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Insektenfreundliche Landwirtschaft braucht Teamwork: Erfolgreich kooperieren für den Insektenschutz

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Wie können Landwirtinnen und Landwirte durch ihre aktive Beteiligung den
Insektenschutz wirksamer machen? Ein Forschungsteam entwickelt und testet
in drei Agrarregionen Deutschlands gemeinsam mit Praxisakteuren Maßnahmen
zur Förderung der Insektenvielfalt.

 So konnten viele Maßnahmen, wie
mehrjährige Blühstreifen, vielfältigere Fruchtfolgen, Anlage von Hecken
und Streifenanbau nur durch diese partnerschaftliche Zusammenarbeit
umgesetzt werden und ihre potenzielle ökologische Wirkung in der
Landschaft entfalten. Worauf es ankommt und welche ersten Erfahrungen
gemacht wurden, wird im Journal of Innovation Management im Rahmen einer
Veröffentlichung unter Leitung des ZALF dargelegt.

Um Agrarlandschaften insektenfreundlicher zu gestalten, wurden drei
sogenannte Landschaftslabore in verschiedenen Regionen Deutschlands
eingerichtet. Landschaftslabore sind großflächige Experimentierräume, in
denen Wissenschaft, Landwirtschaft und weitere regionale Akteure/innen
gemeinsam an nachhaltigen Lösungen für die Agrarlandschaft arbeiten. Sie
ermöglichen es, innovative Maßnahmen nicht nur im kleinen Maßstab auf
einzelnen Feldern, sondern auf der Landschaftsebene zu erproben und ihre
langfristige Wirkung zu analysieren.

Die drei Landschaftslabore des Projekts liegen in folgenden Regionen:

- Havelländisches Luch (Brandenburg): Eine feuchte Niederungslandschaft
mit hohem Anteil an Grünland und einem ausgedehnten Wassergrabennetz, die
sowohl für die Tierhaltung als auch für den Ackerbau (Mais, Weizen, Gerste
und Raps) genutzt wird. Die Betriebe und Felder sind hier im Vergleich zu
den anderen Landschaften im Durchschnitt größer.
- Elm (Niedersachsen): Eine von Ackerbau geprägte Hügellandschaft mit sehr
heterogenen Böden und einer durchschnittlichen Betriebsgröße von 180 ha.
Hauptsächlich werden Wintergetreide und Raps aber auch viele andere
Feldfrüchte angebaut.
- Rottal (Bayern): Eine Agrarlandschaft mit fruchtbaren Böden und kleinen
Feldgrößen, die aber stark durch den Maisanbau geprägt sind.  Hier ist die
Erosion durch starke Niederschläge eine große Herausforderung.

Gemeinsam für mehr Artenvielfalt

Die Akzeptanz und Umsetzung wirksamerer Fördermaßnahmen für Insekten durch
die Landwirte/innen gilt in der Ökologie allgemeinhin als „Flaschenhals“
für mehr Wirksamkeit bei der Förderung von Insekten. In einem gemeinsamen
Aufruf haben deshalb kürzlich mehr als 300 Wissenschaftler/innen weltweit
neben einer besseren Ausgestaltung der Maßnahmen und eines verbesserten
Monitorings vor allem auch eine stärkere Einbeziehung von Landwirten/innen
in die Ausgestaltung der Fördermaßnahmen gefordert. In den drei
Landschaftslaboren des Projektes FInAL unter Federführung des
Braunschweiger Thünen-Instituts erproben Landwirte/innen gemeinsam mit
Forschenden wie sich Agrarlandschaften und Agrarproduktion
insektenfreundlicher gestalten lassen.

„Unser Ziel ist es, Landwirtinnen und Landwirte aktiv in die Entwicklung
und Umsetzung der Maßnahmen einzubinden“, erklärt Dr. Maria Busse vom
ZALF. „Sie wissen am besten, was in der Praxis funktioniert. Durch die
enge Zusammenarbeit können wir Lösungen entwickeln, die diese gern
ausprobieren. So steigt die Identifikation mit dem Projekt und den
Maßnahmen. Die Maßnahmen werden so ausgewählt, dass sie sowohl Insekten
Lebensraum bieten als auch wirtschaftlich tragfähig sind.“

Wie wurde zusammengearbeitet?

Das Forschungsteam setzt auf einen kooperativen Gestaltungsprozess, das
sogenannte „Co-Design“, in dem Wissenschaftler/innen, Landwirte/innen und
weitere regionale Akteure/innen gemeinsam Maßnahmen entwickelten. So
kommen Lösungsvorschläge nicht nur, wie bisher oft üblich, aus der
Wissenschaft, sondern auch aus der landwirtschaftlichen Praxis. Die Ideen
und das Wissen werden so verknüpft, dass sie Lösungen hervorbringen, die
ohne diese Zusammenarbeit nicht entstanden wären. Ein solcher Prozess
braucht ein durchdachtes Konzept, viel Koordination und eine
wissenschaftliche Begleitung, um Erfolge sichtbar zu machen und den
Prozess gegebenenfalls anpassen zu können. Dazu werden folgende Schritte
durchgeführt und Methoden angewendet, die Schritt für Schritt von der
Entwicklung zur Erprobung und Bewertung führen:

1.      Interviews: Zu Beginn des Projektes wurden die Landwirte/innen
befragt, was sie motiviert, sich am Projekt zu beteiligen, wie ihre
Erwartungen sind und welche Bedeutung für sie Insekten in der
Agrarlandschaft haben.

