Technologien, um sich gegen Trockenheit im Süden Brandenburgs zu wappnen
Im Projekt „SpreeWasser:N“ entwickeln Forschungsteams Konzepte, wie sich
die Region mit einem Dürrefrühwarnsystem und künstlicher
Grundwasseranreicherung an Wetterextreme anpassen kann
Die Situation ist paradox:
Obwohl es in dem Brandenburger Gebiet
südöstlich von Berlin, zwischen Spreewald und Hauptstadt, viele Gewässer
gibt, ist es eine Region mit einem der höchsten Wasserdefizite in
Deutschland. Es ist das Einzugsgebiet der Unteren Spree. Um die Dramatik
zu beschreiben, sprechen Fachleute gar vom südlichen Brandenburg als der
Wüste Deutschlands. Die Ursachen sind vielfältig und seit Langem bekannt:
heiße Sommer mit hohen Verdunstungsraten, länger andauernde
Trockenperioden und sinkende Pegelstände, geringe Niederschläge und
geringe Grundwasserneubildung. So haben sich in einigen Regionen die
Grundwasserstände um bis zu drei Metern seit der Jahrtausendwende gesenkt.
Die jährliche Grundwasserneubildung beträgt jedoch durchschnittlich nur 80
Millimeter.
Ein Drittel der Fläche geeignet
Ein Weg, den Wassermangel auszugleichen, ist die künstliche
Grundwasserspeicherung in tiefen Schichten des Grundwasserleiters. Ein TU-
Team unter Leitung der Hydrogeologin Prof. Dr. Irina Engelhardt
identifizierte deshalb im Einzugsgebiet der Unteren Spree Standorte, die
eine solche künstliche unterirdische Grundwasseranreicherung möglich
machen würden. Die Forschungen sind Teil des großangelegten Projektes
„SpreeWasser:N“, dessen Ziel es ist, Konzepte zu entwickeln, mit denen
sich die Region Berlin-Brandenburg an Wetterextremereignisse – heiße
Sommer, lange Dürreperioden, Starkregen und Hochwasser – anpassen kann.
Das Gebiet, das im Projekt „SpreeWasser:N“ untersucht wurde, ist die
eingangs beschriebene südöstlich von Berlin gelegene Region zwischen dem
Spreewald in der Niederen Lausitz und der Hauptstadt. Es umfasst eine
Fläche von 3500 Quadratkilometern, etwa das Vierfache Berlins.
„Nur etwa ein Drittel der Fläche unseres Untersuchungsgebiets eignet sich
für eine künstliche unterirdische Grundwasseranreicherung, wo
Infiltrationsbrunnen gesetzt werden könnten, die zwischen 50 bis 80 Meter
in die Tiefe reichen. Die Flächen liegen hauptsächlich in Wäldern“, sagt
Prof. Dr. Irina Engelhardt, Leiterin des Fachgebiets Hydrogeologie an der
TU Berlin und Koordinatorin von „SpreeWasser:N“. „Die Wasserschutzzonen 1
und 2, Flächen mit Altlasten und der Gefahr hoher Nitratbelastung sowie
landwirtschaftliche Flächen kamen für uns nicht in Frage. Auch mussten es
Gebiete sein, in deren Untergrund sich ein entsprechend mächtiger und
kontinuierlicher Grundwasserleiter befindet, um Wasser speichern zu
können. Und die Standorte sollten sich im Zustrom der Förderbrunnen eines
Wassernutzers, wie zum Beispiel eines Wasserversorgers oder Landwirt
befinden, um einen direkten Zustrom zu garantieren und Verluste zu
minimieren. Wir sind von Speicherzeiten zwischen zwei und fünf Jahren für
die Dimensionierung des Untergrundspeichers ausgegangen. Damit kann
zusätzlich auch die natürliche Reinigungskraft des Untergrundes genutzt
werden.“
Die Seitenarme der Spree werden angezapft
Die künstliche Grundwasseranreicherung beruht auf der Idee, überschüssiges
Wasser in Zeiten von Regenperioden oder bei Extremereignissen wie
Starkregen oder Hochwasser zunächst abzufangen und in Senken
zwischenzuspeichern und dann in den Grundwasserleiter zu infiltrieren oder
zu injizieren, um es bei Extremereignissen wie lang anhaltender Dürre dann
wieder zur Verfügung zu haben – für Haushalte, Landwirtschaft, Tourismus,
Industrie und natürlich für Fauna und Flora.
Das Überschusswasser kommt in dem TU-Konzept aus den vielen kleinen
Seitenarmen der Spree, den sogenannten Fließen. Die Wissenschaftler
errechneten mit den Daten aus langjährigen Messreihen des Brandenburger
Landesamtes für Umwelt und unter Einbeziehung von im Projekt erstellten
Klimaprojektionen, dass aus den Fließen circa 20 Prozent des Wassers, das
aktuell von dem ansässigen Wasserversorger in der Region aus dem
Grundwasser entnommen wird, unterirdisch gespeichert werden könnte und in
Dürrezeiten zur Verfügung stünde. Die verfügbare Menge variiert jedoch
stark zwischen den einzelnen Einzugsgebieten.
