ShrimpWiz: Mehr Tierwohl in der heimischen Garnelenzucht durch KI
Garnelen in deutschen Supermärkten stammen fast ausschließlich aus
Zuchtanlagen außerhalb der EU – ohne Nachweis darüber, ob sie artgerecht
gehalten wurden.
Unter der Leitung des Alfred-Wegener-Instituts untersucht
ein Konsortium gemeinsam mit dem Unternehmen Oceanloop im Projekt
„ShrimpWiz“, wie eine landbasierte Garnelenzucht in Deutschland aufgebaut
werden kann, die das Tierwohl garantiert und dabei wirtschaftlich für
Unternehmen ist. Hierfür nutzen sie eine Bilderkennungssoftware, um die
Tiere automatisiert zu untersuchen und zu versorgen.
In der modernen landbasierten Aquakultur müssen Anlagenbetreiber ihre
Garnelen regelmäßig abfischen, messen und wiegen, um die Anzahl der Tiere
und ihren Zustand zu erfassen. Dies führt jedoch zu Stress bei den
Garnelen und vermindert so das Tierwohl. Auch ist es praktisch unmöglich,
Stresssymptome oder sogar kranke Tiere selbst bei optimalen
Lichtverhältnissen in den Zuchtanlagen zu erkennen. Genau hier setzt das
Projekt „ShrimpWiz“ an: Unter der Leitung des Alfred-Wegener-Instituts,
Helmholtz Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) hat ein Team von
Forschenden und Ingenieuren in Zusammenarbeit mit Oceanloop, einem Pionier
in der europäischen Indoor-Garnelenzucht, ein System entwickelt, das mit
Hilfe einer KI-unterstützten Bilderkennungssoftware Garnelen auf Fotos
zählen kann. Unter realistischen Zuchtbedingungen und in Echtzeit kann das
System auch die Länge der Tiere mit einer Genauigkeit von 95 Prozent
bestimmen.
Mit KI mehr Bewusstsein schaffen für eine nachhaltige und artgerechte
Garnelenzucht
Der erste Prototyp wurde in der Forschungs- und Entwicklungsfarm von
Oceanloop in Kiel getestet. Ein modernes Smartphone, das über der
Wasseroberfläche installiert ist, fotografiert die Garnelen automatisch
einmal pro Minute und überträgt die Live-Daten an einen lokalen Server.
Hier zählen die Algorithmen von Computer Vision jede einzelne Garnele auf
jedem Bild und messen ihre Länge. Durch die Kombination aus
hochauflösender Bildqualität, modernster Kamerahardware, leistungsstarken
Rechnern und der neuesten Generation von KI-basierten
Bildverarbeitungsmodellen konnte das Team sogar optische Anzeichen von
Stress bei den Tieren erkennen.
Oceanloop Anlagen nutzen im Gegensatz zur Teichproduktion klares Wasser in
der Zucht. Daher eignen sich diese Anlagen hervorragend für die KI-
gestützte Überwachung der Garnelen, wie das Konsortium im Vorgängerprojekt
„MonitorShrimp“ zeigen konnte. Aufgrund der starken Trübung des Wassers in
den traditionellen Teichanlagen ist eine optische Erfassung des Tierwohls,
sei es mit bloßem Auge oder automatisierter Bilderkennung, nahezu
ausgeschlossen. Dr. Stephan Ende, der Koordinator des Projekts am AWI, ist
überzeugt, dass die Klarwassertechnologie daher der Schlüssel zu Fragen
des Tierschutzes in intensiven Aquakulturanlagen ist: „Der Einsatz von
Bilderkennungssoftware zur Messung der Garnelen ermöglicht eine genaue und
nicht-invasive Überwachung von Tierschutz und Produktivität in der
Garnelenzucht – 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche. Die
Klarwassertechnologie in Kombination mit unserer Software 'Early Welfare
Alert' kann der Ausgangspunkt für jede Tierschutzkennzeichnung in der
zukünftigen Garnelenindustrie sein.“ Das Ziel von „ShrimpWiz“ ist, eine
marktreife Tierwohl-Software für die landbasierte Garnelenzucht zu
entwickeln, die es ermöglicht, alle erforderlichen Informationen in einer
einzigen Aufnahme zu erfassen, einschließlich Biomasse, Stress und – in
einer späteren Phase auch – mögliche Krankheiten.
„Die nicht-invasive Echtzeit-Überwachung von wichtigen
Produktionsparametern wie Wachstum, Futterverwertung, Überleben und Stress
wird einen entscheidenden Beitrag zum besseren Verständnis der
Garnelenzucht leisten. Wir können diese verwenden, um ein künstliches
neuronales Netzwerk zu entwickeln, das alle verfügbaren Farmdaten
berücksichtigt, die sich leicht auf mehr als hundert summieren können“,
sagt Dr. Bert Wecker, CTO von Oceanloop. Tomasz Kowalczyk, Gründer und CEO
von NeuroSYS, das an der Entwicklung des Algorithmus für das Projekt
beteiligt war, erklärt: „Technologische Fortschritte können Unternehmen
und ganze Branchen verändern. Wir sind bereit, Teil dieses Wandels zu sein
und arbeiten daran, die Vorteile von Künstlicher Intelligenz und Deep
Learning in der Garnelenzuchtbranche einzuführen.“
Das Konsortium sieht in der Entwicklung von KI-basierter Software eine
Möglichkeit, nicht nur das Wohlergehen der Tiere zu verbessern, sondern
auch die Produktionseffizienz zu steigern. Die Technologie kann helfen,
die Digitalisierung der Indoor-Garnelenzucht voranzutreiben, was notwendig
ist, um das heutige Preisniveau im Einzelhandel zu erreichen. „Der
Nachweis der technischen Machbarkeit alternativer Lösungen ist von
entscheidender Bedeutung, um dem wachsenden Bewusstsein von Kunden und
Interessengruppen für eine nachhaltigere und artgerechtere Garnelenzucht
gerecht zu werden“, schließt Stephan Ende.
Das Projekt wird gefördert aus Mitteln des Bundesministeriums für
Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) aufgrund eines Beschlusses des
Deutschen Bundestages über die Bundesanstalt für Landwirtschaft und
Ernährung (BLE) im Rahmen des Innovationsförderprogramms.
Über das Konsortium:
Das Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und
Meeresforschung (AWI) forscht in der Arktis, Antarktis und in den Ozeanen
der hohen und mittleren Breiten. Es koordiniert die Polarforschung in
Deutschland und stellt der internationalen wissenschaftlichen Gemeinschaft
wichtige Infrastrukturen zur Verfügung, wie den Forschungseisbrecher
Polarstern und Stationen in der Arktis und Antarktis.
Oceanloop ist ein Food-Tech-Unternehmen für Kreislauf-Aquakultur-Systeme
(RAS). Die softwaregesteuerten, landgestützten künstlichen Ökosysteme sind
modulierbar, skalierbar und ortsunabhängig. Oceanloop setzt neue Maßstäbe
in Bezug auf Qualität, Nachhaltigkeit und Produktivität und trägt damit
zur wachsenden Nachfrage nach klimafreundlichen Proteinquellen bei.
NeuroSYS ist ein Team von Experten für KI, maschinelles Lernen und
Digitalisierung. Seit 2010 hat NeuroSYS über 100 komplexe KI- und IT-
Projekte für Kunden auf der ganzen Welt durchgeführt und dabei die Abläufe
in verschiedenen Branchen optimiert. Das Unternehmen ist auf die Anwendung
von Spitzentechnologien in Bereichen wie Fertigung, Landwirtschaft,
Gesundheitswesen und Pharma spezialisiert.