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Konzil von Nizäa vor 1.700 Jahren: „Gottesbilder auf den Kopf gestellt“

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Internationale Doppelkonferenz in Rom und Münster zum ersten
gesamtkirchlichen Konzil – Päpstliche Universität Gregoriana und
Universität Münster kooperieren – Einladung des Papstes zu Austausch und
Begegnung – Dogmatikprofessor Michael Seewald:

Neue interdisziplinäre
Forschungen zu Geschichte und Theologie des Konzils zusammenbringen – Was
bedeutet Nizäa für das Verhältnis zu Judentum und Islam? – „Was heutige
Kirchenmitglieder faktisch glauben, ist eine andere Frage“

Das Konzil von Nizäa vor 1.700 Jahren und seine Bedeutung bis heute stehen
kommende Woche im Zentrum einer internationalen Konferenz der Päpstlichen
Universität Gregoriana und der Universität Münster in Rom. „Das erste
gesamtkirchliche Konzil der Geschichte hat ein Glaubensbekenntnis
formuliert, das bis heute für fast alle Kirchen grundlegend ist. Es eint
katholische, evangelische und orthodoxe Christen“, sagt Dogmatikprofessor
Michael Seewald aus Münster, der die interdisziplinäre Konferenz mit
seinem Fachkollegen Philipp G. Renczes SJ von der Gregoriana veranstaltet.
„Das Konzil hat aus heutiger Sicht herkömmliche Gottesbilder auf den Kopf
gestellt: Gott selbst ist in Jesus Mensch geworden. Das ist die
Hauptaussage des Bekenntnisses von Nizäa. Gott ist bildlich gesprochen
nicht nur ganz oben, sondern auch ganz unten. Als Gekreuzigter eine
gescheiterte Existenz – und gerade im Scheitern erweist er sich als Gott.
Mit dieser Grundidee hat Nizäa der Theologie intellektuell anspruchsvolle
Fragen hinterlassen.“ Weil das 1.700 Jahre alte Glaubensbekenntnis bis
heute bedeutsam sei, bringe die Konferenz neue historische Forschungen zum
Konzil als Politikereignis mit neuen systematisch-theologischen
Forschungen zum Streit um das Verhältnis von Gott und Jesus zusammen. Der
Streit spaltete die noch junge christliche Kirche im Römischen Reich,
weshalb Kaiser Konstantin 325 die bis dahin größte Bischofsversammlung in
Nizäa, heute Iznik in der Türkei, zusammenrief.

Die Doppelkonferenz der beiden Universitäten trägt den Titel „The
Confession of the Council of Nicaea: History and Theology“ (Das Bekenntnis
des Konzils von Nizäa: Geschichte und Theologie). Im ersten Teil vom 27.
Februar bis 1. März in Rom sprechen führende Nizäa-Forschende aus
Theologie, Philosophie, Philologie und Geschichtswissenschaft; im zweiten
Teil vom 15. bis 17. Oktober 2025 in Münster liegt ein Schwerpunkt auf der
Frage, was das Konzil für das Verhältnis zwischen Christentum und Judentum
sowie Christentum und Islam bedeutet. „Nizäa hat die Entfremdung zwischen
Juden und Christen verstärkt. Und die Vorstellung, dass Jesus Gott gewesen
sein soll, ist aus islamischer Sicht nicht akzeptabel. Die beiden Teile
der Konferenz in Rom und Münster kontextualisieren das Konzil als
politisches Ereignis seiner Zeit, denken aber auch über die kontroversen
Inhalte nach, die in Nizäa verhandelt wurden“, führt Seewald aus.

