Hannover Messe: Nachhaltige Rechenzentren – Wie KI um bis zu 90 Prozent energieeffizienter wird
Künstliche Intelligenz soll vom Energiefresser zum Energiesparer werden.
Das Forschungsteam von Professor Wolfgang Maaß an der Universität des
Saarlandes und am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz
(DFKI) will KI um bis zu 90 Prozent energieeffizienter machen.
Um den
ökologischen KI-Fußabdruck zu verbessern, denkt das Team Rechenzentren,
Sprachmodelle und visuelle Modelle neu – und verschafft zugleich
mittelständischen und kleineren Unternehmen Zugang zu leistungsfähigen KI-
Modellen. Auf der Hannover Messe vom 31. März bis 4. April stellen die
Forscherinnen und Forscher ihre Technologien am Stand des
Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz vor (Halle 2 Stand A18).
Rechenzentren verbrauchen viel Energie. Im vergangenen Jahrzehnt hat sich
ihr Strombedarf in Deutschland laut dem Digitalverband Bitkom mehr als
verdoppelt. Tendenz: stark steigend – die digitale Transformation kommt
gerade erst in Fahrt. Daten zu speichern, sie zu verarbeiten, hin- und
herzuschicken, sie abzurufen – alles kostet Strom. Vor allem Künstliche
Intelligenz ist ein Energiefresser. KI-Modelle mit Massendaten anzulernen,
sie zu trainieren und zu betreiben, verbraucht rund um den Globus viele
Terawattstunden. Bilder und Texte mit solchen KI-Modellen zu erstellen,
ebenso. Immer mehr Rechenzentren müssen also immer größer werden, brauchen
immer mehr Strom, immer mehr Kühlung und stoßen so immer mehr
Kohlenstoffdioxid aus. Das kommt auch dem europäischen Ziel in die Quere,
bis 2050 klimaneutral zu werden. – Wenn alles so bleibt, wie es ist.
„Künstliche Intelligenz kann erheblich energieeffizienter werden. Mit den
richtigen Methoden können wir die Rechenzentren der Zukunft nachhaltiger
gestalten“, ist Professor Wolfgang Maaß überzeugt, der an der Universität
des Saarlandes und am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche
Intelligenz (DFKI) forscht. Um den Energiehunger der KI zu drosseln und
Ressourcen zu schonen, entwickelt sein Forschungsteam schlankere,
bedarfsgerechtere KI-Modelle. Außerdem wollen die Forscher für
Rechenzentren Einsparpotenzial aufzeigen.
„Indem wir die Modelle kleiner und effizienter machen, tragen wir zum
einen zu mehr Nachhaltigkeit bei“, sagt Sabine Janzen, promovierte
Forscherin im Team von Wolfgang Maaß. „Zum anderen öffnet dies gerade auch
mittelständischen und kleineren Unternehmen Zugang zu leistungsfähigen KI-
Modellen. Die kleineren KI-Modelle bedürfen keiner großen Infrastruktur
mehr. Sie werden damit für alle zugänglich und nicht nur für die großen
Player“, betont sie.
Heutige Chatbots wie ChatGPT und visuelle KI-Modelle verwenden Billionen
Parameter und nutzen riesige Datenmodelle, um ihre Aufgaben zu erfüllen.
Entsprechend hoch ist ihr Energieverbrauch. Diesen Verbrauch wollen die
Forscherinnen und Forscher senken. Und zwar ohne, dass die KI-basierten
digitalen Assistenten gewünschte Antworten schuldig bleiben. „Wir arbeiten
dabei unter anderem mit sogenannter Wissensdestillation. Das ist eine Art
Kompressionstechnologie, mit der wir die Modelle kleiner machen. Bei
vergleichbarer Leistung verbrauchen KI-Modelle hierdurch weit weniger
Energie", erklärt Sabine Janzen.
Ebenso wie es nicht notwendig ist, bei einer Frage eine ganze Bibliothek
zu lesen, sondern nur die Bücher mit passenden Antworten, gehen die
Forscherinnen und Forscher auch hier vor: Sie extrahieren aus großen
Lehrermodellen kleine, fokussierte und sparsame Schülermodelle. Indem sie
also das wirklich benötigte Wissen für einen Aufgabenbereich destillieren
und auf das Wesentliche reduzieren, können sie die Datenmodelle um bis zu
90 Prozent verschlanken. Unwesentliche Parameter werden erst gar nicht
verarbeitet. „Diese Schülermodelle bringen vergleichbare Leistung, kommen
aber perspektivisch mit bis zu 90 Prozent weniger Energie aus“, sagt die
Forscherin.
Speziell bei visuellen KI-Modellen, also solchen, die digitale Bilddaten
verarbeiten, erzielen die Forscher bereits gute Ergebnisse mit einer
weiteren Methode, die hilft, Energie zu sparen: mit der sogenannten
„Neuronalen Architektursuche“. „Unsere neuesten Ergebnisse zeigen, dass
wir auch hiermit die Modelle um rund 90 Prozent verkleinern können“, sagt
Sabine Janzen. Dabei nehmen die Forscher eine sehr energieintensive KI-
Methode in den Fokus, die große Datenmassen auswerten kann: das
maschinelle Lernen mit künstlichen neuronalen Netzen. Diese ahmen das
menschliche Gehirn nach. Viele Milliarden Nervenzellen, Neuronen genannt,
sind im Gehirn über Billionen von Synapsen miteinander verbunden. In einem
neuronalen Netz kommunizieren die Neuronen über Synapsen-Schnittstellen
miteinander. Beim Training des neuronalen Netzes bilden sich hier neue
Verbindungen während andere sich wieder auflösen.