2.      Workshops: In partizipativen Arbeitstreffen zwischen
Wissenschaftler/innen, Landwirten/innen, Naturschutzorganisationen,
kommunalen Behörden und landwirtschaftlichen Beratungsstellen werden die
Ziele für jedes Landschaftslabor gemeinsam festgelegt, Herausforderungen
und Lösungsmöglichkeiten diskutiert, Maßnahmen für die gesamte Landschaft
ausgestaltet und bewertet.

3.      Planungsgespräche mit einzelnen Landwirten/innen ergänzen die
Workshops. So kann auf individuelle Bedarfe eingegangen werden.

4.      Experimentierflächen im Landschaftslabor: Landwirte/innen legen in
Zusammenarbeit mit Forschenden z.B.  mehrjährige Blühstreifen an, testen
blühende Feldfrüchte oder stellen auf mehrjährige Kulturen um.

5.      Feldbegehungen sind bei Landwirten/innen besonders beliebt, weil
sie sich so am
besten mit ihren Berufskolleg/innen zu den umgesetzten Maßnahmen
austauschen können und hier Ideen für Neues entstehen.

6.      Partizipative Kartierung: Mit digitalen und analogen Karten werden
in den Workshops Maßnahmen auf Landschaftsebene geplant, um ihre räumliche
Wirkung besser zu verstehen.

7.      Reflexionsrunden: Die Beteiligten bewerten regelmäßig die
Machbarkeit der Maßnahmen und passten sie an ihre Bedürfnisse an. Auch der
gesamte Gestaltungsprozess wird regelmäßig reflektiert und angepasst.

„Besonders wertvoll ist für die Landwirtinnen und Landwirte, dass im
Projekt Landwirtschaft, Naturschutz und Wissenschaft miteinander
kooperieren und dadurch neue Impulse gesetzt werden, die das gegenseitige
Lernen fördern und auch den Insektenschutz aktiv voranbringen. Unsere
Praxispartner/innen schätzen außerdem sehr, Maßnahmen ohne finanzielles
Risiko ausprobieren und so zeigen zu können, dass sie sich aktiv für den
Erhalt von Insekten einsetzen“, ergänzt Dr. Busse.

Experimentieren unter realen Bedingungen

Landwirte/innen bewerten den Co-Design-Ansatz als flexibel, konstruktiv
und vertrauensbildend. Sie konnten dadurch z.B. viel über die Bedarfe der
Insekten und die Umsetzung insektenfreundlicher Maßnahmen lernen. Jedoch
bestehen noch Herausforderungen bei der Zusammenarbeit mit anderen
Landwirten/innen, da sie die Wirtschaftlichkeit ihrer Betriebe im Blick
haben müssen und es bisher weniger gewohnt waren, die ökologischen,
betriebsübergreifenden Zusammenhänge in der Landschaft zu berücksichtigen.

Eine solch enge Zusammenarbeit zwischen Praxis und Wissenschaft
funktioniere laut Dr. Busse nur, wenn es in jedem Landschaftslabor eine
feste Ansprechperson gebe, die die Tätigkeiten und Interaktionen
orchestriere. Zudem sei es langfristig wichtig, wirtschaftlich tragfähige
Lösungen zu etablieren, um den Schutz der Insekten dauerhaft, über die
Projektlaufzeit hinaus, in der landwirtschaftlichen Praxis zu verankern.
„Es braucht eine vertrauensvolle und langfristige Kooperation, also eine
stabile Vernetzung zwischen Landwirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung,
die gemeinsame Ziele verfolgt und voranbringt, um nachhaltige
Veränderungen zu erreichen“, ergänzt Prof. Jens Dauber, einer der Co-
Autoren vom Thünen-Institut.

Was passiert mit den Ergebnissen?

Die Erkenntnisse aus den Landschaftslaboren werden nun für weitere Akteure
in den Agrarlandschaften zugänglich gemacht, damit solche Maßnahmen in die
Breite getragen werden können. Dazu werden Handlungsempfehlungen für
Politik und Landwirtschaft entwickelt. Zudem soll geprüft werden, ob die
Zusammenarbeit von Praxis und Wissenschaft in Landschaftslaboren ein
übertragbarer Ansatz ist und wie langfristige Kooperationen sichergestellt
werden können.

Projektpartner:

- Johann Heinrich von Thünen-Institut, Bundesforschungsinstitut für
Ländliche Räume, Wald und Fischerei (Thünen-Institut) - Projektleitung
- Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) e.V.
- Julius-Kühn-Institut (JKI)
- Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL)
- Landwirtschaftskammer Niedersachsen (LWK Ni)

Förderhinweis:

Diese Arbeit wurde vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft
für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) über die Fachagentur Nachwachsende
Rohstoffe (FNR; Projektnummer 22012018) auf Grundlage eines Beschlusses
des Deutschen Bundestages gefördert.

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