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Experte kritisiert Studie zur Schilddrüsendiagnostik: „Medizinisch nicht nachvollziehbar“

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Eine aktuelle Studie der TU Berlin hat im Gesundheitswesen für
Diskussionen gesorgt. Sie legt nahe, dass es im ambulanten Bereich bei
TSH-Messungen zur Schilddrüsenfunktion eine „Überversorgung“ gebe.


Priv.-Doz. Dr. med. Matthias Orth, Chefarzt des Instituts für
Laboratoriumsmedizin am Marienhospital Stuttgart, äußerte sich im
Exklusivinterview mit MedLabPortal (https://medlabportal.de) kritisch zu
den Ergebnissen und deren Interpretation. Der Facharzt für
Laboratoriumsmedizin, Medizinhygiene und Hämostaseologie sieht sowohl
methodische Schwächen als auch medizinische Fehleinschätzungen in der
Untersuchung.

Die Studie stützt sich auf Abrechnungsdaten der Kassenärztlichen
Vereinigung, um die medizinische Plausibilität von
Schilddrüsenuntersuchungen zu bewerten. Orth betont jedoch, dass solche
Daten nur bedingt Aussagekraft haben. „Die Symptome von
Schilddrüsenstörungen sind vielfältig, und eine TSH-Bestimmung ist
ressourcenschonend. Bei normalem Befund wird ein Ausschluss oft nicht per
ICD-Code dokumentiert“, erklärt er. Die Schlussfolgerung der Autoren, dass
Hormonbestimmungen wie fT4 bei bestimmten Diagnosen unnötig oder schädlich
seien, hält er für fragwürdig. Besonders die Bewertung der subklinischen
Hypothyreose – eine latente Unterfunktion – sieht Orth kritisch: „Die
Diagnosekriterien sind hier nicht eindeutig. Patienten dürfen nicht von
weiterer Diagnostik ausgeschlossen werden, nur weil ein Schaden suggeriert
wird.“

Die S2K-Leitlinie der DEGAM/AWMF empfiehlt bei verdächtiger Anamnese die
Bestimmung von fT4 zusätzlich zum TSH-Wert. Orth verteidigt diese Vorgabe:
„Die Leitlinie ist korrekt, versucht aber, verschiedene Ansätze zu
vereinen, ohne alle Details abzudecken.“ Ein generelles Screening bei
symptomfreien Personen werde nicht empfohlen, doch bei Verdacht auf
Störungen sei die schrittweise Diagnostik unerlässlich.
Ein Praxisproblem schildert Orth anhand eines typischen Falls:
Allgemeinmediziner bestimmen oft nur den TSH-Wert, um
Plausibilitätsprüfungen zu entgehen, und überweisen bei Auffälligkeiten an
Nuklearmediziner. „Das verzögert die Diagnose erheblich, verursacht
Mehrkosten und unnötige Arztbesuche“, so Orth. Er plädiert für eine
automatisierte Stufendiagnostik, wie sie auch die Kassenärztliche
Vereinigung vorschlägt. Die Kosten für TSH (2,03 Euro) und fT4 (3,15 Euro)
seien ohnehin gering und würden im Budget der Kassen nicht direkt
einsparen, da es sich um umverteiltes Geld handle.

Die Studie klassifiziere Schilddrüsenuntersuchungen als „low value care“ –
eine Kategorie für potenziell schädliche Maßnahmen. Orth widerspricht:
„Das ist irreführend. Im Gegensatz zu wirklich schädlichen Untersuchungen,
wie bei Choosing Wisely gelistet, ist die Schilddrüsendiagnostik nützlich
und kosteneffizient.“ Er kritisiert zudem die rein ökonomische Perspektive
der Krankenkassen und schlägt vor, den sogenannten
Wirtschaftlichkeitsbonus, den Ärzte für das Unterlassen von
Laborleistungen erhalten, stattdessen in leitliniengerechte Diagnostik zu
investieren.

Patientinnen und Patienten mit unklaren Symptomen rät Orth, auf die
Empfehlung der Kassenärztlichen Vereinigung zu verweisen: „Fordern Sie
eine TSH-Bestimmung und bei Auffälligkeiten automatisch fT4 und
gegebenenfalls fT3.“ Damit könne eine schnelle und sinnvolle Diagnose
gesichert werden.

MedLabPortal ist das offizielle Informationsportal der Deutschen
Gesellschaft für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin (DGKL).

Das vollständige Interview finden Sie hier:
https://medlabportal.de/die-verwendung-von-abrechnungsdaten-fuer-eine-
medizinische-plausibilitaetspruefung-bei-ambulanten-patienten-ist-zu-
hinterfragen/

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