In künstlichen neuronalen Netzen laufen Lernprozesse ähnlich ab. Sie
können mit Daten trainiert werden, so dass sie zum Beispiel Muster in
Sprache oder Bildern erkennen. Aber im Gegensatz zum Gehirn, das ein
Meister in Sachen Energieeffizienz ist, braucht dieses Training viel
Rechenleistung und damit viel Strom: Solche künstlichen neuronalen
Netzwerke sind Ergebnis aufwändiger Handarbeit. Menschen stellen sie
zusammen, passen die Parameter immer weiter an, solange, bis dann
schließlich gute Ergebnisse herauskommen. Hier bringt das Saarbrücker
Forschungsteam die „Neuronale Architektursuche“ ins Spiel. „Anstatt die
Zusammensetzung der neuronalen Netze manuell zu entwerfen, verwenden wir
dieses Verfahren, bei dem KI automatisch die beste Architektur findet“,
erklärt Sabine Janzen, „Wir probieren dabei verschiedene Netzstrukturen
aus und optimieren diese, um ein Modell mit hoher Leistung, Effizienz und
reduzierten Kosten zu erstellen.“
Um ihre komprimierten KI-Modelle in der Praxis zu testen, arbeitet das
Team von Wolfgang Maaß mit der Stahl Holding Saar zusammen. Die Aufgabe,
die sie den künstlichen neuronalen Netzen beibringen wollen, ist,
Stahlschrott zu sortieren. Um aus altem Stahl neuen herzustellen,
benötigen die Stahlproduzenten Schrott der richtigen Güte. Für hochwertige
Stähle sind nur bestimmte Schrottsorten geeignet. Auf dem Hüttengelände
werden riesige Mengen verschiedensten Schrotts angeliefert, der sortiert
werden muss. Dies soll automatisch geschehen – bislang aber ist das KI-
Modell gewaltig. „Wir komprimieren das visuelle Modell zur
Schrottsortierung. Dadurch wird es kompakt, arbeitet energieeffizient und
zum Teil sogar performanter, also leistungsfähiger; der Stahlrecycling-
Prozess wird effektiver“, sagt Sabine Janzen. Wo sonst ein riesiges Modell
viel Energie verbrauchen würde, übernimmt ein kleines, maßgeschneidertes
und energieeffizientes KI-Hirn die Aufgabe.
Die Forscherinnen und Forscher trainieren dafür ihre Modelle zunächst mit
dem kompletten Datenpaket, in dem sämtliche Informationen enthalten sind.
Im Anschluss komprimieren sie die KI-Modelle durch Wissensdestillation und
speziell zusammengestellte neuronale Netze, so dass sie nur die wirklich
erforderlichen Parameter enthalten. Ziel ist, dass die KI alles an Wissen
enthält, um anhand von Kameraaufnahmen zu erkennen, welche Sorte
Stahlschrott geliefert wurde.
Mit Partnern erarbeitet das Saarbrücker Forschungsteam zudem ein Konzept
und Handlungsempfehlungen für nachhaltige Rechenzentren und
energieeffiziente KI. „Bislang können Entscheidungsträger nur schwer
abschätzen, für welche Modelle sie wie viel Energie verbrauchen werden.
Das macht es für sie schwierig, wirtschaftlich zu planen“, erläutert die
Doktorandin Hannah Stein, die an den energiesparenden KI-Methoden forscht.
„Wir erarbeiten daher ein Werkzeug, das zuverlässige Prognosen ermöglicht,
wie der genaue Energieverbrauch und die zusammenhängenden Kosten der KI-
Modelle aussehen werden“, erklärt Hannah Stein. Mit diesem Wissen können
Rechenzentren und KI-Anwender besser planen, unwirtschaftliche Abläufe
erkennen und notfalls Gegenmaßnahmen ergreifen – zum Beispiel große
Rechenleistungen dann einplanen, wenn der Strompreis günstig ist.
Das Team von Professor Wolfgang Maaß wurde mit diesen Forschungen für den
Stand des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz auf der
Hannover Messe ausgewählt. Hier zeigen die Forscherinnen und Forscher ihre
bisherigen Ergebnisse im Projekt namens „ESCADE“, das am Deutschen
Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz DFKI läuft.
Hintergrund:
Das Projekt ESCADE wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und
Klimaschutz (BMWK) mit rund fünf Millionen Euro über eine Laufzeit von
drei Jahren gefördert.
ESCADE steht für „Energy-Efficient Large-Scale Artificial Intelligence for
Sustainable Data Centers“. Das Projekt läuft bis Ende April 2026. Partner
des Forschungsteams von Wolfgang Maaß an der Universität des Saarlandes
und am DFKI sind die NT Neue Technologie AG, die Stahl-Holding-Saar GmbH &
Co. KGaA, die SEITEC GmbH, die Technische Universität Dresden, die
Universität Bielefeld sowie der österreichische Partner Salzburg Research
Forschungsgesellschaft.
<https://escade-project.de>