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Steinbruch, Sand- und Kiesgrube als Lebensraum: So kann die Baustoffbranche Biodiversität fördern

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Gemeinsame Pressemeldung von Institut für ökologische Wirtschaftsforschung
(IÖW), Leibniz-Institut zur Analyse des Biodiversitätswandels (LIB),
Universität Münster und NABU (Naturschutzbund Deutschland) e.V.


Rohstoffunternehmen greifen in Ökosysteme ein, können aber auch neue
Lebensräume schaffen, die für den Schutz seltener Arten sehr wichtig sind.
Forschende haben in zwölf deutschen Gewinnungsstätten über 1.200 Tier- und
Pflanzenarten nachgewiesen. Ein Handbuch des Projekts GiBBS zeigt, wie
Artenschutz mit dem laufenden Betrieb vereinbar ist – kosteneffizient
umsetzbar für Rohstoffunternehmen jeder Größe.

Berlin/Bonn/Münster, 29. Januar 2025 – Immer mehr Menschen sorgen sich um
das Artensterben. Der öffentliche Druck nimmt auch auf Rohstoffunternehmen
zu, denn sie verändern Ökosysteme durch den Abbau beziehungsweise die
Gewinnung von Baustoffen, zum Beispiel Sand und Gips. Doch gerade für
seltene Arten können in Gewinnungsstätten – die es in ganz Deutschland
gibt – wichtige neue Lebensräume entstehen. Um diese potenziellen
Lebensräume besser zu entwickeln, haben Forschende im Dialog mit der
Baustoffbranche ein Konzept für ein ganzheitliches
Biodiversitätsmanagement erarbeitet. Mit Förderung des Bundesministeriums
für Bildung und Forschung (BMBF) erstellte das Projekt „Ganzheitliches
Biodiversitätsmanagement in der Baustoffindustrie“ (GiBBS) ein Handbuch:
Es unterstützt Rohstoffunternehmen dabei, Artenschutzmaßnahmen zu planen,
umzusetzen und zu evaluieren.

In Deutschland gibt es weiterhin einen hohen Bedarf an Baustoffen. Für
eine nachhaltigere Bauwirtschaft ist es zentral, die Potenziale von
Recycling, nachwachsenden Rohstoffen und effizienten Bautechniken
vollständig auszuschöpfen. Ein weiterer Eckpfeiler ist das
Biodiversitätsmanagement in Gewinnungsstätten, denn: Auch in Zukunft
können wir nicht komplett auf Primärrohstoffe verzichten.

Wertvolle Lebensräume für hunderte Arten

„Bei der Gewinnung von Sand, Kies, Kalkstein oder Gips greifen Unternehmen
in die Landschaft ein. Dabei geht immer etwas verloren, doch für die
Biodiversität kann es trotzdem ein Gewinn sein: Neue, karge Lebensräume
entstehen, die für sogenannte Pionierarten überlebenswichtig sind“, sagt
Prof. Dr. Christoph Scherber, stellvertretender Generaldirektor des
Leibniz-Instituts zur Analyse des Biodiversitätswandels (LIB) in Bonn.

So leben in diesen Pionierlebensräumen etwa Arten wie der
Flussregenpfeifer oder die Blauflügelige Sandschrecke. In Baggerlöchern
bilden sich Tümpel, in denen Kreuz- und Wechselkröten laichen. Vögel wie
Uferschwalben nisten in Abbruchkanten. Solche Arten finden in Deutschland
immer seltener geeignete Lebensräume. Aus diesem Grund kann die
Baustoffbranche für ihren Schutz eine wichtige Rolle spielen.

Forschende des LIB und der Universität Münster haben die Artenvielfalt in
zwölf verschiedenen Gewinnungsstätten untersucht. Ihr Ergebnis: Mehr als
1.200 Pflanzen-, Vogel-, Insekten-, Amphibien- und Reptilienarten konnten
sie bei den beteiligten Standorten dokumentieren.

Biodiversität fördern statt verhindern

„Einige Unternehmen sind bereits sehr engagiert und schaffen aktiv
Lebensräume für seltene Arten. Andere sind hingegen zurückhaltend, weil
sie eine Beeinträchtigung ihrer Betriebsabläufe oder Konflikte mit
Naturschutzbehörden befürchten. Teilweise versuchen sie deshalb zu
verhindern, dass sich gefährdete Arten ansiedeln“, erklärt Anneli
Heinrich. Sie ist Wirtschaftsingenieurin und leitete am Institut für
ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) das Projekt GiBBS. „Wir haben
Unternehmen, Branchen- und Naturschutzverbände sowie Naturschutzbehörden
an einen Tisch gebracht, um konstruktive Lösungsansätze zu finden.
Gleichzeitig hat das IÖW in sieben Unternehmen erforscht, welche Hürden es
gibt und welche Strategien funktionieren.“

Das Team erarbeitete praktikable Lösungen, damit Unternehmen aller Größen
im laufenden Betrieb die Artenvielfalt fördern können. Dabei geht es um
freiwillige Maßnahmen, mit denen sich Unternehmen als
verantwortungsbewusste Akteure positionieren können – in der
Öffentlichkeit, bei Naturschutzbehörden und Geschäftspartnern.

