Wo Küstenauftrieb und Saharastaub das Leben im Meer fördern
Am Wochenende ist die Expedition M208 unter
Leitung des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel gestartet.
Die Fahrt mit dem Forschungsschiff METEOR untersucht die physikalischen,
chemischen und biologischen Prozesse im küstennahen Auftriebsgebiet vor
Nordwestafrika.
Ziel ist es, das Zusammenspiel von Ozean, Atmosphäre und
marinen Ökosystemen besser zu verstehen. Die Expedition dient zudem als
Vorbereitung für das Großprojekt FUTURO, das sich ab 2027 mit der weiteren
Entwicklung des Ökosystems vor Westafrika beschäftigen wird.
Küstenauftriebsgebiete an den östlichen Rändern des Atlantiks und Pazifiks
gehören zu den biologisch produktivsten Regionen des Ozeans und haben eine
hohe ökologische und sozioökonomische Bedeutung. Sie beeinflussen das
globale Klima erheblich, reagieren jedoch empfindlich auf menschliche
Einflüsse wie Ozeanerwärmung, Ozeanversauerung und Sauerstoffmangel.
Um diese komplexen Prozesse besser zu verstehen, braucht es eine
tiefgreifende wissenschaftliche Beschreibung von Küstenauftriebssystemen.
Die jetzt unter der Leitung des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für
Ozeanforschung Kiel gestartete METEOR-Expedition M208 „NowUP“ wird dazu
einen wichtigen Beitrag leisten. Der Name der Ausfahrt steht für Northwest
African Upwelling and Productivity (Nordwestafrikanisches Auftriebsgebiet
und Produktivität). Sie trifft erste Vorbereitungen für die internationale
Beobachtungskampagne FUTURO (The FUture of Tropical Upwelling Region in
the Atlantic Ocean), die von 2027 bis 2029 vor Nordwestafrika durchgeführt
werden soll.
Physikalischer Antrieb biologischer Produktivität
Die hohe Produktivität im Auftriebsgebiet vor Nordwestafrika wird durch
den südlichen Wind entlang der Küste angetrieben. Dieser Wind verursacht
einen ablandigen Transport oberflächennahen Wassers, das durch tieferes,
nährstoffreiches Wasser ersetzt wird. Allerdings können auch andere
physikalische Prozesse eine ebenso wichtige Rolle spielen. Dazu gehören
beispielsweise Randwellen, die am Äquator oder an den Küsten des Golfs von
Guinea erzeugt werden und zu einem Aufstieg nährstoffreichen Wassers vor
Nordwestafrika führen, sowie die Vermischung auf dem Schelf, die lokal
durch interne Gezeiten hervorgerufen wird. Mit einer Kombination
verschiedener Messinstrumente, die kontinuierlich während der Fahrt oder
auf Stationen eingesetzt werden, sowie durch den Einsatz autonomer Gleiter
und Verankerungen, wird während NowUP die komplexe Dynamik im
Auftriebsgebiet genauer erfasst, um Rückschlüsse auf mögliche zukünftige
Veränderungen zu ziehen.
Wechselwirkung zwischen Ozean und Atmosphäre
Die Atmosphäre beeinflusst die biologische Produktivität des Meeres durch
den Eintrag gewaltiger Mengen von Saharastaub, der essenzielle Nährstoffe
wie Phosphat und Eisen liefert. Diese fördern das Wachstum von
Phytoplankton, das als Basis des marinen Nahrungsnetzes dient und eine
wichtige Rolle als Sauerstoffproduzent und CO₂-Senke spielt. Wie genau die
winzigen Staubpartikel die biologischen und chemischen Prozesse im Wasser
beeinflussen, ist eine der zentralen Fragen der METEOR-Expedition M208.
Dabei wird auch untersucht, unter welchen meteorologischen Bedingungen
Staubausbrüche auftreten. „Februar und März sind eine günstige Zeit für
unsere Ausfahrt“, sagt Fahrtleiter Dr. Peter Brandt, Professor für
Physikalische Ozeanographie am GEOMAR. „In dieser Zeit ist durch
verstärkte Winde die biologische Produktivität maximal und gleichzeitig
treten Saharastaubstürme auf.“
Nährstoffe aus Wüstenstaub treiben die „biologische Pumpe“ an
Die „biologische Pumpe“ ist entscheidend für den globalen
Kohlenstoffkreislauf. Der Begriff „biologische Pumpe“ beschreibt die
Aufnahme von CO₂ aus der Atmosphäre durch mikroskopische Algen
(Phytoplankton) zum Aufbau ihrer Biomasse und dem anschließenden Export
des gebundenen Kohlenstoffes in größere Wassertiefen. Hier ist dieser
Kohlenstoff dann für hunderte von Jahre gespeichert und dem Klimageschehen
entzogen. Der Aufbau der Phytoplankton-Biomasse wird durch Nährstoffe wie
Stickstoff und Phosphor, die vor Westafrika durch Auftrieb an die
Oberfläche gelangen, und eben auch Spurenelemente aus Saharastaub
unterstützt. Der Export dieser Biomasse geschieht auf verschiedene Weisen.
Zum Beispiel fressen kleine, im Meer driftende Tiere (Zooplankton) das
Phytoplankton und scheiden Kotballen aus, die im Ozean absinken.
Absterbendes Phytoplankton kann auch zu Aggregaten zusammenballen und als
sogenannter Mariner Schnee absinken. Zudem tragen tägliche vertikale
Migrationen von Zooplankton von der Oberfläche bis in ca. 200 bis 600
Meter Tiefe zur zusätzlichen Kohlenstoffverlagerung bei.
Vielfältige Messungen geplant
Für ihre Untersuchungen werden die Wissenschaftler:innen verschiedene
Instrumente einsetzen, darunter um den Salz- und Sauerstoffgehalt, die
Temperatur, die Nährstoff-, Eisen-, Phyto-, Zooplankton- und
Partikelverteilung zu messen.
- Verankerte Instrumente zur Bestimmung von Strömungen, internen Wellen
und dem Kohlenstofffluss
- Gleiter messen autonom während der Schiffskampagne und können
Meeresgebiete hydrographisch erfassen
- Echtzeitsatelliten helfen dabei, dynamische Strukturen zu identifizieren
und die Schiffsmessungen besser zu planen
- ADCP (Acoustic Doppler Current Profiler) zur akustischen Messung der
Geschwindigkeit von Meeresströmungen in verschiedenen Wassertiefen
- Microstructursonden vermessen die Vermischung im Ozean
- Moving Vessel Profiler (MVP) misst Wassereigenschaften (z. B.
Temperatur, Salzgehalt und Chlorophyll) vom fahrenden Forschungsschiff
- Radiosonden steigen mit Ballons in die Atmosphäre auf, um Temperatur,
Feuchtigkeit, Druck und Wind in verschiedenen Höhen zu messen
- Sensoren vom Portablen Meteorologischen Observatorium (PortMeteO)
registrieren das Wettergeschehen und den Staubtransport
Die Expedition M208 hat das Ziel, die Wechselwirkungen zwischen Auftrieb,
Staubeintrag, Phytoplankton Wachstum und Kohlenstoffexport besser zu
verstehen und damit präzisere Vorhersagen über die Auswirkungen von
Klimaveränderungen auf Küstenauftriebssysteme zu ermöglichen.