„Journalismus war noch nie wichtiger als heute“ – Blick in die Zukunft des Journalismus
Journalismus befindet sich im Umbruch. Desinformation und Polarisierung
nehmen zu – ebenso die Zahl der Menschen, die etablierten Medien zutiefst
misstrauen.
Druckauflagen sinken, digitale Angebote sind oft nicht
rentabel, Redaktionen schließen, der öffentlich-rechtliche Rundfunk steht
in der Kritik. Wie kann Journalismus diesen Herausforderungen begegnen?
Was braucht es, damit Journalismus eine Zukunft hat – und warum ist das
erstrebenswert? Antworten auf diese Fragen geben nun
Kommunikationswissenschaftler der Katholischen Universität Eichstätt-
Ingolstadt, der Hochschule Magdeburg-Stendal und der Universität der
Bundeswehr München.
Prof. Dr. Klaus Meier, Inhaber des Lehrstuhls für Journalistik mit
Schwerpunkt Innovation und Transformation an der Katholischen Universität
Eichstätt-Ingolstadt (KU) skizziert gemeinsam mit Maike Körner und
Korbinian Klinghardt (beide KU), Prof. Dr. Michael Graßl (Hochschule
Magdeburg-Stendal) und Prof. Dr. Jonas Schützeneder (Universität der
Bundeswehr München) im neuen Buch „Die Zukunft des Journalismus“ zentrale
Herausforderungen, aktuelle Trends und Szenarien für das nächste
Jahrzehnt. Zunächst aber machen die Forschenden deutlich, warum es
überhaupt wichtig ist, sich diese Gedanken zu machen: „Eine Demokratie ist
ohne Journalismus nicht überlebensfähig.“ Wenn Journalismus unter
wirtschaftlichen oder politischen Druck gerate, könne er seine Aufgabe,
angemessen zu informieren, nicht erfüllen und die Polarisierung der
Gesellschaft nehme zu. Als zentrale Aufgaben des Journalismus nennen die
Forschenden Orientierung und Aufklärung. Deswegen werden in autoritären
Staaten journalistische Aktivitäten unterdrückt.
In Deutschland sieht das Autorenteam den Journalismus aktuell durch
negative wie positive Trends geprägt. Auf der einen Seite stehen unter
anderem die Informationsflut der digitalen Medienwelt, die Problematik von
Desinformation und die einbrechenden Werbeeinnahmen, auf der anderen Seite
sind beispielsweise zumindest überregionale Tageszeitungen mittlerweile
erfolgreich im Digitalgeschäft. „Wir befinden uns mitten in einem
Wendepunkt“, erklärt Prof. Dr. Klaus Meier. „Einerseits steht Journalismus
unter Druck, andererseits ist vielen Menschen bewusst geworden, wie
wichtig geprüfte Informationen im Zeitalter der Desinformation und
digitalen Propaganda sind. Journalismus war noch nie wichtiger als heute.“
Auch in ihrem Blick in die Zukunft schwanken die Forschenden zwischen
Sorge und Zuversicht. „Im nächsten Jahrzehnt wird die Überlebensfähigkeit
von Medienunternehmen und ihren Redaktionen davon abhängen, dass sie
digitale Transformation ganzheitlich, insbesondere auch als kulturelle
Veränderung, begreifen.“ Was das konkret bedeutet, beschreiben die
Forschenden in ihrem Buch anhand von zehn Zukunftstrends.
Eine wichtige Rolle wird demnach konstruktiver Journalismus spielen.
Menschen erwarten vom Journalismus zunehmend Lösungen und Perspektiven,
nicht nur das Aufzeigen von Problemen und das Aufdecken von Skandalen.
Konstruktiver Journalismus hat nach Ansicht der Autoren das Potenzial, dem
Problem der bewussten Vermeidung von Nachrichten entgegenzuwirken: „Die
Frage ,Wie geht es weiter?‘ wird künftig zu jeder guten Recherche
dazugehören.“
Bei der Recherche aber auch beim Erzählen wird zudem Künstliche
Intelligenz zunehmend wichtiger werden. Das bedeute nicht, dass alle
Journalisten in Zukunft Experten im Programmieren und im Füttern der KI
sein müssen. „Entscheidend wird sein, den Umgang mit KI transparent
darzulegen, KI-generierte Inhalte zu prüfen und größtmögliche
Perspektivenvielfalt sicherzustellen“, sagt Prof. Dr. Michael Graßl.
Potenzial sehen die Autoren darüber hinaus im Lokaljournalismus, wenn auch
nicht in Form einer täglich gedruckten Zeitung: „Wir erwarten eine Art der
Renaissance der Abendzeitung in Form von E-Paper, Newsletter, Videoblogs
oder Audio-Streams.“ Damit das Konzept aufgehe, sei ein aktives
Einbeziehen der Menschen vor Ort wichtig und eine Konzentration auf „local
only“, denn „nur hier ist der Lokaljournalismus exklusiv, hat Mehrwert und
damit eine Finanzierungsmöglichkeit.“
Mit ihrem Buch appellieren die Forschenden gezielt an das Publikum,
Journalismus zu schätzen, dafür zu zahlen und ihn gegen Angriffe zu
verteidigen. Eine Bringschuld sehen die Autoren auch beim Journalismus
selbst: „Jede Redaktion muss Bürgerinnen und Bürger immer wieder davon
überzeugen, dass sie unverzichtbar und nützlich für die Gesellschaft und
für jeden einzelnen ist. Es liegt auf der Hand, dass dies nur mit Qualität
gelingt.“ Zentrale Kriterien für qualitativ hochwertigen Journalismus
zeigten sich über die einzelnen Zukunftstrends hinweg deutlich:
„Unabhängigkeit, Vielfalt, Fairness und Transparenz sind die Bausteine des
Journalismus der Zukunft.“
Für das Buch griffen die Wissenschaftler auf Erkenntnisse aus dem
internationalen Forschungsprojekt „Innovationen im Journalismus in
demokratischen Gesellschaften“ („JoIn-DemoS“) zurück, das sie 2023
erfolgreich abschlossen. „Unser Blick in die Glaskugel basiert auf den
damals entstandenen hundert Fallstudien in fünf Ländern sowie 40
zusätzlichen Hintergrundgesprächen mit Journalisten und Medienexperten“,
erläutert Prof. Dr. Jonas Schützeneder.