RWU Professorin Marlene Haupt über den Gender-Pension-Gap – dieser deutet auf ein zu wenig beachtetes soziales Problem
Professorin Dr. Marlene Haupt, seit 2017 Teil der Fakultät Soziale Arbeit,
Gesundheit und Pflege an der RWU, befasst sich mit verschiedenen Faktoren
sozialer Ungleichheit.
Ein bisher eher vernachlässigter Gradmesser
diesbezüglich ist der sogenannte Gender-Pension-Gap, der verhältnismäßig
groß ausfällt.
Professorin Dr. Marlene Haupt, seit 2017 Teil der Fakultät Soziale Arbeit,
Gesundheit und Pflege an der RWU, befasst sich mit verschiedenen Faktoren
sozialer Ungleichheit. Ein bisher eher vernachlässigter Gradmesser
diesbezüglich ist der sogenannte Gender-Pension-Gap, der verhältnismäßig
groß ausfällt.
Der Gender-Pension-Gap beschreibt den durchschnittlichen Unterschied der
Renteneinkünfte zwischen Männern und Frauen. Die exakte Größe des Gaps ist
abhängig davon, welche Daten für die Berechnungen miteinbezogen werden.
Werden zum Beispiel neben den gesetzlichen Renteneinkünften auch
betriebliche Renten oder anderweitige private Altersvorsorgen
miteinberechnet, variiert die Höhe der Rentenlücke. Je nach Berechnung
liegt der Gender-Pension-Gap zwischen Männern und Frauen derzeit bei 30
bis 60%. „Im Prinzip ist dieser Umstand aus den Ungleichheiten zu
erklären, die bereits während des Erwerbslebens entstehen. Wer wenig
verdient, bekommt später auch weniger Rente.“, so RWU Professorin Marlene
Haupt.
Dass Frauen bis heute durchschnittlich weniger als Männer verdienen, liegt
allerdings nicht daran, dass diese grundsätzlich weniger arbeiten würden.
„Tatsächlich arbeiten viele Frauen durchschnittlich länger als Männer in
einer normalen Arbeitswoche.“, so Marlene Haupt. Das Problem: Viel Arbeit
von Frauen erfolgt unbezahlt, zum Beispiel in Form klassischer Carearbeit,
oder wird in unterbezahlten und rentenversicherungsfreien
Beschäftigungsformen wie typischen „Minijobs“ ausgeführt. „Zudem arbeiten
viele Frauen nach der Geburt des ersten Kindes häufig in Teilzeit und in
familienfreundlichen, aber schlechter zahlenden Branchen“.
Insgesamt sind deshalb Frauen auch etwa fünfmal häufiger von Altersarmut
betroffen als Männer. Der Gender-Pension-Gap fällt aber auch geografisch
unterschiedlich stark aus. Derzeit ist er in Westdeutschland deutlich
größer als in Ostdeutschland. Marlene Haupt erklärt dies historisch: „In
Ostdeutschland gingen und gehen Frauen nach einer Mutterschaft wesentlich
schneller zurück in die Arbeitswelt. Zudem ist die institutionalisierte
Kinderbetreuung dort flächendeckend verfügbar und wird von Familien
stärker genutzt.“
Eine aktuell politisch viel diskutierte Maßnahme, um den Gender-Pension-
Gap zu verringern, ist der weitere Ausbau der Mütterrente. Sie ist auch
Teil der aktuellen Sondierungsgespräche zwischen CDU, CSU und SPD. „Das
Konzept ist allerdings ökonomisch umstritten, da es hohe Kosten verursacht
und nach dem Gießkannenprinzip funktioniert.“, so die RWU Professorin.
Dies bedeutet, dass es keine gezielte Lösung für die von Altersarmut
betroffenen Frauen bietet, da die Ausschüttung unabhängig von Bedarf und
Bedürftigkeit stattfindet.
Die Wissenschaftlerin ist der Ansicht, dass die Problematik aus einem
größeren Blickwinkel betrachtet werden müsste: „Deutschland ist bis heute
von einem konservativen Familienbild geprägt. Das System ist auf
mütterliche Betreuung ausgerichtet und das spiegelt sich letztlich auch in
den Renteneinkünften wider.“ Doch dieser Problematik könnte man
entgegenwirken. Für Marlene Haupt wären der Ausbau, die Flexibilität und
die weitere Professionalisierung institutionalisierter Kinderbetreuung
eine sinnvolle Maßnahme.
Darüber hinaus betont Haupt die Notwendigkeit, Anreizstrukturen im Steuer-
und Transfersystem zu überdenken. „Das aktuelle System begünstigt
traditionelle Rollenverteilungen und behindert die wirtschaftliche
Unabhängigkeit von Frauen.“ Insbesondere die steuerliche Begünstigung des
Ehegattensplittings sowie die Minijob-Regelung führen dazu, dass Frauen
häufiger in geringfügigen Beschäftigungen arbeiten und dadurch geringere
Rentenanwartschaften aufbauen. „Die Abschaffung des Ehegattensplittings
und eine Reform der Minijob-Regelung könnten dazu beitragen, dass Frauen
stärker in existenzsichernde, sozialversicherungspflichtige Beschäftigung
eintreten und langfristig höhere Rentenansprüche erwerben.“, so die
Professorin.
Text: Alec Weber