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Theater Basel Die Glasmenagerie besucht von Marinella Polli

Die Glasmenagerie Szenenfoto von Lucia Hunziker
Die Glasmenagerie Szenenfoto von Lucia Hunziker
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Theater Basel Aussenansicht Nacht Foto Ingo Hoehn

Die Glasmenagerie Szenenfoto von Lucia Hunziker

Die Glasmenagerie Szenenfoto von Lucia Hunziker

Inszenierung Jaz Woodcock-Stewart
Bühne und Kostüme Rosie Elnile
Sounddesign Josh Grigg
Lichtdesign Alex Fernandes
Dramaturgie Inga Schonlau
Licht Mario Bubic
Besetzung
Amanda Wingfield, die Mutter Hilke Altefrohne
Tom Wingfield, ihr Sohn Jan Bluthardt
Laura Wingfield, ihre Tochter Antoinette Ullrich
Jim O’Connor, ein netter junger Mann
Julian Anatol Schneider
Statisterie Theater Basel

Die Glasmenagerie Szenenfoto von Lucia Hunziker
Die Glasmenagerie Szenenfoto von Lucia Hunziker

Achtzig Jahre nach der Uraufführung 1944 in Chicago (zwei Jahre später fand die deutschsprachige Erstaufführung am Basler Stadttheater statt), inszeniert die junge britische Regisseurin Jaz Woodcock-Stewart am Theater Basel Tennessee Williams’ Familiendrama ‘Die Glasmenagerie’. Der Erfolg ist garantiert, denn das Stück ist ziemlich populär. Konzept und Regieanweisungen scheinen dem Basler Publikum zu gefallen.

Die Vergangenheit ist immer besser als die Gegenwart

 

 

 

Hilke Altefrohne  als Amanda Wingfield, die Mutter
Hilke Altefrohne als Amanda Wingfield, die Mutter

 

 

 

 

 

 

In einer Wohnung im Arbeitermilieu der Stadt St. Louis am Mississippi lebt die Familie Wingfield. Tom, der Sohn, arbeitet am Tag und verbringt die Nächte im Kino, weit entfernt von jeder Realität; auch für seine Mutter Amanda ist jede Gelegenheit gut, um von der früheren Zeit zu erzählen, als sie noch mehrere Verehrer hatte. Sonst verbringt die noch junge Frau ihre Zeit, ständig auf der Suche nach einem Ehemann für ihre Tochter Laura. Ein utopischer Kampf, denn Laura (im Originalstück gehbehindert), in Basel eine allzu introvertierte, praktisch autistische Teenagerin, ist eine ewige Träumerin, die keine Ahnung von der Welt da draussen hat, laute Musik hört und sich mit ihrer Glastiere-Sammlung beschäftigt.

Tom Wingfield, Amandas Sohn – Jan Bluthardt
Tom Wingfield, Amandas Sohn – Jan Bluthardt

Vom Vater bleibt der kleinen Familie nur noch die Erinnerung, er hat sie früh genug verlassen. Die Verleugnung der Gegenwart ist, was Mutter und Kinder gemeinsam haben. Ja, und wie oft bei Tennessee Williams, passiert im Stück meistens nur im Innenleben der Protagonisten etwas: es sind innere Monologe und Erinnerungen, die dem Geschehen, oder besser, dem Nicht-Geschehen, eine starke Dramatik verleihen.

Eine packende Inszenierung mit einem minimalistischen aber eloquenten Bühnenbild
Laura Wingfield, AmandasTochter – Antoinette Ullrich
Laura Wingfield, AmandasTochter – Antoinette Ullrich

Jaz Woodcock-Stewart setzt das Stück ins 21. Jahrhundert. Viele Dialoge wurden gestrichen, ohne dass wichtige psychologische Schwerpunkte verloren gingen und ohne, dass aus dem Drama eine Komödie wurde. Überall in der Wohnung stehen vibrierende Kissen am Boden, auf denen die Schauspieler ab und zu stehen oder sitzen: eine brillante, wirkungsvolle Idee der Regisseurin, die damit die grosse Unsicherheit und die innere Nervosität der drei Protagonisten zeigt. Diese merkt man überall, aber besonders in der zweiten Hälfte des Theaterabends, als die Ausführenden und Tom’s Freund Jim an einem immer stärker wackelnden Esstisch sitzen. Rosie Elnile, die auch die Kostüme kreiert hat, gestaltet ein spärliches Bühnenbild: leere Betonwände und billige, jedoch eloquente Requisiten, die erst im zweiten Teil etwas Farbe und Form bekommen, wenn sich Laura und Tom’s Arbeitskollegen treffen sollten. Zusammen mit Josh Griggs lautem Sounddesign und Alex Fernandes‘ Lichtdesign ist das Bühnenbild sicher ein relevantes Element der Inszenierung. Bitter, sehr bitter, aber atemberaubend ist die Schlussszene mit dem seit Jahren geflüchteten Tom, der doch noch nicht frei ist und seine Schwester Laura anfleht, endlich ‚die Kerze auszublasen‘.

Die makellose Leistung der vier Schauspieler
Jim O’Connor, ein netter junger Mann – Julian Anatol Schneider
Jim O’Connor, ein netter junger Mann – Julian Anatol Schneider

Tochter Laura wird von Antoinette Ullrich gespielt wie man sich besser nicht wünschen kann: mal in ihrer Nische am Computer, mal indem sie tanzend laute Musik hört oder sich mit ihren Glaspferdchen liebevoll beschäftigt. Schüchtern und stotternd, aber vor allem zeitlos und sehr modern in einem. Jan Bluthardt, zugleich der Erzähler, spielt einen scheinbar gleichgültigen, distanzierten, harten aber doch zerrissenen Tom, schliesslich auch eine sehr moderne Figur: seine inneren Monologe tönen nicht nur aggressiv und sarkastisch, sondern auch tief verzweifelt. Eine beeindruckende Hilke Alterfrohne verkörpert Amanda, die mal hysterische, mal ironische, tyrannische, omnipräsente, dennoch ihre Kinder liebende Mutter. Stress, drohende Armut, Leere und eine perspektivlose Zukunft prägen ihre Existenz; sie kann und will aber nicht aufgeben und klingt manchmal sogar optimistisch. Last but not least verkörpert Julian Anatol Schneider Jim O’Connor, Tom’s soliden, selbstsicheren, sehr männlichen Freund und den für Laura ausgewählten Verehrer.

Die Glasmenagerie Szenenfoto von Lucia Hunziker
Die Glasmenagerie Szenenfoto von Lucia Hunziker

Die Glasmenagerie’ am Theater Basel berührt und fesselt. Am letzten Donnerstag zeigte das heterogene Publikum seine Dankbarkeit mit einem langen, warmen Applaus.

Text: https://marinellapolli.ch/

Fotos   Lucia Hunziker   theater-basel.ch/de

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Theater Basel Innenansicht Foto Ingo Hoehn

Die Glasmenagerie Szenenfoto von Lucia Hunziker

Die Glasmenagerie Szenenfoto von Lucia Hunziker