear Implantat Centrum am
Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden gegründet. Seitdem wurde
insgesamt 2.514 taub geborenen oder hochgradig schwerhörigen Menschen mit
einem Cochlea-Implantat (CI) das Hören wieder ermöglicht. Dank der großen
chirurgischen und therapeutischen Expertise für Hörgeschädigte können
Betroffene aller Altersgruppen heute in den meisten Fällen ohne die
bislang üblichen massiven Einschränkungen ihrem Beruf nachgehen und ihren
individuellen Alltag gestalten. „Kommunikative Teilhabe ist ein
grundlegendes Element für das individuelle Wohlbefinden und die
gesellschaftliche Integration jedes Menschen. Dank modernster Technologie
und individueller Therapie sind wir in der Lage, vielen Menschen ihr Gehör
und damit ein bedeutendes Stück Lebensqualität zurückzugeben“, sagt Prof.
Uwe Platzbecker, Medizinischer Vorstand am Universitätsklinikum Dresden.
Hörgeschädigte gibt es in allen Generationen. Besonders in der
Altersgruppe der 18- bis 60-Jährigen sowie bei den über 60-Jährigen haben
über zwei Drittel der Patientinnen und Patienten in der Region von einer
Behandlung im Sächsischen Cochlear Implantat Centrum (SCIC) am Uniklinikum
Dresden profitiert. Aber auch Neugeborene werden aufgrund der großen
Erfahrung aus den vergangenen 30 Jahren am SCIC behandelt und mit
Cochlear-Implantaten (CI) ausgestattet. „Seit seiner Gründung 1995 wurden
an unserem Zentrum mehr als 2.500 Betroffene mit Hörverlust, davon allein
151 Patientinnen und Patienten im Jahr 2024, erfolgreich mit einem CI
versorgt und ihnen damit eine aktivere Teilhabe am Leben ermöglicht“, sagt
Prof. Marcus Neudert, Leiter des HörCentrums der Hochschulmedizin Dresden.
Der Vorteil eines Cochlea-Implantates: Während Hörgeräte die Lautstärke
von Geräuschen und Tönen erhöhen, umgehen Cochlea-Implantate die
geschädigten Haarzellen des Ohres und stimulieren den Hörnerv direkt. Bei
hochgradig Schwerhörigen werden Sprache und Töne wieder verständlich. Auch
wenn die operierten Patientinnen und Patienten nach der Aktivierung des
CI-Prozessors noch eine zweijährige Rehabilitation durchlaufen müssen, um
optimal mit dem Implantat hören zu können, sind die ersten Fortschritte
oft schon nach wenigen Wochen spürbar.
Elektrische Signale werden wieder hergestellt
Das Cochlea-Implantat wird hinter dem Ohr in den Schädelknochen eingesetzt
und ein Elektrodenträger in die Hörschnecke eingeführt (Cochlea =
Hörschnecke). Das Implantat verwandelt Geräusche und Töne, die das Ohr von
Betroffenen nicht mehr selbstständig wahrnehmen kann, in elektrische
Signale um. Diese Signale stimulieren über den Elektrodenträger den
intakten Hörnerv und werden an das Gehirn weitergeleitet. Auf diese Weise
können Geräusche wieder wahrgenommen und Sprache verstanden werden. „Das
Einsetzen des Cochlea-Implantats ist nur der erste Schritt“, erklärt PD
Dr. Susen Lailach, ärztliche Leiterin am SCIC. „Die Patientinnen und
Patienten müssen sich das Hören wieder aneignen. Das ist ein langwieriger
und anspruchsvoller Prozess, der sowohl Geduld als auch Empathie
erfordert.“ Die enge interdisziplinäre Zusammenarbeit gewährleistet am
Uniklinikum die Basis für die positive Entwicklung. Erfahrene
Operateurinnen und Operateure, das therapeutische Konzept des Zentrums
sowie individuell abgestimmte Rehabilitationspläne bilden die Grundlage
für erfolgreiche Behandlungen.
Spezialsprechstunden für individuelle Therapien
Das HörCentrum des Uniklinikums bietet Betroffenen individuelle und auf
sie zugeschnittene Hilfe in Spezialsprechstunden. Symptome und Beschwerden
rund um das Ohr oder das Hören sind vielschichtig und werden vor allem im
Kindesalter oft spät erkannt. Daher ist die frühe Diagnose einer
Hörstörung schon kurz nach der Geburt für eine normale Entwicklung des
Sprachvermögens erforderlich. Demnach bietet das Universitätsklinikum drei
spezialisierte Sprechstunden für Hör- und Ohrprobleme an: eine für
implantierbare Hörsysteme, eine für allgemeine Ohr- und Hörkrankheiten
sowie eine für kindliche Hörstörungen. Hier werden individuelle
Behandlungen, Diagnosen und mögliche Therapien wie Cochlea-Implantate
besprochen.
Erster CI-Patient praktiziert heute selbst als HNO-Arzt
Der erste Cochlear-Implantat-Patient am SCIC war 1995 Dr. Konstantin
Heckschen. Heute ist er selbst HNO-Arzt und nutzt seine eigenen
Erfahrungen, um anderen Betroffenen Mut zu machen. „Ich kann meinen
Patientinnen und Patienten zeigen, dass ein normales Leben mit Cochlear-
Implantat möglich ist und worauf es bei der Rehabilitation wirklich
ankommt“, sagt Dr. Konstantin Heckschen, der heute am Klinikum Bad
Hersfeld praktiziert. „Zwar ist ein Implantat kein perfektes Ohr, aber ein
sehr gutes.“ Besonders wichtig ist ihm, die Skepsis vieler Erwachsener zu
nehmen und ihnen zu vermitteln, dass modernes Hören trotz Einschränkungen
sehr gut funktionieren kann. Ziel des HNO-Experten ist es, das Thema Hören
präsenter zu machen und mehr Aufmerksamkeit für die Chancen der modernen
Hörmedizin zu generieren.
Weitreichende Entwicklung seit 1995
„Als ich 1995 mein Cochlear-Implantat bekam, musste ich noch einen
Prozessor am Hosenbund tragen, der durch ein Kabel mit meinem Kopf
verbunden war“, erinnert sich Dr. Heckschen. Heute sind die Geräte viel
kleiner und sitzen direkt am Ohr. Die Implantate sind mittlerweile
robuster und mit einer höheren Akkuleistung ausgestattet. Die größten
Fortschritte gab es jedoch erst in den letzten Jahren, ermöglicht durch
innovative Verarbeitungstechnologien, die das Sprachverstehen in lauter
Umgebung erheblich verbessert haben. „Künstliche Intelligenz wird sicher
zu nächsten großen Entwicklungen in der Signalverarbeitung und -weitergabe
beitragen“, sagt Prof. Marcus Neudert.