„Deutsch-italienischen Theologieaustausch wieder stärken“

Zur Kooperation zwischen der Gregoriana, die vom Jesuitenorden getragen
wird, und der Theologie an der staatlichen Universität Münster sagt der
Forscher: „Dass durch dieses Tandem der Austausch zwischen
deutschsprachiger und italienischer Theologie wieder stärker belebt wird,
ist erfreulich. Dass der Papst die Tagungsteilnehmer zu einer persönlichen
Begegnung und einem Austausch eingeladen hat, spricht für die Bedeutung,
die er dem Konzilsjubiläum, aber auch der hochkarätig besetzten Tagung
beimisst. Wir hoffen, dass der Papst bald wieder gesund wird.“ Seewald
unterstreicht, beide universitären Institutionen hätten eine lange
Tradition in der Theologie- und Dogmengeschichte und befassten sich
zugleich mit zeitgenössischen Fragen des christlichen Glaubens in
unterschiedlichen regionalen, sprachlichen und kulturellen Kontexten.
„Beide schauen über den eigenen konfessionellen und nationalen Tellerrand
hinaus.“ Die Gregoriana sei weltweit renommiert für katholische Theologie,
die Katholisch-Theologische Fakultät in Münster die größte theologische
Fakultät an einer staatlichen Universität weltweit.

„Was heutige Kirchenmitglieder faktisch glauben, ist eine andere Frage“

Das Konzil von Nizäa im Jahr 325 wollte ein verbindliches
Glaubensbekenntnis festlegen, um den Streit über das Verhältnis von Gott
und Jesus, der im Römischen Reich eskaliert war, zu schlichten und Einheit
herbeizuführen. Die Versammlung beschloss schließlich, wie Michael Seewald
erläutert, „dass Jesus Christus desselben Wesens wie Gott Vater sei, also
im vollen Sinne Gott – nicht bloß diffus aus der Sphäre des Göttlichen
stammend“. Man sprach vom „ökumenischen“ Konzil, das also „den gesamten
bewohnten Erdkreis“ betraf. Vertreten waren aber vor allem Bischöfe aus
dem griechischsprachigen Osten. „Theologisch spielte im 4. Jahrhundert
dort die Musik.“

Zur Bedeutung des Konzils für heutige Menschen sagt der Theologe: „Die
großen christlichen Kirchen erkennen allesamt das Nizänische
Glaubensbekenntnis mit einigen späteren Ergänzungen an. Was die Mitglieder
dieser Kirchen faktisch glauben, ist eine andere Frage. Die meisten
Gläubigen heute lassen sich auf der theologischen Landschaft des 4.
Jahrhunderts vermutlich nicht abbilden.“ Während sich die Konfliktgruppen
damals einig gewesen seien, dass Jesus Christus „nicht bloß ein einfacher
Mensch war“, dächten heute wohl viele Christen, „Jesus sei ein
beeindruckender Mensch gewesen, der erst im Nachhinein in vielleicht
übertriebener Weise vergöttlicht wurde.“ Das habe in der christlichen
Theologie erst im 18. Jahrhundert Kreise gezogen. „Die Theologie der
antiken Kirche pflegte hingegen eine spekulativ hochentwickelte
Christologie.“ Für Nicht-Christen von heute könne das Konzil aus einem
weiteren Grund von Interesse sein: „Die wechselvolle Rezeption von Nizäa
und die Rolle von Kaiser Konstantin auf dem Konzil sind ein Paradebeispiel
für die Verschränkung von Religion und Politik, für die Verwobenheit
religiöser Wahrheitsansprüche und politischer Interessen.“

Veranstalter der mehrsprachigen, simultan gedolmetschten Konferenz seitens
der Universität Münster sind der Lehrstuhl für Dogmatik und
Dogmengeschichte sowie der Exzellenzcluster „Religion und Politik“. Im
ersten Teil in Rom sprechen neben den beiden Veranstaltern etwa auch die
Philosophin Anna Marmodoro aus Missouri als eine weltweit anerkannte
Expertin für antike Metaphysik, der Philologe Young Richard Kim aus
Chicago, Gräzist und Herausgeber des „Cambridge Companion to the Council
of Nicaea“, und die italienische Historikerin Emanuela Prinzivalli.
(vvm/tec)

Anmeldung: Journalistinnen und Journalisten, die an einer Teilnahme
interessiert sind, werden um Anmeldung gebeten unter: religionundpolitik
@uni-muenster.de.

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