Eine Aufgabe für das ganze Unternehmen

Das GiBBS-Handbuch denkt alle Unternehmensebenen mit – von der Leitung bis
zu den Baggerfahrenden. „Die Baustoffbranche setzt sich schon seit vielen
Jahren für den Artenschutz in Gewinnungsstätten ein. Neu ist: Das Handbuch
bietet konkrete Hinweise und Tipps, wie biodiversitätsfördernde Maßnahmen
in die Unternehmensabläufe effizient und kostenorientiert eingebunden
werden können“, betont Ivonne Arenz vom Bundesverband Mineralische
Rohstoffe (MIRO).

Konkret heißt das: Schutz und Förderung der Biodiversität sollte Teil der
Unternehmensstrategie werden. Sowohl der internationale Konzern als auch
das kleine Familienunternehmen können klar formulieren, was sie für den
Artenschutz erreichen wollen. Dabei sollten die eigenen Flächen im Fokus
stehen, sodass externe Kompensation nur eine geringe Rolle spielt. Das
Handbuch schlägt Gremien und Formate vor, um die Aktivitäten auf
Unternehmens- und Standortebene zu koordinieren.

„Maßnahmen zum Biodiversitätsschutz müssen den aktiven Betrieb nicht
einschränken und auch nicht zwingend teuer sein“, ergänzt der Ökonom
Patrick Schöpflin vom IÖW. „Wichtig ist, möglichst verschiedene relevante
Lebensräume zu erhalten oder zu schaffen und dort entsprechende Brut- und
Ruhezeiten zu beachten.“

Monitoring: Seltene Arten langfristig beobachten

Verlässliche Informationen über das Vorkommen von Tier- und Pflanzenarten
sind nur durch regelmäßiges Monitoring möglich. „Für eine Kosten-Nutzen-
effiziente Umsetzung hilft das Handbuch dabei, geeignete Zielarten und
Erfassungsmethoden auszuwählen, sodass die Ergebnisse aussagekräftig sind
und sich der Aufwand trotzdem in Grenzen hält“, sagt Katharina Schwesig
vom Institut für Landschaftsökologie der Universität Münster. Das
Vorkommen von Kreuz- und Wechselkröte etwa lässt sich effizient durch DNA-
Analysen von Wasserproben nachweisen, während bei Libellen die klassische
Erfassung vor Ort nach wie vor die zuverlässigste Methode ist.

„Neben eigenem Fachpersonal und externen Dienstleistern können auch
engagierte Bürger*innen das Monitoring unterstützen“, ergänzt Elena
Kortmann, Referentin für Artenschutzkoordination im NABU (Naturschutzbund
Deutschland). Im Projekt GiBBS beteiligten sich insgesamt 30 Freiwillige.
Der NABU koordinierte die Einsätze und entwickelte einen E-Learning-Kurs,
um das Artenwissen von Freiwilligen zu erhöhen und diese zur Mitwirkung in
solchen Citizen-Science-Projekten in Gewinnungsstätten zu befähigen. „Für
Naturbegeisterte ist es eine gute Möglichkeit, seltene Arten in besonderen
Lebensräumen zu erleben und sich weiterzubilden. Im Gegenzug können
Unternehmen ihr Engagement für Biodiversität aufzeigen.“

Über das Projekt

Das Projekt „Ganzheitliches Biodiversitätsmanagement in der
Baustoffindustrie (GiBBS)“ entwickelte ein Konzept für den Artenschutz in
kleinen, mittleren und großen Rohstoffunternehmen. Beteiligt waren das
Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW), das Institut für
Landschaftsökologie der Universität Münster, das Leibniz-Institut zur
Analyse des Biodiversitätswandels (LIB) und der NABU (Naturschutzbund
Deutschland) e.V. Als Praxispartner wirkten intensiv mit: der
Bundesverband Baustoffe – Steine und Erden e.V. (bbs), der Bundesverband
Mineralische Rohstoffe e.V. (MIRO) und der Bundesverband der Gipsindustrie
e.V. sowie sieben Unternehmen der Branche. Weitere Unternehmen sowie
Naturschutzbehörden und Umweltverbände brachten sich in
Dialogveranstaltungen ein. Gefördert wurde das Projekt vom
Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) in der
Forschungsinitiative zum Erhalt der Artenvielfalt (FEdA) und im
Förderschwerpunkt Sozial-ökologische Forschung (SÖF).

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Mehr Informationen:

• Handbuch für die Steine-Erden-Branche: „Biodiversität in
Gewinnungsstätten. Management und Monitoring der Artenvielfalt“
http://www.ioew.de/gibbs-handbuch
• Projektflyer:
https://www.ioew.de/fileadmin/user_upload/BILDER_und_Downloaddateien/Projekte/Flyer_GiBBS.pdf
• E-Learning-Kurs: „Biodiversität in der Baustoffindustrie“ https://nabu-
naturgucker-akademie.de/goto.php?target=crs_1188&client_id=naturgucker
• Download Pressegrafik:
https://www.ioew.de/fileadmin/user_upload/DOKUMENTE/Pressemitteilungen/2025
/GiBBS_Infografik_IOEW-UM-Leitner-2025.zip

• weitere Pressefotos:
https://www.ioew.de/fileadmin/user_upload/DOKUMENTE/Pressemitteilungen/2025
/GiBBS-Pressefotos-2025.zip

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