Höhenmedizin und Sport im Grenzbereich / Angst: Warum uns rationales Denken in extremen Situationen so schw
Die Erkenntnis, dass man so winzig ist in dieser unaufhörlichen Felswand,
macht einiges leichter“, sagt Profikletterer Rudolf Hauser aus Salzburg.
Wie die Psyche am Berg unter Belastung reagiert, was sie mit unserer
körperlichen Fähigkeit macht und warum uns rationales Denken in extremen
Situationen so schwerfällt, darüber spricht der Sportler, Filmemacher und
Referent auf dem 40. Jahreskongress der GOTS in der Donauuniversität
Krems.
Wenn man beobachtet, wie angstfrei Babys und Kinder eigentlich sind, bis
sie auf die Mimik der Eltern stoßen und diese verstehen, kann man ahnen,
was mentale Freiheit bedeutet. Eine Unbedarftheit kann beim Klettern am
Berg niemand gebrauchen. Jedoch: „Trotz aller Sportlichkeit kommt unser
Körper dort oben irgendwann ans Limit. Zum Großteil übernimmt dann der
Kopf“, so Hauser.
Viele sehr junge Kletterer strotzen vor Kraft und Ausdauer, haben teils
ein Gefühl der Unsterblichkeit und trauen sich Dinge, die weit über ihre
Möglichkeiten hinaus gehen. Häufig ist dann auch ein Quantum Glück dabei.
Hauser´s Mentor prägte den Satz: „Wenn´s soweit ist, dass man sich vor
seinem eigenen Mut fürchten muss, fehlt die Vorbereitung.“
Etwas älter geworden, mit Verantwortung im Leben, vielleicht auch mit
Familie, werden viele Extremsportler rationaler, planen besser und handeln
bewusster. Nicht umsonst sind alle großen namhaften Bergsteiger, die noch
leben, rationale, clevere Typen. Sie wissen, wann man umkehren muss, so
Hauser.
Zum Extrem-Klettersport gehören hartes Training und eine perfekte
Vorbereitung. Zu den ganz freien kurzen Genuss-Momenten, der höchsten
Kletterleistung am Berg, tastet man sich Schritt für Schritt hin.
Das Credo, so Hauser, ist hier: Work ethik eliminate fear. Heißt: Die
Arbeit, die du gezielt in eine Sache investierst, eliminiert deine Ängste.
Hauser: „Das ist wie mit einem Vortrag vor Hunderten Leuten. Hast du ihn
nicht ordentlich vorbereitet, wirst du schlecht schlafen davor, weil du
weißt, das wird nichts. Ist alles gut vorbereitet, kann ich körperlich und
mental ganz andere Limits erreichen.“
Das mentale Training wird heute noch überwiegend dem Sportler individuell
überlassen. Hauser: „Hier liegt – auch in den Kletterschulen und Vereinen
– noch viel Potential brach.“ Denn körperlich seien viele Athleten gleich
gut und hochtrainiert. Einige haben jedoch eine mentale Überlegenheit.
„Nicht die Stärksten sind in diesem Sport die Besten, sondern die
Ausgeglichensten“, sagt der Kletterer. Am Berg gingen die Gedanken häufig
Richtung Endgültigkeit, man müsse immer auch den Respekt vor dem Berg
behalten.
Übersetzt heißt das, du musst deine Hausaufgaben gemacht haben. Bin ich
gut vorbereitet? Wo muss ich schnell sein, in welcher Passage kann ich
mich vielleicht ein bisschen ausruhen, von woher können Steine
herabfallen?
Von der Tour-Planung bis zum Wetter, von der körperlichen Verfassung bis
zur Psyche – die Checkliste ist lang. Und dann kommt da noch die
Tagesverfassung. Ein Extrem-Kletterer muss aufwachen und spüren, ok. es
passt heute. Ich hab´s tausendmal gemacht, ich bin flüssig. Ich hab keinen
Kraftverlust wegen Problemen in meiner psychischen Verfassung. Am Ende
steht die Konsequenz der Entscheidung.
„Ein Restrisiko bleibt immer“, sagt Hauser, „dann musst du dich fragen,
was ist es mir wert? Unser Gehirn ist wie ein Schutzschalter – es schaltet
dir den Saft ganz schnell ab. Wenn du in der Nacht davor Ängste bekommst
oder dich unzureichend vorbereitet fühlst, muss du morgens dann doch
absagen.“