Um die Standorte für die Infiltrationsbrunnen zur künstlichen
Grundwasseranreicherung in der Tiefe bestimmen zu können, haben die TU-
Hydrogeologen zuvor ein dreidimensionales geologisches und
hydrogeologisches Modell mit Methoden des Maschinellen Lernens erstellt.
Das Modell gibt unter anderem Auskunft über die geologische Beschaffenheit
des Untergrundes, die Tiefenlage und Mächtigkeit der Grundwasser führenden
Schichten. Das Modell wird später den Behörden und Wasserversorgern für
ihre wasserwirtschaftlichen Planungen zur Verfügung gestellt.
Weltweit im Einsatz, in Deutschland (noch) verboten
Die künstliche Grundwasseranreicherung an den im Untersuchungsgebiet
ausgewiesenen Standorten würde sich auch eignen, um Klarwasser, also
gereinigtes Abwasser zu speichern. Diese Technologie wird weltweit
praktiziert: im Mittleren Osten, besonders in Israel und Jordanien, in
Frankreich, in Spanien, in Italien, Kalifornien, Australien. Das deutsche
Wasserrecht lässt diese Technologie bislang nicht zu. Deutsche Behörden
haben gesundheitliche Bedenken. Doch juristische Analysen des Lehrstuhls
für Nationales Wasserrecht an der Universität Trier, Kooperationspartner
im Projekt, kommen zu einem anderen Ergebnis: In der bestehenden
Gesetzgebung gebe es Spielräume, Klarwasser zu verwenden. „Bislang war
Deutschland in der komfortablen Situation, auf gereinigtes Abwasser
verzichten zu können. Die verfügbaren Wassermengen reichten aus. Ich denke
aber, dass Deutschland künftig nicht umhinkommen wird, eine andere
Position zur Nutzung von Klarwasser einzunehmen. Auch sind die deutschen
Wassergesetze alt und nehmen keinen Bezug auf den Klimawandel. Sie sind
nicht mehr ganz zeitgemäß“, so Prof. Dr. Irina Engelhardt.
Benutzerfreundliche Toolbox für Wasserversorger, Planungsbüros und
Behörden
Neben der Methode der künstlichen Grundwasseranreicherung beschäftigte
sich der Kooperationspartner Ingenieurgesellschaft Prof. Dr. Sieker mbH
auch mit dem Wasserrückhalt in Gewässern und der Entwicklung eines
Prototyps für kontrollierte Drainagen, zwei weiteren Methoden, um den
Winterregen im Sommer zur Verfügung zu haben und vor allem die
Landwirtschaft gegen Dürre zu wappnen.
Diese drei Methoden der Wasserspeicherung hat das Leibniz-Zentrum für
Agrarlandschaftsforschung (ZALF e.V.) in einer Toolbox für
Wasserversorger, Planungsbüros und Behörden benutzerfreundlich
aufgearbeitet. Für jede Methode werden Aussagen getroffen, wie viel Wasser
damit gespeichert werden kann, was die Umsetzung potenziell kostet und
welche Gesetze zu berücksichtigen sind.
Weitere Ergebnisse des Projektes sind unter anderem die Entwicklung eines
Dürrefrühwarnsystems für das Untersuchungsgebiet durch das ZALF e.V. und
neuartige Sensoren zur Messung der Bodenfeuchte am Karlsruher Institut für
Technologie (KIT). Am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung erstellten
Forscher ein Modell der Spree, an dem sich ablesen lässt, wie sich die
Pegelstände des Flusses perspektivisch entwickeln werden: Eine Prognose
besagt, dass die Spree Ende der 2030er-Jahre auf dem Weg aus dem Spreewald
Richtung Berlin spätestens am Pegel Große Tränke in heißen Sommermonaten
kein Spreewasser mehr der Hauptstadt Berlin zuführen wird. Denn mit dem
Ausstieg aus der Braunkohle in der Lausitz entfallen auch die
Sümpfungswassereinleitungen aus den Braunkohletagebauen, die bislang den
Abfluss der Spree stabilisieren.
Das Projekt „SpreeWasser:N“ ist eines von zwölf Vorhaben, die innerhalb
der Maßnahme „WaX – Wasser-Extremereignisse“ vom Bundesministerium für
Bildung und Forschung (BMBF) gefördert werden:
<https://www.spreewasser-n.de/
Während der WaX-Abschlusskonferenz des BMBF am 12 und 13 März 2025 in der
Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften wird Prof. Dr. Irina
Engelhardt den Vortrag halten „SpreeWasser:N – Adaption an Wasser-
Extremereignisse: Dürremanagement, integrierte
Wasserbewirtschaftungskonzepte und verbesserte Wasserspeicherung in der
Region Berlin-Brandenburg“.